Die Erleichterung war nahezu greifbar auf der Tribüne der Stählerwiese. 1326 Zuschauer im fast ausverkauften Hexenkessel hatten ihr Team sechzig Minuten herausragend unterstützt. Und die Michel & Co, zahlten es mit einer kämpferisch, und phasenweise auch spielerisch, guten Leistung zurück. Nach der hohen Niederlage zum Rückrundenauftakt in Dormagen ist die Mannschaft von Aufstiegscoach Ceven Klatt wieder in der Spur.
Zur früher einmal gewohnten Ferndorfer Anwurfzeit, am Samstagabend um 19:30 Uhr, hatte es gerade einmal fünf Zeigerumdrehungen gedauert, bis die TuS-Equipe zum ersten Mal eine Duftmarke gesetzt hatte. Marko Vignjevic, Oktober-Neuzugang des TuS, hatte bis zum Stand von 5:2 bereits zwei Tore und zwei Assists auf seinem Konto. Der zwei Meter große Serbe sorgte somit fast im Alleingang für die erste Drei-Tore-Führung der Gastgeber. Doch schon früh in der Partie war erkennbar, dass selbige in Wellenbewegungen verlaufen würde. Eine Ferndorfer Unterzahl nutzten die Ruhrpöttler nämlich ihrerseits, um in der 10.Minute zum 5:5 auszugleichen. Es ging nun hin und her. Den Jungs vom Kindelsberg fehlte es an Impulsen aus dem Spiel heraus. Torerfolge waren meist Einzelaktionen zu verdanken. Bei dem jungen Team aus Essen, der Ruhrpottschmiede, waren es hingegen die Jungs auf der Mitte und Halblinks, Nils Homscheid und Felix Göttler, die die Schnittstellen suchten und auch immer wieder fanden. Es ging in Wellen weiter. Die Männer vom Kindelsberg, angeführt vom wieder einmal treffsicheren Marvin Mundus, gingen auf drei Tore weg – um postwendend wieder den Anschlusstreffer des Altmeisters zu kassieren. Beim 13:12 nach zwanzig Minuten war nur eines klar – für TuS-Verhältnisse sind das zu viele Gegentore. Mit diesem Zwischenstand war Essens Coach Daniel Haase noch durchaus einverstanden: „Wir sind gut ins Tempospiel gekommen und haben Zeitstrafen beim Gegner gezogen. Das war auch Teil unseres Matchplans.“ Während Essen enorm von der Torgefahr des erst 19-jährigen Göttler profitierte, war bei den Nordsiegerländern wieder ein Spieler unter den Torschützen zu finden, den Klatt in Dormagen schmerzlich vermisst hatte – Julius Fanger. Beim 17:16 (24.) musste den Zuschauern, die Wert auf gepflegtes Abwehrspiel legen, Angst und Bange werden um die Anzahl der am Ende erzielten Tore. Doch von nun an sollte sich das Blatt wenden. Can Adanir lief im Kasten des TuS zur Höchstform auf und hielt zwei Bälle auf spektakuläre Art und Weise. Und im Angriff war dem Kopf des Ferndorfer Spiels, dem am Saisonende scheidenden Janko Kevic, nun endlich einmal das Spielglück hold. So konnten die Jungs aus dem handballverrücktesten Dorf des Siegerlandes die nächste Welle reiten und bis zur Pause auf 20:16 stellen.
Halbzeit Zwei begann mit zwei neuen Hauptakteuren. Fabian Hecker und die Bank des TuS Ferndorf. Während Hecker den Abwehrpart auf der Halbposition übernahm und die Kreise Göttlers einengte, war es die Ferndorfer Bank, die nun bei jeder gelungenen Aktion den notwendigen Support lieferte. Das von beiden Trainern angesprochene Torhüter-Duell ging nun mehr und mehr Richtung der Ferndorfer, weil Adanir ein ums andere Mal die Hand an den Ball bekam. Und im Angriff sorgten Josip Eres und Kevic für die erste Sechs-Tore-Führung des Abends. Ein wichtiges Rädchen hatte TuS-Coach Klatt in der Halbzeit gedreht. Denn durch die Hereinnahme Heckers stabilisierte sich auch der Innenblock um Valentino Duvancic und Mattis Michel. Insbesondere der Kapitän und Ferndorfer Identifikationsfigur verrichtete ein schier unglaubliches Pensum im Abwehrverbund. Klatt richtete nach Spielschluss ein Sonderlob an die Charakterstärke seiner Jungs: „Eine überragende Einstellung mit sehr viel Leidenschaft. Wir spielen in Halbzeit Zwei eine klasse Abwehr. Ich bin sehr zufrieden!“ Nach einer Auszeit des Gäste-Coaches beim 24:20 in der 41.Minute nahm der TuS-Express nochmal richtig Fahrt auf. Gekrönt wurde diese tolle Phase von einem Fanger-Hammer in den Torwinkel zum 27:21 (47.). Essens Coach probierte alles – zwei Kreisläufer im 7:6 Spiel, was aber postwendend durch einen Hecker-Treffer ins verwaiste Essener Tor bestraft wurde. Als dann auch noch den Ruhrpöttlern ein Wechselfehler unterlief und Fanger zum 30:22 (51.) netzte, verkam die Crunch-Time zum Schaulaufen der Michel & Co.. Göttler war bei Hecker an die Kette gelegt und auch der wiedergenesene Max Neuhaus vermochte dem Spiel des Altmeisters keine entscheidende Wendung zu geben. „Wir waren in der zweiten Halbzeit nicht mehr konsequent genug. Zudem haben wir das Torhüter-Duell klar verloren. Hinten raus hat das Team aber Moral gezeigt“, war Gäste-Coach Haase realistisch genug, dass das Spiel am Ende einen verdienten Sieger fand. Klatt strahlte hingegen und ergänzte: „Wenn ich ein Haar in der Suppe finden will dann das, dass Essen am Ende von plus acht Tore auf plus vier Tore verkürzt.“ Es waren die letzten vier Minuten, die der Coach ansprach. Vignjevics Treffer von der ungewohnten Linksaußen-Position zum 33:26 war das letzte Highlight aus Ferndorfer Sicht. Danach verkürzte der Tabellenfünfzehnte nochmal auf drei Tore, bis am Ende ein 34:30 auf der Anzeigetafel stand.
„Tolle Unterstützung – gute Atmosphäre“ – Klatt war nicht nur zufrieden mit seinen Jungs, sondern auch mit der Stimmung im Hexenkessel. Doch schon nach dem Spiel richtete sich der Blick auf die kommenden beiden Aufgabe. Am Wahlsonntag geht es nach Unterfranken, wo mit dem TV Großwallstadt der nächste Altmeister auf die TuS-Jungs wartet. Und eine Woche später, am Sonntag, 02.März um 17 Uhr wartet mit Mitaufsteiger HSG Konstanz die nächste Heimaufgabe. Da ist wieder die Unterstützung der Siegerländer Handballfans gefragt, damit die nächsten beiden Punkte in Kreuztals bester Stube verbleiben. Denn dann heißt es wieder: Alle dabei in Liga Zwei!
Tore: Marvin Mundus (7), Janko Kevic, Marko Vignjevic (je 5), Julius Fanger (4), Valentino Duvancic, Gabriel Viana (je 3), Mattis Michel, Josip Eres (je 2), Hampus Dahlgren (2/1), Fabian Hecker (1)
Fotos: H. Burbach + RGR/TuS Ferndorf