Es tun sich immer mehr Parallelen zur Saison 2018/19 auf, die der TuS Ferndorf, damals wie heute Aufsteiger in Liga Zwei, auf Platz Acht abschloss. Ein Ergebnis, welches in der aktuellen Saison eine riesengroße Sensation wäre, ob der hochkarätigen Teams in dieser Liga. Und man tut in und um den TuS Ferndorf weiterhin gut daran, nur von Woche zu Woche zu denken und Punkte einzusammeln wie ein Eichhörnchen. Vorrat anlegen wie die angesprochenen Nagetiere, um mit einem fetten Polster in und über den Winter zu kommen. Wobei ein Tabellenplatz Zwei nach dem Samstag-Spieltag eine wunderschöne Momentaufnahme ist. Nicht ausgeschlossen, dass die Tabelle bei dem ein oder anderen über dem Bett hängt und für süße Träume und ruhige Nächte sorgt.
Start nach Maß – ein oft zitierter Spruch, der zur Anfangsphase der TuS-Equipe passte, wie der berühmte Hintern auf den Eimer. Vor der atemberaubenden Kulisse von 1.333 Zuschauern begannen die Michel & Co. wie die Feuerwehr. Von Beginn an leichtfüßig und aufmerksam in der Abwehr, führte im Angriff Janko Kevic Regie und hinter dem angesprochenen Abwehrverband spielte ein Can Adanir groß auf. Das 1:0 resultierte aus einem Zauber-Anspiel Kevics auf den Kapitän, Mattis Michel. Dieser ist aktuell beim Thema Wurfquote nicht zu toppen und macht seine Sache hinten und vorne außerordentlich gut. Wobei der Satz des Zauber-Anspiels von Kevic auf Michel in diesem Bericht inflationär genutzt werden wird. Der kroatische Mittelmann in Diensten der Nordsiegerländer war von Beginn an hellwach und zeigte allen, wozu er auch mit 38 Jahren noch in der Lage ist. Auf 5:2 stellte der Kopf des Ferndorfer Spiels in der 7. Minute. Doch die Ostwestfalen, vor Saisonbeginn als sicherer Kandidat fürs obere Tabellendrittel gesehen, hatten in Person ihrer Außenspieler etwas dagegen. Tom Skroblien und Tim Roman Wieling sorgten beim 5:5 (9.) für den ersten Gleichstand der Partie. Für einen Spieler im Ferndorfer Trikot war es ein besonderes Spiel. Marvin Mundus, aus dem Nettelstedter Nachwuchs entsprungen und drei Jahre für die Ostwestfalen aktiv, zeigte sich bereits zu Beginn der Partie treffsicher. Beim 7:5 (11.) erzielte er bereits seinen dritten Treffer. Vier Minuten später war es wieder soweit. Kevic auf Michel – Tor zum 9:7. Diesmal zauberte der Kroate den Ball hinter seinem Rücken an den Kreis. Nach dem erneuten Anschlusstreffer der Mannen von N.-Lübbeckes Neu-Coach Piotr Przybecki nahm der Ferndorf-Express richtig Fahrt auf. Angetrieben vom unermüdlichen Kevic und dem treffsicheren Michel zogen die Jungs vom Kindelsberg über 16:12 (26.) bis zur Halbzeit auf 18:13 davon. „Wir haben über weite Strecken ein fantastisches Spiel gemacht. Bei uns hat einfach ein Rädchen ins andere gegriffen“, war Coach Ceven Klatt höchst erfreut über den Auftritt seiner Mannen. Ein Sonderlob gebührte bereits nach den ersten dreißig Minuten dem jungen Philip Würz, der im Innenblock seine Aufgabe sehr gut löste.
