TuS gewinnt hochdramatisches Spitzenspiel

0

Es sind genau solche Handballabende, die das Zuschauen zum Highlight machen und wegen derer die Fans Woche für Woche in die Halle pilgern. Spannung und Dramatik von der ersten bis zur letzten Sekunde. Überraschende Spielverläufe und Wendungen, und wenn dann am Ende das eigene Team die verloren geglaubten Kohlen noch aus dem Feuer holt, ist der Handballtag rund. Jedenfalls ist es schwer vorstellbar, dass Zuschauer die den TuS gestern das erste Mal erlebt haben, nicht wiederkommen. Denn dieses Erlebnis möchte man sich am liebsten einfrieren, konservieren und immer mal wieder dran schnuppern. 1020 Zuschauer bedeuteten ein weiteres Mal eine vierstellige Kulisse in der Stählerwiese für diese Saison. Und was diese Zuschauer, angeführt von den beiden Fanclubs Brigade C und Ferndorfer Füchse, über die gesamte Spielzeit für eine Atmosphäre in den alten Handballtempel gezaubert haben, war einfach nur atemberaubend. Nicht umsonst war einer der am häufigsten geäußerten Sätze der Spieler nach dem Spielende: „Eine herausragende Stimmung. Auswärts hätten wir das Spiel wahrscheinlich verloren.“ Und selbst Gästecoach Hannes Geist sagte: „Auch wenn der Glücklichere gewonnen hat und ein Unentschieden gerecht gewesen wäre – vielen Dank an diese tolle Kulisse!“

Der Start in diesen verrückten Abend war verheißungsvoll. Jörn Persson und Paul Schikora stellten nach zwei Minuten auf 2:0. Doch bereits nach sechs Spielminuten hatte der Gast aus Hanau die Partie gedreht (2:4). Die großgewachsene Abwehr der Hessen bewegte sich am maximal Erlaubten und war schnell auf den Beinen. Kaum ein Durchkommen im Positionsangriff für die TuS-Equipe. Und was durchkam wurde zur Beute des ganz stark haltenden Can Adanirs im HSG-Gehäuse. Das Unheil nahm seinen Lauf und es kam noch schlimmer. Bei der HSG Hanau traf ein Jeder nach Belieben, so dass Ferndorfs Coach Robert Andersson nach einer Viertelstunde zur ersten Auszeit gezwungen war. Ein 4:9 zierte die Anzeigetafel und jegliche Versuche Anderssons gegenzusteuern misslangen. So kam denn auch Valentino Duvancic viel früher zu seinem Comeback nach langer Verletzungspause als es geplant war. Langsam sollte der Hüne wieder heran geführt werden, doch die wieder einmal zu langsame und schlecht verschiebende Abwehr ließ dem Coach keine andere Wahl. Doch die wirkliche Initialzündung sollte eine Zeitstrafe werden. Gabriel Viana begleitete Hanaus Marc Strohl bei einem missglückten Tempogegenstoß. Da der Hanauer sich am Boden krümmte, schickte das Schiedsrichter-Gespann Pawel Fratczak und Paulo Ribeiro den verwunderten Portugiesen für zwei Minuten auf die Bank. Auf solch eine Aktion schien der Hexenkessel nur gewartet zu haben. Mit einem Mal wurde aus einem vor sich hin glimmenden, ein feurig lodernder Hexenkessel. In Unterzahl gelang ein weiterer Anschluss auf 6:9 durch Fabian Hecker, der aber nur Sekunden später seinem Kollegen Viana auf der Bank Gesellschaft leisten musste. Nach der doppelten Unterzahl, die das Team unbeschadet überstand, stellten Valentino Duvancic, Alexander Reimann und Julius Fanger auf 9:9 (22.). Die Stählerwiese bebte zum ersten Mal an diesem Abend und der Gästecoach zog mit einer Auszeit erst einmal den Stecker. Zu diesem Zeitpunkt stand eine Ferndorfer Abwehrformation auf dem Feld, die es bislang maximal im Training so gegeben hat. Hecker, Duvancic, Fanger und der sich immer mehr als Abwehrchef herauskristallisierende Rene Mihaljevic. Nun war es das erwartete Spiel auf Augenhöhe. Kein Team vermochte sich wirklich abzusetzen und die Führung wechselte hin und her. Duvancics Tor zum 13:12 nach 28 Minuten war schon sein dritter Treffer. Mit dem Einsatz des Kreisläufers schien auch die sonst so sattelfeste Hanauer Abwehr nicht gerechnet zu haben. Beim Stande von 13:14 aus Ferndorfer Sicht wurden dann die Seiten gewechselt.

