„Egal was auch passiert, die rote Wand steht hinter Dir“ – was man hier und da in der Fußball-Bundesliga schon mal hört, wird am Samstagabend im TSV Sportcenter zu Dormagen auch in der zweiten Handball-Bundesliga Realität. Eine rote Wand aus mehr als 350 Ferndorfern, die ihr Team zum Auswärtssieg tragen wollen. Die Entscheidungen sind größtenteils gefallen in dieser verrückten zweiten Liga. Die Aufsteiger stehen fest und auch zwei der drei Absteiger sind in Stein gemeißelt. Nun heißt es festhalten beim großen Showdown zwischen dem TV Großwallstadt, der zuhause die SG BBM Bietigheim empfängt, und eben dem Turn und Spielverein aus dem Siegerland. Und es wäre nicht verwunderlich, wenn der Saisonkehraus nochmal ein besonderes Schmankerl bereithält. Dass die Fans des TuS Ferndorf Zweitliganiveau besitzen, haben sie in den letzten Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Insbesondere die Choreografie für die scheidenden Schneider-Brüder hat deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Jetzt ist es am Team, am Samstagabend um 18:00 Uhr nochmal alles in die Waagschale zu werfen. Und zumindest ihrerseits alles dafür zu tun, dass es noch ein Happyend gibt. Auf das Ergebnis beim Parallelspiel in Großwallstadt hat man indes keinen Einfluss.
In den Weg stellt sich, in der schönen Handballhalle am Rhein, der Gastgeber aus Dormagen. Der obendrein eine beeindruckende Serie von zuletzt 8:0 Punkten aufs Parkett gelegt hat. Lohn für die Anstrengungen: der in Dormagen zur Jahreswende nicht mehr für möglich gehaltene Klassenerhalt. Und das alles nach monatelangem Rätseln, ob die Entlassung Dusko Bilanovics in der EM-Pause richtig war. Doch Peer Pütz, der zukünftig im Trainerteam des Bergischen HC in der Beletage des deutschen Handballs arbeiten wird, fand mehr und mehr die richtigen Rädchen an denen gedreht werden musste. Dass genügend Handballer mit Zweitliga-Qualität das Bayer-Trikot tragen steht indes außer Zweifel. Im Tor steht mit Martin Juzbasic ein Keeper, der seit Wochen auf höchstem Niveau performt. Auf Rechtsaußen hat sich in den letzten Spielen ein Dormagener Eigengewächs in den Vordergrund gespielt. Jan Reimer – mit 87 Toren und einer Wurfquote von meist über 80% ein Garant für die aktuell starke Verfassung der Rheinländer. Meist in Szene gesetzt von seinem Partner in der Kleingruppe, André Meuser. Der hat selbst 142 Saisontore auf dem Konto und ist in der Lage, an einem guten Tag jede Mannschaft aus dem Korsett zu spielen. Sein Pendant auf der anderen Halbposition, der lange Zeit fehlende Alexander Senden, hat zuletzt richtig Fahrt aufgenommen und nähert sich seiner Topform. Garniert wird das Bayer-Ensemble seit Jahren von den Hüter-Brüdern. Die amerikanischen Nationalspieler agieren auf der Mitte sowie am Kreis, und verstehen sich blind. Da zudem die hervorragende Nachwuchsarbeit der Nordkölner immer wieder große Talente nach oben spült, fordern diese jungen Burschen die Etablierten schon im Training heraus. Schade, dass Bayer die großen Talente immer wieder abgeben muss und nicht nachhaltiger von der guten Jugendarbeit profitiert.