Schon in der ersten Hälfte war das Publikum im Hexenkessel Stählerwiese der oft beschriebene achte Mann. Doch die 1.333 Zahlenden legten in den zweiten dreißig Minuten nochmal nach. Auch der zahlreich vertretene Nettelstedter Anhang war über sechzig Minuten bemüht, dem eigenen Team eine Stütze zu sein. N.-Lübbeckes Coach Przybecki war in seiner Analyse nach dem Spiel nicht zimperlich: „Man merkt ein wenig die Orientierungslosigkeit. Wir verschießen zu viele freie Bälle!“ Dabei sah es für seine Jungs nach dem Seitenwechsel erst einmal besser aus. Zeitstrafen gegen Josip Eres und Hampus Dahlgren nutzten die in Schwarz gekleideten Ostwestfalen zum 18:14 (34.). Mundus war dann der Knotenlöser auf Ferndorfer Seite. Entfesselt aufspielend, so lässt sich der Auftritt des 24-jährigen bestens beschreiben. Bis zur 43.Minute war dann auf Seiten der Gäste Jo-Gerrit Genz derjenige, der den Abstand nicht zu groß werden ließ. Doch dann kamen die Auftritte Nummer drei und vier des Zauber-Duos Kevic/Michel. Zauberhafte Anspiele und der Kapitän knipste zuverlässiger als jede handelsübliche Leica. Über 25:19 (46.) blieb es bei den Sechs-Tore-Abständen. Michel, der ansonsten wahrlich nicht zu Gefühlsausbrüchen neigt, echauffierte sich etwas zu sehr über eine, aus seiner Sicht, unberechtigte Zeitstrafe und kassierte wegen Meckerns noch eine weitere Zeitstrafe on top. Vier Minuten Unterzahl, vier Minuten ohne den so treffsicheren Kapitän am Kreis. Der Gast nutzte diese Phase, um bis zur 53. Minute auf 27:23 zu verkürzen. Dass aus diesem Strohfeuer kein Flächenbrand wurde, dafür sorgten dann die treffsicheren Schützen in der Offensive und der erneut groß aufspielende Adanir. Der Zerberus im Ferndorfer Tor vermochte es nicht nur mit unzähligen Paraden zu glänzen, nein, er nahm danach auch immer das Publikum mit und war somit maßgeblich beteiligt an der Partystimmung in der Stählerwiese. Es hatte in den letzten Minuten etwas von Showlaufen. Und dass das Team nach Abpfiff sofort zum verletzten Valentino Duvancic ging, zeigte einmal mehr, dass die mannschaftliche Geschlossenheit und der Teamspirit aktuell ganz wichtige Eckpfeiler des TuS Ferndorf sind. „Eine tolle Halle, gute Stimmung und ein verdienter Sieg“ – Nettelstedt-Lübbeckes neuer Mann auf der Kommandobrücke zeigte sich als fairer Sportsmann und wünschte den Klatt-Mannen für die anstehenden Aufgaben viel Erfolg.
Und bereits die nächste Aufgabe hat es in sich. Der ASV Hamm Westfalen, mit dem Ex-Ferndorfer Andreas Bornemann, ist am nächsten Samstag Gastgeber für die Klatt-Mannen. „Das ist aktuell eine schöne Momentaufnahme, aber wir sammeln weiterhin Zähler um Zähler gegen den Abstieg“, war Klatt in seiner Analyse schon wieder recht klar und fokussiert. Spitzenspiel steht also drauf, auf dem Spiel Hamm gegen Ferndorf. Ob am Ende auch Spitzenspiel drin ist, davon überzeugen sich hoffentlich auch viele Siegerländer Handballfans, die ihr Team zahlreich in der Hammer Westpress-Arena unterstützen. 120 Kilometer – und die Mannschaft hat es sich wahrlich verdient, dass eine große Schar Auswärtsfans in Hamm aufläuft. Denn am kommenden Samstag um 19:30 Uhr heißt es wieder: Alle dabei in Liga Zwei!
Tore: Mattis Michel, Marvin Mundus (je 8), Janko Kevic (6), Hampus Dahlgren (4), Josip Eres (3/3), Daniel Hideg (2), Julius Fanger (1)
Fotos: Heiko Burbach, Mathias Lehman und RGR