So brutal kann Handball sein

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Lucas Schneider verletzte sich an der Hand und konnte danach nicht mehr eingesetzt werden (Foto: H.Burbach)

So brutal kann Handball sein Thomas Gottschalk wird dieses Jahr 70. Warum beginnt ein Spielbericht über ein Handballspiel mit dem Hinweis auf Gottschalks 70.ten ? Ganz einfach, weil der letzte Grandseigneur der deutschen Samstagabend-Unterhaltung großen Spaß am gestrigen Spektakel in der Kreuztaler Stählerwiese gehabt hättte. Und wer sich in Zeiten von DSDS, „Stars“ im Dschungel und Länderspielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft lieber vor den Fernseher setzt als in die Stählerwiese zu gehen – dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen !! Denn auch am gestrigen Abend kamen die 1056 Zuschauer in der nahezu ausverkauften Kreuztaler Sporthalle wieder einmal voll auf ihre Kosten.

Das Gute vorweg: Der TuS hatte Marijan Basic und Jonas Müller an Bord, die Beide wieder einsatzfähig waren. Wobei Basic sehr dosiert eingesetzt werden sollte und Jonas Müller nach auskurierter Handverletzung nun Probleme mit der Schulter des Wurfarmes hat. Wer sich am gestrigen Abend allerdings auf die Rückraumgeschosse eines Patrick Weber oder die Spielintelligenz eines Jonas Faulenbach gefreut hatte, wurde mit Bekanntgabe des Kaders enttäuscht. Keiner der beiden Halblinken konnte aufgrund Verletzungen mitwirken. Davon zeigten sich die Mannschaftskameraden der Beiden offensichtlich stark beeindruckt, denn bereits nach knapp acht Minuten musste Ferndorfs Coach Michael Lerscht seine erste Auszeit nehmen. 1:6 stand es zu diesem Zeitpunkt. Essens Keeper Fredrik Genz, der in der kommenden Saison das Füchse-Tor in Berlin hüten wird, hatte den Ferndorfer Angriffen den Zahn gezogen. Doch Lerscht justierte erfolgreich nach. „Wir haben die Abwehr umgestellt und durch personelle Wechsel die Kräfte verteilt. Dadurch haben wir dann ein Match daraus gemacht und TuSEM vor große Aufgaben gestellt“, hörte man beim Ferndorfer Coach den Stolz auf die Energieleistung seines Teams heraus. Tor für Tor robbten sich die rot-weißen Jungs nun an den Tabellendritten aus dem Ruhrgebiet heran. Als Tim Rüdiger, der am Ende auf formidable fünf Treffer kam, zum 6:8 traf, war das Spiel wieder offen. Dachte man – denn zwei Fehlwürfe des ansonsten wieder einmal sehr stark aufspielenden Julius Lindskog Andersson nutzten die Mannen von Trainer Jaron Siewert zur neuerlichen Fünf-Tore-Führung. Doch wieder zeigten sich die Gastgeber unbeeindruckt und hatten beim 12:13 wieder aufgeschlossen.


Wiederholtes Pech mit dem Aluminium verhinderte eine bessere Ausgangsposition für Halbzeit Zwei, so dass es mit einem 13:15 Rückstand in die zweiten dreißig Minuten ging. So wie sich die zweite Hälfte von Durchgang eins gestaltete, ging es unisono in der ersten Hälfte von Durchgang zwei weiter. Essen kam nicht wirklich weg und die Lerscht-Mannen nicht zum Ausgleich. Zwölf Minuten vor dem Ende hatte der Ferndorfer Coach beim Spielstand von 21:24 genug gesehen. In der nun folgenden Auszeit justierte er die Stellschrauben für die Crunch Time. Und wenn der TuS in den vergangenen anderthalb Jahren zweite Liga eines eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, dann dass er die Crunch Time kann. Lucas Puhl im Ferndorfer Kasten, der in der zweiten Hälfte den heute glücklos agierenden Marin Durica ablöste, vernagelte nun mehr und mehr seinen Kasten. Und vorne waren es teilweise drei gelernte Mittelmänner, die den Ferndorfer Rückraum stellten und die Essener Abwehr in Bewegung brachten. Die daraus resultierenden Lücken wussten die Lindskog Andersson, Michel und Basic für sich zu nutzen. Und spätestens als Lucas Puhl fünf Minuten vor Ende, beim Spielstand von 25:26 den ersten Siebenmeter parierte, träumten all die, die es mit dem TuS hielten von mehr. Angetrieben von der typischen Hexenkessel-Atmosphäre war es dem wiedergenesenen Basic vorbehalten, für den erstmaligen Ausgleich in der Partie zu sorgen.

All die Mühen, all der Aufwand schien sich für die TuS-Equipe zu lohnen. Ob Schneider, Rink, Barwitzki, alle hatten sich aufgerieben und schienen sich für den Glauben an sich selbst zu belohnen. Doch was dann in den finalen Sekunden des Matches passierte, wird wohl auch in einigen Wochen noch für fassungsloses Kopfschütteln sorgen. Die finale Auszeit Lerschts kam ein paar Sekundenbruchteile zu spät, so dass die TuS-Jungs bereits 40 Sekunden vor dem Ende im Zeitspiel waren. Trotzdem gelang es dem oben bereits erwähnten, quirligen Rückraum, die vierzig Sekunden fast komplett von der Uhr zu nehmen. Leider nur fast, denn fünf Sekunden vor dem Ende kam Essens Keeper Genz an den Ball und schickte Dennis Szczesny auf die Reise, dem mit der Sirene der finale Wurf zum Essener Sieg gelang.

Wahrscheinlich fragen sich die beteiligten TuS-Spieler jetzt noch, warum man Szczesny so unbedrängt werfen lassen konnte. Aber Handball wird nicht im Konjunktiv gespielt und ist halt manchmal einfach brutal. Statt sich für nie endenden, aufopferungsvollen Kampf zu belohnen, lagen die Ferndorfer Spieler enttäuscht auf dem Hallenboden. „Wir sind es ja fast schon gewohnt solche Nackenschläge zu verkraften. Letzte und auch diese Saison mussten wir schon so viele dieser Dinge schlucken“, will Lerscht aber nicht Nachkarten, sondern sich mit seinem Team akribisch auf die Auswärtsaufgabe in Aue vorbereiten. Mit welchem Personal er diese Aufgabe angehen kann wird die Trainingswoche zeigen. Zu den angeschlagenen Spielern gesellt sich nun auch noch Lucas Schneider, der einen Schlag auf den Daumen bekommen hat. Im nächsten Heimspiel am 15. Februar gegen den TV Emsdetten steht dann so etwas wie ein Vier-Punkte-Spiel an. Gegen den aktuell Tabellenvorletzten aus dem nördlichen Münsterland gilt es dann für die #familietus, die ersten Heimspielpunkte 2020 einzufahren.

Tore: Julius Lindskog Andersson (9/4), Tim Rüdiger (5), Moritz Barwitzki (3), Mattis Michel, Thomas Rink, Lucas Schneider (je 2), Marijan Basic, Andreas Bornemann, Julian Schneider (je 1)


Fotos: H.Burbach

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