Der Stachel der Enttäuschung saß bei den Ferndorfer Hauptprotagonisten am vergangenen Samstagabend tief. Aufgrund der Ergebnisse der Konkurrenz hat man den Klassenerhalt nicht mehr in der eigenen Hand. Im Fernduell mit Großwallstadt muss der TuS wahrscheinlich einen Punkt mehr holen als der Altmeister aus Unterfranken. Verlieren beide Teams wird der zukünftige Drittligist TuS Ferndorf heißen – eigentlich, denn verliert Großwallstadt zeitgleich mit sechs Toren mehr als der TuS, erwischt das Abstiegsgespenst den TVG. Ebenso spannend wie bei zwei Niederlagen der Abstiegskontrahenten, wird es wenn beide Teams ihre Spiele gewinnen. Denn andersherum müsste die TuS-Equipe ihr Spiel mit sechs Toren Unterschied mehr gewinnen als das der TV Großwallstadt tut, um sich weiterhin Zweitligist nennen zu dürfen. So oder so wird es nervenaufreibend für alle Beteiligten. „Wir stehen in Kontakt und wissen über den Spielstand in Großwallstadt Bescheid“, sagt Andersson. Dass dort und auch in Dormagen alles mit rechten Dingen zugeht, dafür sorgen Beobachter der HBL, die sich bei beiden Spielen angekündigt haben. Der Ferndorfer Coach führt weiter aus: „Wir versuchen uns so normal wie möglich vorzubereiten. Aber man merkt der Mannschaft an, dass sie bereit sind für dieses wichtige Spiel!“. In diese Kerbe schlägt auch Geschäftsführer Dirk Stenger, der betont, dass Alle „voller Hoffnung nach Dormagen“ fahren und er richtet nochmals einen Appell an die Siegerländer Handballfans, den TuS möglichst zahlreich und lautstark im TSV Bayer Sportcenter zu unterstützen. In der Vorbereitung auf dieses eminent wichtige Spiel liegt der Fokus des Teams indes auf dem Gegner und einigen Grundtugenden. „Wichtig wird es sein, Ian Hüter als Dreh- und Angelpunkt des Dormagener Spiels in den Griff zu bekommen. Dazu natürlich wieder eine gute Abwehr und ein guter Torwart“, wird Andersson nicht müde, auf die Wichtigkeit der Deckungsarbeit zu verweisen. Mithelfen dabei wird voraussichtlich Josip Eres. Hier ist der Coach optimistisch, dass der Rechtsaußen mit an Bord ist. Ansonsten steht der gleiche Kader zur Verfügung wie am vergangenen Samstag.
Wichtig wird es bei einem möglichen Abstiegsszenario sein, dass alle am Spiel Beteiligten klaren Kopf behalten. Nach dem Spiel, vor allen Dingen aber in Vorbereitung auf die neue Saison. Die Weichen sind gestellt und der TuS Ferndorf hat eindrucksvoll bewiesen, dass man auch als Dorfverein eine Bereicherung für den Handball-Profisport darstellen kann. Da dies aber mal noch lange kein Abgesang auf die Schneider & Co. ist, werden in den sechzig Minuten in Dormagen Spieler und Fans ihr letztes Hemd geben. Hemd ist ein gutes Stichwort. Denn wie bereits beim Heimspiel gegen Gummersbach, sollen auch beim Auswärtsspiel am Rhein, die Fans des Siegerländer Traditionsteams ihre Verbundenheit zur Mannschaft mit roten Shirts ausdrücken. Noch gibt es freie Tickets in dem dem TuS Ferndorf zusätzlich zur Verfügung gestellten Block F. Ergo, kramt im Kleiderschrank nach einem roten Oberteil, ölt eure Stimmen und unterstützt die Andersson-Schützlinge beim schweren letzten Auftritt in der so konfusen Saison 2021/22, damit es auch kommende Saison wieder in den Zweitligahallen dieser Republik heißt: Scream for our team !
WISSENSWERTES
Gegner: TSV Bayer Dormagen
Einwohner Dormagen: 64.500 (zum Vergleich: Ferndorf = 3.850)
Heimspielstätte: TSV Bayer Sportzentrum – 3.002 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: blau/weiß
größte Erfolge: 5.Platz Bundesliga 1988 + 1991, Platz 19 in der „Ewigen Tabelle der Handball-Bundesliga“