Bear Bryant ist ein legendärer amerikanischer Footballspieler und Coach. 1983 verstorben, wird allerdings eines seiner Zitate auch die nächsten Jahrzehnte noch überleben: „Offense sells tickets, but defense wins championships“ – was adaptiert ins Deutsche heißt: „Der Angriff gewinnt Spiele, aber die Abwehr gewinnt Meisterschaften“. 947 Zuschauer in einer stimmungsvollen Kreuztaler Stählerwiese durften sich am Samstagabend davon überzeugen lassen, dass diese Weisheit durchaus auch spielerische Attraktivität besitzen kann. Ein Highlight der besonderen Art wurde seitens des Vereins durch die neu installierten LED-Banden vor der Georg-Tribüne gesetzt. Wie die letzten Umbaumaßnahmen in der altehrwürdigen Sporthalle, trägt auch diese Veränderung zu einem tollen Handballerlebnis am Samstagabend bei.
„Wir wollten da anfangen, wo wir in Dansenberg aufgehört haben“, diktierte Ferndorfs Coach Robert Andersson den Pressevertretern nach dem Spiel in die Notizblöcke. Und damit meinte er die furiose letzte Viertelstunde beim vorangegangenen Auswärtsspiel, als man einen Acht-Tore-Rückstand noch egalisieren konnte. Nichts dazu beitragen konnte der bisher so überzeugend aufspielende Shooter im linken Rückraum, Niklas Diebel, der verletzungsbedingt passen musste. Doch auch die Gäste der HSG Rodgau/Nieder-Roden mussten kurzfristig zwei wichtige Spieler ersetzen. Die beiden Top-Torschützen der Gäste, Ketil Horn und Johannes von der Au, konnten nicht mitwirken. Dafür stand Gästetrainer Jan Redmann überraschend Lars Spieß zur Verfügung, der der hessischen Abwehr Stabilität verleihen sollte.
Das klappte schon zu Beginn des Spiels nicht besonders gut. Denn die Rot-Weißen agierten mit ganz schnellen Beinen im Rückraum und einem hervorragend aufgelegten Mittelblock in der Abwehr. Fabian Hecker und Rene Mihaljevic hießen die Hauptprotagonisten im Ferndorfer Abwehrverbund. Und um es vorweg zu nehmen, die Beiden erledigten ihre Aufgabe mit Bravour! Jörn Persson, Marvin Mundus und Gabriel de Rocha Viana hießen nach neun Spielminuten die Torschützen. Ein 3:3 stand auf der Anzeigetafel, dabei hatte Rodgaus Keeper Marco Rhein schon vier Topchancen der Ferndorfer Außenspieler weggenommen. Doch sein Gegenüber im Tor der Gastgeber, Tim Hottgenroth, stand dem in nichts nach. Im Gegenteil – im Verbund mit der gut aufgelegten Abwehr nahm auch Hottgenroth den Gästen ganz wichtige Bälle weg. Bis dato im Saisonverlauf noch ein Manko, klappte auch das Kreisläuferspiel des TuS, über den sehr spielstarken Mihaljevic, hervorragend. Nach einer Viertelstunde stand es 6:5, wobei die Andersson-Mannen bereits eine Menge Chancen auf der Strecke gelassen hatten. So z.B. Josip Eres, der erst in der 22.Minute sein erstes Tor markierte, dann aber umso mehr aufdrehte und am Ende auf sieben Treffer kam. Viana, sein Pendant auf der Gegenseite, hatte bereits früher das Gaspedal gefunden und mit einem schönen Treffer zum 7:5 die herausragendsten zwölf Minuten der bisherigen Saison eingeläutet. Hinten rührte die rot-weiße Abwehr Beton an, während man im Angriff bei Aktionen Jörn Perssons das Gefühl hatte, dessen Spiel sei schlicht und ergreifend zu schnell für die hessischen Gäste. Aus einem 6:5 machten die Mannen vom Kindelsberg bis zur Pause ein 16:6. Man hatte die Baggerseepiraten, wie sich die Nieder-Rodener selber nennen, aus den Schuhen und wieder hinein gespielt. Die Stählerwiese war ein Ort der Glückseligkeit. Die Zuschauer erhoben sich während der Auszeiten und beim Halbzeitpfiff, um der TuS-Equipe stehende Ovationen zu zollen. „Wir haben uns zu wenig zugetraut und zu wenig Mut gehabt“, haderte Gästecoach Redmann mit seinen Jungs. Doch auch Andersson wollte, ganz dem skandinavischen Gemüt Folge leistend, nicht zu sehr in Lobeshymnen verfallen: „Wir spielen sehr gut Abwehr, lassen aber zu viele Chancen liegen.“
Am liebsten hätten die Michel & Co. auch durchgespielt. Denn mit dem Pausentee, wer will es dem Team verdenken, war auch ein bisschen die Spannung raus. Schnell robbten sich die Nieder-Rodener ein wenig heran, was aber die gut aufgelegten Viana und Eres sofort zu kontern wussten. So pendelte sich der Abstand über die Zwischenstände von 18:11 (35.) und 21:12 (41.) bei acht, neun Toren ein. Inzwischen konnte Andersson all seinen Jungs Spielzeit gewähren. So kam auch der erst vier Mal mit dem Team trainierende Julius Fanger zu seiner Premiere in der Stählerwiese. Anfangs noch mit Spiel- und Wurfpech, sorgte sein Tor zum 26:15 in der 49.Minute für einen Zungenschnalzer. Wenn es denn überhaupt etwas zu kritisieren gab an diesem tollen Handballabend in Kreuztal, dann war es vielleicht das etwas brachliegende Kreisläuferspiel in Halbzeit Zwei. Doch bleiben wir bei den positiven Aspekten des Spitzenspiels. Hottgenroth blieb über 60 Minuten in seinem Kasten und parierte ein ums andere Mal herausragend. Persson war mit seiner Schnelligkeit weiterhin kaum unter Kontrolle zu bringen, und auch die sonst eher in der zweiten Reihe agierenden Linus Michel und Rostyslav Polishchuk konnten sich in die Torschützenliste eintragen. In der Crunch-Time passierte nicht mehr viel, so dass nach dem Ertönen der Sirene ein in allen Belangen verdienter 29:20 Heimsieg des TuS Ferndorf zu Buche stand. „Wir sind zufrieden, arbeiten aber immer weiter an uns. Wir wollen uns von Spiel zu Spiel steigern“, sieht Andersson sein Team noch nicht bei 100% der Leistungsfähigkeit angekommen.
Die wieder einmal annähernd tausend Zuschauer wurden bestens unterhalten. Werbung pur für die beiden anstehenden Heimspiele gegen Haßloch und Hanau. Nach dem Auswärtsspiel am kommenden Wochenende beim TV Gelnhausen, warten am 01. und 05.November zwei Heimaufgaben auf die Siegerländer Jungs. Wobei insbesondere der Auftritt des Tabellenzweiten HSG Hanau am 05.November große Erwartungen weckt. Samstagabend, Spitzenspiel – da muss dann neben der immer wieder herausragenden Atmosphäre im Hexenkessel auch endlich mal die 1000 Zuschauer Marke fallen.
Tore: Josip Eres (7), Marvin Mundus (6/2), Jörn Persson, Gabriel de Rocha Viana (je 5), Linus Michel, Rene Mihaljevic (je 2), Julius Fanger, Rostyslav Polishchuk (je 1)
Fotos: H. Burbach, A. Domian und TuS Ferndorf