Der TuS Ferndorf ist wieder da 

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Foto: HBL / Sport Wolf

Man könnte mit ganz vielen Plattitüden um sich werfen. Und doch zählt am Ende nur der alte Spruch von Adi Preißler: Entscheidend ist auf’m Platz! Denn egal ob in der vergangenen Woche Durchhalteparolen oder Abgesänge auf den TuS Ferndorf durch das Siegerland schwadronierten, die Antwort hat das Team auf den 800 Quadratmeter Hallenboden in Bietigheim gegeben. Und es war nicht der Partybus der zurück nach Südwestfalen fuhr, sondern schlichtweg eine Busbesatzung, die ein Lebenszeichen an die zweite Handballbundesliga gesendet hat – der TuS Ferndorf ist noch da und wird bis zum Schluss um den Klassenerhalt kämpfen.

Die SG BBM Bietigheim als Gastgeber strotzte nur so vor Selbstvertrauen. Siege gegen Rimpar und Lübeck im Gepäck, wollten die Mannen von Trainer Iker Romero gegen den Tabellenletzten aus Ferndorf nachlegen. Doch die oft gescholtene Unflexibilität in Ferndorfs Abwehr wollte Coach Robert Andersson am Freitagabend konterkarieren. Man wollte so gerne mal eine 5:1 oder die noch etwas offensivere Variante, eine 4:2 Abwehr sehen. Was der Schwede mit seiner Mannschaft dann allerdings aufs Parkett brachte, war eine brutal offensiv agierende 3:2:1 Abwehr. Schwer zu spielen und kräftezehrend. Lukas Siegler erhielt den Vorzug auf der halblinken Angriffsposition und war einer der Hauptprotagonisten der Anfangsphase. Hinten störte man durch die weit im Feld agierende Abwehr die Kreuzbewegungen des Bietigheimer Rückraums und vorne wurde immer wieder überlegt abgeschlossen. Als dann noch eine Unterzahlsituation 1:0 gewonnen wurde, musste man sich nach zehn Minuten die Augen reiben. Keine technischen Fehler und eine hohe Wurfeffektivität. Das Team machte alles richtig und ging immer wieder in Führung, was die gastgebende SG allerdings immer wieder postwendend ausglich. Die Süddeutschen fanden kein probates Mittel gegen die gute Ferndorfer Abwehr. In der hatte Andersson aufgrund der Intensität und notwendigen Beweglichkeit sogar den Defensiv-Chef Branimir Koloper geopfert, der am Ende auf keine Einsatzzeit kam. Romero hatte genug gesehen und bat die Seinen beim Spielstand von 6:7 in der 18.Minute zum Gespräch. Doch die besseren Antworten hatten die Jungs in Rot und Weiß parat. Der vorher glücklos agierende Tim Rüdiger lief zwei wunderbare Tempogegenstöße, die für die erste Zwei-Tore-Führung beim 9:11 sorgten. Obwohl Bietigheim auch das wieder egalisieren konnte, gelang der TuS-Equipe kurz vor der Pause das zweite Kunststück. Wieder eine Unterzahlsituation – wieder 1:0 gewonnen. Mit einer knappen 12:13 Führung ging es zum Pausentee.


Bei dem hatte Andersson die richtigen Worte gewählt. Simon Strakeljahn zog der Sporthalle am Viadukt mal direkt zu Beginn von Halbzeit Zwei mit zwei blitzsauberen Toren den Stecker. Erste Drei-Tore-Führung des Spiels für die Schneider & Co.. Als dann Kim Voss-Fels einen Kracher aus zehn Metern in den linken Torwinkel schweißte und Mattis Michel seine altbekannten Qualitäten am Kreis abrief, pendelte sich der Vorsprung bei drei Toren ein. Doch es sollte noch besser kommen. Denn selbst eine doppelte Unterzahl überstanden die TuS-Jungs mit einem 1:1, um anschließend beim 18:22 das erste Mal auf vier Tore wegzuziehen. Dafür sorgte u.a. eine immer noch aufopferungsvoll arbeitende Abwehr, gegen die sich der Gastgeber jedes Tor hart erarbeiten musste. Zudem machte Voss-Fels deutlich, warum man ihn im Sommer in die Stählerwiese gelotst hatte. Eine eindrucksvolle Leistung nach seiner Verletzungspause. Die Treffer 24+25 gingen auf sein Konto, doch der Vorsprung war auf zwei Tore zusammengeschrumpft. Während dieser Phase bekam weder Tim Hottgenroth im Ferndorfer Kasten, noch seine beiden Gegenüber eine Hand an den Ball. Das Ferndorfer Dreigestirn im Rückraum Strakeljahn, Diebel und Voss-Fels hatte hingegen seine Freude an Unterarmwürfen entdeckt. Drei Mal schepperte es im Bietigheimer Kasten und bei 28:30 in der 56.Minute hatte man die vorentscheidende Chance auf der Hand, auf drei Tore weg zu ziehen. Doch statt einer Drei-Tore-Führung stand es auf einmal 29:30. Ganz Ferndorf zitterte daheim vor dem Fernseher mit. Sollte man, wie so oft in dieser Saison, wieder ein Spiel abgeben, welches man eigentlich von Beginn an dominiert hatte? Nein, denn wenn auch gefühlt Hottgenroth keinen Ball hielt, am Ende hielt er die zwei wichtigsten Bälle im Spiel! Da Mattis Michel in seiner unnachahmlichen Art und Weise, und eiskalt wie eine Hundeschnauze, die letzten drei Tore markierte, prangte nach sechzig Spielminuten der erste Ferndorfer Auswärtssieg der Saison auf der Anzeigetafel. Jubelnde Ferndorfer Spieler nach Spielschluss – wie sehr haben die Fans dieses Bild vermisst! Auch Andersson war hellauf begeistert von seinem Team: „Hut ab vor den Jungs. Ein sehr, sehr wichtiger Sieg für uns und unser Selbstvertrauen. Ich bin stolz auf das Team !“

Vier Punkte, so hatte man vor dem Rimpar-Spiel als Ziel ausgegeben, wolle man bis zum Jahresende noch holen, um in der Rückrunde eine Aufholjagd starten zu können. Jetzt sind zwei Punkte auf der Habenseite und es stehen noch zwei Spiele auf dem Programm. Natürlich der Kracher im Abstiegskampf am zweiten Weihnachtsfeiertag um 17°°Uhr, wenn der aktuell Tabellenvorletzte Bayer Dormagen in der Stählerwiese gastiert. Und am kommenden Mittwoch um 19°°Uhr eine Art Bonusspiel, in dem die Mannschaft befreit aufspielen kann. Zu Gast ist man 40 Kilometer östlich beim einst ruhmreichen VfL Gummersbach. Ältere Handballfans haben bei dieser Spielpaarung immer noch feuchte Augen. Denn vor vierzehn Jahren trennten beide Teams noch Welten, als der TuS in der Oberliga um Punkte kämpfte, während die Oberberger Stammgast im Europapokal waren.

Tore: Kim Voss-Fels (7), Mattis Michel, Lukas Siegler (je 6), Simon Strakeljahn (5), Tim Rüdiger (3), Rutger ten Velde (3/3), Niklas Diebel (2). Valentino Duvancic, Lucas Schneider (je 1)


Fotos: HBL / SG BBM Bietigheim / Wolf Sportfoto

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