Der Sport bietet alle Facetten die man sich nur vorstellen kann. Und an manchen Tagen ist es grausam und man meint, die Welt hätte sich gegen einen verschworen. Daraus kann und wird es nur einen Weg geben. Denn es wird der Tag kommen, an dem der Bock umgestoßen wird und auch wieder Siege gefeiert werden. All das ist schwer zu greifen nach diesem Thriller am Mittwochabend, an dem Alfred Hitchcock seine wahre Freude gehabt hätte.
Der TuS Ferndorf begann, wie schon am Samstag in Ludwigshafen, mit einer schnellen beweglichen Aufstellung. Im Vergleich zum vergangenen Spieltag rotierte einzig Lukas Siegler für Julian Schneider ins Team. Eben dieser Siegler sorgte auch für das erste Tor der Siegerländer. Im Tor machte Zerberus Tim Hottgenroth da weiter, wo er gegen Ludwigshafen aufgehört hatte. Im Angriff war im Anschluss Simon Strakeljahn zwei Mal mit unvergleichlichen Schlagwürfen erfolgreich, die man so schon lange nicht mehr in der Stählerwiese gesehen hatte. Als dann Siegler zum 5:1 netzte hatte Coburgs Coach Brian Ankersen genug gesehen. Bereits nach knapp acht Minuten zog er mit einer Auszeit die Bremse und justierte seine Mannen neu. Seine Worte schienen auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Die Abwehr der Oberfranken stand nun deutlich besser. Begünstigt durch Zeitstrafen auf Ferndorfer Seite dauerte es gerade einmal zehn Minuten, bis die Anzeigetafel beim 8:8 wieder einen Ausgleich zeigte. Was folgte waren sensationelle Minuten von Simon Strakeljahn. Erst netzte er drei Mal selber. Und als Sahnehäubchen bereitete er das vierte Tor mit einem Traumanspiel auf Valentino Duvancic vor. Doch auch die neuerliche 12:9 Führung gab der TuS-Equipe nicht die erforderliche Sicherheit. Zwei Minuten vor der Halbzeit konnten die Bayern wieder ausgleichen und mit einem Run von weiteren zwei Toren sogar mit einer 12:14 Führung in die Halbzeit gehen. Und bereits die letzten Minuten von Hälfte Eins deuteten an, wer in den zweiten dreißig Minuten eine Hauptrolle spielen sollte. Jan Jochens zeigte zum einen spektakuläre Paraden, wurde aber, wie auch Ferndorfs Coach Robert Andersson nach dem Spiel anmerkte, nur allzu oft durch schwache Ferndorfer Abschlüsse in Szene gesetzt.
Doch zu Beginn von Hälfte Zwei waren die Andersson-Mannen wieder in der Spur. Lucas Schneider fasste sich aus zehn Metern ein Herz, und Strakeljahn stellte mit einem seiner unwiderstehlichen Schlagwürfe auf 15:15. Doch leider war es nur ein kurzes Strohfeuer. Denn der Zweitliga-Torschützenkönig der Saison 2019/20 war nun heiß gelaufen – Florian Billek, Coburgs Rechtsaußen, lief einen Tempogegenstoß nach dem anderen und traf aus dem Positionsangriff. So dauerte es keine fünf Minuten bis der TuS-Rückstand wieder auf vier Tore angewachsen war. Das wiederum wollten die Rot-Weißen nicht auf sich sitzen lassen. Die gebürtigen Ferndorfer gingen vorne weg – die Schneider-Brüder und Mattis Michel sorgten für Hoffnung im Lager der TuS-Fans, denn binnen sechzig Sekunden war man beim 20:21 wieder im Spiel. Eben dieser Michel stellte nun mit Duvancic zum wiederholten Male einen tollen Innenblock. So ging es Kopf an Kopf Richtung Crunch-Time. Keines der beiden Teams schien in der Lage einen vorentscheidenden Punch zu setzen. Auf Seiten der Gastgeber war es immer wieder Strakeljahn der zu gefallen wusste – u.a. mit einem Traumanspiel hinter dem Rücken auf Julian Schneider. Auf Seiten der Gäste bekam man das Kleingruppenspiel des Halbrechten Merlin Fuß mit seinem Kreisläufer und/oder den eingelaufenen Außen nicht in den Griff. Das wiederum zwang Andersson gut vier Minuten vor Schluss in seine letzte Auszeit. „Nur drei Tore, Männer!“ Die Ansage war klar. Keiner im Ferndorfer Lager war gewillt auch nur mit einem Punkt aus der Halle zu gehen. Und die Mannschaft glaubte auch weiter an sich und an den Sieg. Duvancic und Strakeljahn sorgten 150 Sekunden vor Spielende für den Ausgleich. Im Hexenkessel Stählerwiese verstand man sein eigenes Wort nicht mehr. Auch wenn es am Ende nur 625 Zuschauer waren, die die da waren machten Lärm für Zwei und peitschten ihre Jungs immer wieder nach vorne. Nun schien auch das Spielglück zurück im Ferndorfer Lager zu sein. Doch wie bereits vier Mal in dieser Saison musste man es mit ABBA sagen: „The winner takes it all, the losers standing small“. Alle Protagonisten auf dem Feld übertrafen sich in den Schlusssekunden mit technischen Unzulänglichkeiten. Als dann der sonst so treffsichere Michel den Ball zwanzig Sekunden vor Schluss nicht an Coburgs Tausendsassa Jan Jochens vorbei brachte, war die Messe für den TuS gelesen. Eben dieser Jochens und die beiden treffsicheren Außen hatten Coburg am Ende dieses kleine Stückchen Vorsprung eingebracht. 27:28 hieß es am Ende aus Ferndorfer Sicht. Sport, und insbesondere Handball, kann so brutal sein !
Andersson hatte der englischen Woche wenig abgewinnen können, weil man personell weiterhin auf dem Zahnfleisch unterwegs ist. Aber der große Vorteil einer englischen Woche ist nun mal, dass man gar nicht viel Zeit hat, über solche Spiele nachzudenken. Denn schon ab dem Donnerstagmorgen gilt die ganze Konzentration dem anstehenden Auswärtsspiel beim HC Elbflorenz. „Da müssen wir unsere Chancen einfach besser nutzen und weniger individuelle Fehler machen. Und das müssen wir ganz schnell hin bekommen, denn ansonsten wird es sehr, sehr schwer“, rang auch der so besonnene Schwede auf der Pressekonferenz nach den richtigen Worten. Ein großes Lob und Dankeschön geht zuletzt an die treuen Zuschauer. Wenn es an einem Fakt nicht gelegen hat, dann an der Unterstützung von den Rängen. Es ist hypothetisch, aber mit einer ausverkauften Stählerwiese wäre sowohl gegen Nordhorn als auch gegen Coburg wohl mehr drin gewesen.
Tore: Simon Strakeljahn (9), Mattis Michel, Lukas Siegler (je 4), Julian Schneider (3), Valentino Duvancic, Tim Rüdiger, Lucas Schneider (je 2), Rutger ten Velde (1)
Fotos: A.Domian und TuS Ferndorf