Es war der 19.Oktober 2024 um kurz nach 18 Uhr – Julius Fanger hatte beim Hinspiel gegen den TV Hüttenberg das 1:0 erzielt. Und aus dem Fanblock auf der Quast-Tribüne kamen zaghafte „Spitzenreiter-Gesänge“. Eine knappe Minute lang war der TuS Ferndorf am 7.Spieltag der Saison 2024/25 Tabellenführer der 2.HBL. Doch schon im Herbst des vergangenen Jahres war TuS-Coach Ceven Klatt nicht müde geworden zu betonen, dass jeder einzelne Punkt ein Punkt gegen den Abstieg ist. Inzwischen steckt mehr als die halbe Liga im Existenzkampf. Und da, wo in den vergangenen Jahren oftmals schon zwanzig Punkte zum Klassenverbleib ausreichten, werden dieses Jahr unter Umständen dreißig Punkte vonnöten sein.
22 Punkte haben die Jungs vom Kindelsberg schon eingesammelt. Beim TV Hüttenberg, dem „Original aus Mittelhessen“, wie sich die Rot-Blauen selber nennen, könnten ein, zwei Bonuspunkte dazu kommen. Denn auch wenn die Michel & Co. bei keinem Spiel in dieser Liga chancenlos sind, so hängen die Trauben im 90 Kilometer entfernten Sportzentrum Hüttenberg extrem hoch. „Ein sehr homogenes Team. Kampfstark und mit einer hohen Emotionalität ausgestattet“ – so beschreibt Klatt den kommenden Gegner und kommt bei der rechten Angriffsseite der Hessen ins Schwärmen. Da ist es insbesondere Niklas Theis, der heraussticht. Im Sommer wechselt der 21-jährige Ur-Hüttenberger, der schon seit den Minis beim TVH aktiv ist, zur HSG Wetzlar in die Nachbarschaft. Doch auch die beiden 23-jährigen David Kuntscher, als Partner von Theis auf Halbrechts, und Tristan Kirschner, als Rechtsaußen und sicherer Siebenmeter-Schütze, stechen auf der rechten Seite heraus. Orchestriert wird das Ensemble vom erst 22-jährigen Paul Kompenhans, den die TVH-Verantwortlichen 2022 von der MT Melsungen loseisten. Auch der tschechische Nationalspieler Vit Reichl hat eine exponierte Rolle im Kader der Hessen inne. Der Kreisläufer ist ein Muster an Beständigkeit und bereits seit 2020 für die Hessen am Ball. Größtes Plus beim hessischen Nachbarn ist die Abwehrarbeit. Bereits zu seiner aktiven Zeit legte der Trainer des TV Hüttenberg, der 73-fache deutsche Nationalspieler Stefan Kneer, viel Wert auf gutes Abwehrspiel. Dass führt er als Trainer fort – ist doch sein Team dazu in der Lage, quasi auf Knopfdruck verschiedene Abwehrsysteme zu spielen. „Gegen die Hüttenberger 3:2:1 Deckung haben wir im Hinspiel nicht genügend Lösungen gefunden“, blickte auch Klatt durchaus nochmal mit Respekt zurück auf den 19.Oktober.
Doch Bangemachen gilt nicht. „Zwei Einheiten mit vollem Fokus auf den nächsten Gegner“, hatte Klatt nach dem Hamm-Spiel ausgerufen. Dazu kommt noch Videostudium und individuelle Vorbereitung. Und natürlich Wunden lecken. Denn mit Josip Eres, Marvin Mundus, Malte Nolting und Jonas Wilde hatten sich drei Akteure in den Dienst der Mannschaft gestellt, obwohl sie noch leicht angeschlagen waren. Hampus Dahlgren und Janko Kevic mussten gar das Bett hüten und standen dementsprechend nicht zur Verfügung. Inwieweit der Aufstiegscoach wieder mehr Alternativen hat wird der Spieltag zeigen müssen. „Wir müssen effektiv sein, wenn wir gegen die Teams aus dem oberen Regal was holen wollen“, weiß Klatt, dass die Angriffseffizienz seiner Mannen sich wieder in dem Bereich vom vergangenen Samstag bewegen muss. Viel weniger technische Fehler als im vorangegangenen Spiel wurden produziert. Und am Ende war man um zwei Punkte reicher, wenn auch das Torhüter-Duell verloren ging. Doch gerade gegen den spiel- und wurfstarken Rückraum der Hüttenberger kommt es auf eine gute Torhüterleistung an. Can Adanir und Jonas Wilde spielen eine gute Saison. Und auch bei ihnen verhält es sich ähnlich wie beim Hüttenberger Keeper-Gespann. Wenn der eine keinen guten Tag hat, fängt das der andere auf. Dass man allerdings das Torhüter-Duell verliert und trotzdem ein Spiel gewinnt, so wie gegen Hamm geschehen, kommt äußerst selten vor. Daher sollten Adanir und/oder Wilde beim kleinen Derby einen guten bis sehr guten Tag erwischen, damit am Ende Zählbares herausspringt.
Der samstagabendliche Parforceritt der Männer aus dem handballverrücktesten Dorf des Siegerlandes hat Lust auf mehr gemacht. Und so wäre es äußerst verwunderlich, wenn sich nicht noch einige Kurzentschlossene ein Ticket fürs Sportzentrum Hüttenberg sichern und 90 Kilometer die A45 südwärts fahren. Der reisefreudige, lautstarke Anhang des TuS Ferndorf ist in jedem Fall eine Bereicherung für die zweite Liga. Bei bislang allen Auswärtsauftritten folgte den Michel & Co. eine Schar Auswärtsfans, wie man es in dieser Liga eigentlich nur von den ehemaligen Bundesligisten kennt. Somit wird auch am Mittwochabend um 19:30 Uhr beim Streamingdienst DYN und auf YouTube, wo das Spiel ebenfalls übertragen wird, ganz sicher wieder der TuS-Anhang zu hören sein. Dann heißt es wieder für alle die live vor Ort sind, vor den Bildschirmen mitfiebern oder im Herzen dabei sind: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !
WISSENSWERTES
Gegner: TV Hüttenberg
Einwohner Hüttenberg: 11.000 (zum Vergleich: Ferndorf = 3.900)
Heimspielstätte: Sportzentrum Hüttenberg – 1.450 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: blau/rot
größte Erfolge: 4.Platz Bundesliga 1980, Platz 24 in der „Ewigen Tabelle der Handball-Bundesliga“