Es war weder der ganz große Nervenkitzel, noch das ganz große Spektakel. Doch auch einem seriös herausgespielten Heimsieg gegen einen Tabellensechsten gebührt entsprechende Anerkennung. Und die wieder einmal herausragende Kulisse von 1161 Zuschauern würdigte das auch entsprechend. Bereits über zwei Minuten vor dem Ende hatte sich die Halle von den Sitzen erhoben und spendete den verdienten Siegerapplaus. Der TuS Ferndorf, das war zu diesem Zeitpunkt klar, würde auch nach dem 11.Spieltag die Tabellenführung innehaben.
Dass die Gäste aus dem Leverkusener Vorort große Comeback-Qualitäten haben, davon wusste die 3.Liga Süd-West spätestens seit dem letzten Spieltag, als die Opladener einen zwischenzeitlichen Acht-Tore-Rückstand in einen Sieg verwandeln konnten. Und dieses Wissen schwang am Samstagabend latent die ganze Zeit mit. Und es war schon gleich zu Beginn erkennbar, dass es ein zähes Ringen werden würde. Julius Fanger, der einen Tag nach seinem 21.Geburtstag nur so vor Spielfreude sprühte und seine Kameraden auch emotional mitriss, eröffnete den Torreigen nach 90 Sekunden. Beim 2:3 in der sechsten Minute war dann der Gast aus dem Mittelrhein zum ersten Mal vorne. Im Angriff spielten die Schwarz-Weißen, entgegen ihrer handballerischen DNA, lange Angriffe und in der Abwehr hatte man sich sehr gut auf das Einengen der Kreise Mattis Michels eingestellt. So war der TuS Ferndorf einer seiner größten Waffen beraubt. Dass dieses 2:3 allerdings die letzte Gästeführung an diesem Abend sein sollte, war zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehbar. Neben Fanger hießen die Torschützen der nächsten Ferndorfer Tore Janko Kevic, Josip Eres und Gabriel Viana, was wiederum zwei Dinge verdeutlichte. Zum einen die Unberechenbarkeit der TuS-Jungs, die von allen Positionen Torgefahr ausstrahlen. Aber auch die Tatsache, dass der Weg zum Kreis weiterhin versperrt war. Nach achtzehn Minuten und dem Zwischenstand von 9:6 nahm Gästecoach Fabrice Voigt seine erste Auszeit. Er beorderte nun auch Sebastian Damm, den bundesligaerfahrenen Neuzugang, aufs Feld, was an den Kräfteverhältnissen aber erst einmal wenig ändern sollte. Lucas Puhl, der Zerberus im Ferndorfer Kasten, zeigte ein ums andere Mal, warum man ihm unter dem Kindelsberg nun schon in der zehnten Saison das Tor anvertraut. Parade über Parade des gebürtigen Gummersbachers ebneten den Weg. Über 12:8 (21.) und 14:9 (26.) steuerte die TuS-Equipe auf eine sichere Pausenführung zu, was auch Chefcoach Ceven Klatt gefiel: „In der ersten Halbzeit haben wir entsprechende Lösungen gefunden. Dazu eine gute Torhüterleistung. So konnten wir uns Stück für Stück absetzen.“ Das gelang den Siegerländer Handballern so gut, dass es nach Toren der beiden Halbspieler, Marko Karaula und Marvin Mundus, mit einem 17:12 in die Halbzeit ging.
Die Anfangsphase der zweiten Halbzeit lief äußerst konträr bei beiden Teams. Auf der einen Seite die Opladener, die sich viel vorgenommen hatten, aber in den ersten Minuten der zweiten Halbzeit keinen Fuß auf den Boden bekamen. Und auf der anderen Seite die TuS-Jungs, die, angeführt vom Kapitän und zweifachen Torschützen Mattis Michel, diese Phase nutzten um auf 20:12 (34.) davonzuziehen. Gästetrainer Voigt nahm früh seine zweite Auszeit um diesem Lauf gegenzusteuern. „Mit der Anfangsphase beider Halbzeiten bin ich zufrieden. Und wir hatten uns in der Halbzeit fest vorgenommen, die Gäste nicht mehr an einer Chance wittern zu lassen“, gab Klatt einen Einblick in seine Halbzeitansprache. Die schien aber nach einem Doppelpack Fabian Heckers zum 23:15 (41.) allerdings mehr und mehr zu verpuffen. Im Angriff taten sich die Kevic & Co. zunehmend schwer. Und im Abwehrverbund offenbarte man immer größere Lücken, die die Rheinländer auszunutzen wussten. Wäre nicht auch ein ums andere Mal Jonas Wilde mit ebenso großem Fortune und Können wie Lucas Puhl ausgestattet gewesen, hätte das Spiel in dieser Phase kippen können. Beim 25:21 (48.) war es nur noch eine Vier-Tore-Führung. Doch nun war es Kevic, der kroatische Alt-Internationale, der zunehmend die Verantwortung übernahm. Mit zwei selbst erzielten Toren und klugem Aufbauspiel führte er seine Jungs in die Crunch-Time. Beim 29:25 gut vier Minuten vor dem Ende kam noch einmal kurz Hoffnung auf im Gäste-Lager, doch der angesprochene Kevic nahm mit einem verwandelten Siebenmeter die Luft aus der Partie. Bei all den vergebenen Chancen auf beiden Seiten muss auch die Torhüterleistung explizit Erwähnung finden. Neben den beiden sehr gut agierenden Lucas Puhl in Halbzeit Eins und Jonas Wilde in Halbzeit Zwei, war es auf Seiten der Opladener Louis Oberosler, der die rot-weißen Schützen in Halbzeit Zwei reihenweise zur Verzweiflung trieb. Der beste Torschütze der Gäste, Jonas Leppich, sorgte für den Endstand von 30:26. Was auch gut in die Statistik passte. Denn mit ziemlich genau 26 Gegentoren im Schnitt stellt der TuS Ferndorf die zweitbeste Abwehr aller vier Drittliga-Staffeln aufs Feld.
Der ein oder andere Spieler hat mit kleineren oder größeren Wehwechen zu kämpfen. Inwieweit diese Spieler dann am Samstag bei der Zweitvertretung der HSG Wetzlar einsatzbereit sind, wird sich erst im Laufe der Trainingswoche zeigen. Einsatzbereit sind auf jeden Fall ganz viele Fans. In der kultigen Sporthalle Dutenhofen sollten die Verantwortlichen genügend isotonische Erfrischungsgetränke kaltstellen. Denn bereits im vergangenen Jahr waren es über 100 Ferndorfer, die ihrem Team den Rücken stärkten. Nicht auszuschließen, dass es auch ohne den Wetzlarer Weihnachtsmarkt-Flair wieder um die 100 Ferndorfer werden, die die 80 Kilometer Fahrt auf sich nehmen.
Tore: Julius Fanger, Marvin Mundus (je 6), Janko Kevic (5), Gabriel da Rocha Viana (4), Josip Eres (3/1), Fabian Hecker, Mattis Michel, Marko Karaula (je 2)
Fotos: H.Burbach, M. Lehmann, RGR