Fanger stellte mit zwei schnellen Toren nach Wiederbeginn auf 15:14 (34.). Doch die Hanauer Abwehr stand weiter ihren Mann und Torwart Adanir war längst in die Köpfe der TuS-Spieler gekrochen. Mihaljevic konnte einen Tempogegenstoß nicht im Kasten unterbringen und trotz einer weiteren Auszeit Anderssons musste man die Männer aus dem Main-Kinzig-Kreis wieder davonziehen lassen. Jörn Persson und Marvin Mundus verbuchten ihren Tag weiterhin unter „gebraucht“, so dass keiner der beiden sonst so wichtigen Hauptprotagonisten eine Hilfe darstellte. Doch die ungewohnte Angriffsformation schlug sich wacker. Zumeist ließ Andersson nun mit Fanger, Linus Michel und Hecker im Rückraum spielen, was sich zum Ende hin noch auszahlen sollte. 19:22 stand es in der 49.Minute, als aus dem Fanblock ein „Steht auf für den TuS“ angestimmt wurde. Lange nicht mehr erlebt, erhoben sich alle die die es mit dem TuS hielten von ihren Sitzen und unterstützen ihr Team lautstark. Gänsehaut-Atmosphäre par excellence. Von dieser ließ sich nun auch Lucas Puhl im Kasten der Rot-Weißen anstecken. Immer wieder bekam der Zerberus eine Hand an den Ball und schuf damit die Voraussetzung für die Aufholjagd. 21:23 nach 52 Minuten, und die Crunch-Time war doch irgendwann mal große Ferndorfer Stärke. Angeführt von den oben aufgeführten Rückraumakteuren robbten sich die Michel & Co. Tor für Tor wieder heran. Und als der bis an die Grenzen der Belastbarkeit (und darüber hinaus) gehende Duvancic einen fast missglückten Tempogegenstoß zum 23:23 (56.) abschloss, wackelte die Stählerwiese in ihren Grundfesten. Es benötigte, wie es Fußball-Ikone Oliver Kahn mal treffend ausgedrückt hatte, „Männer mit Eiern“, die in dieser Phase noch nervenstark agieren können. Der vor der Saison aus Schalksmühle nach Ferndorf gewechselte Hecker scheint so ein „Typ mit Eiern“ zu sein. Denn er zog die Verantwortung in den letzten Spielminuten förmlich an und nahm sich die entscheidenden Schüsse. Auch wenn einer dieser Schüsse geblockt wurde, so waren es Heckers Granaten aus dem Rückraum, die wie an der Schnur gezogen im Winkel einschlugen und den Spielstand auf 24:23 und 25:24 stellten. 56 Sekunden Restspielzeit und Hanau hatte noch eine Auszeit. Die zog Gästecoach Geist denn auch und stellte sein Team auf den letzten Angriff ein. Den verteidigten die Männer um Mihaljevic sehr gut und stellten den wurfwilligen Rechtsaußen Hanaus vor eine unlösbare Aufgabe. Dieser hatte aber gar nicht im Sinn zu werfen, sondern sah seinen aus dem Rückraum heranfliegenden Mitspieler und wollte den Kempa einleiten. Das gelang – doch keiner hatte mit dem Teufelskerl im Ferndorfer Kasten gerechnet. Mit einer tollen Parade vereitelte Puhl dieses Unterfangen und zwang die Gäste in einen allerletzten Angriff. Diesen unterband Duvancic, so dass nur noch ein Freiwurf nach der Schlusssirene verblieb. Dieser versandete in der vielarmigen Ferndorfer Abwehrmauer. Der Rest war rot-weiße Glückseligkeit. „Spitzenreiter, Spitzenreiter“-Gesänge schallten durch die Stählerwiese und einigen Spielern merkte man an, welch Zentnerlasten da von ihren Schultern gefallen sind.

„Wir haben ein Topspiel gesehen. Hanau steht absolut zu recht da oben in der Tabelle“, zollte Andersson der Gästeleistung seinen Respekt, um weiter auszuführen: „Die Entwicklung von Fabi Hecker ist toll. Tino Duvancic macht über volle 45 Minuten ein super Spiel. Und Rene Mihaljevic kommt immer mehr an in seiner Paraderolle in der Abwehr.“

Es hat allen die vor Ort waren Spaß gemacht. Nächste Chance die Kämpfer in Rot und Weiß wieder live in der Stählerwiese zu sehen, hat das Ferndorfer Publikum am 19.November. Dann geht es gegen die Reservemannschaft des oberbergischen Nachbarn aus Gummersbach. Da sicherlich auch der ein oder andere Gästefan die 40 Kilometer über die A4 nach Kreuztal fährt, wird es hoffentlich wieder ein Besuch jenseits der 1000 Zuschauer Marke. Verdient hat es sich der alte und neue Tabellenführer der 3.Liga Süd-West. Doch weiter geht es erst einmal am kommenden Wochenende. Da führt die Reise des TuS-Teams nach Pohlheim. Weniger als 100 Kilometer die A45 runter. Da wird es sicherlich auch auswärts wieder lautstarke Unterstützung für den Tabellenführer geben.

Tore: Valentino Duvancic, Fabian Hecker (je 6), Julius Fanger (4), Alexander Reimann, Paul Schikora (je 2), Marvin Mundus (2/1), Linus Michel, Jörn Persson, Rostslav Polyshchuk (je 1)


Fotos: H.Burbach, A.Domian

Kommentare sind geschlossen.