Es gibt einige Erkenntnisse aus dem Freitagabend in der Kreuztaler Stählerwiese. Zum einen wären da die Hauptakteure in den rot-weißen und blau-weißen Trikots. Die begegneten sich nämlich zum zweiten Mal in dieser Saison und spielten zwei Mal unentschieden – somit darf man festhalten, dass da zwei Teams auf Augenhöhe agierten. Des weiteren darf konstatiert werden, dass in der fast ausverkauften Stählerwiese eine Wahnsinns-Atmosphäre geherrscht hat, von der nach dem Spiel sogar Gäste-Trainer Uwe Jungandreas schwärmte, als er beiden Fanlagern ein Kompliment für die „tolle Stimmung“ machte. Und zu guter Letzt bleibt die Erkenntnis, dass die Stählerwiese im Jahre 2025 noch nicht ein Gästeteam gesehen hat, das beide Punkte entführen konnte – das Team von TuS-Coach Ceven Klatt bleibt im Jahre 2025 also unbesiegt in Kreuztals bester Stube.
Der Hexenkessel war am ungewohnten Freitagabend sofort auf Temperatur. Von der ersten Minute an herrschte eine prickelnde Atmosphäre. Etwa fünfzig Dessauer Fans hatten den Weg ins Siegerland auf sich genommen und unterstützten ihr Team über die gesamte Spielzeit lautstark. Die Brigade C auf Ferndorfer Seite hatte mit einer Choreo, über die komplette Hintertortribüne, bereits für den ersten Gänsehautmoment des Abends gesorgt. Und getragen von diesem Intro gaben auch alle anderen TuS-Fans von der ersten Minute an Vollgas.
Der erste Dessauer Angriff dauerte knapp zwei Minuten. Doch die erste Führung des Abends gehörte der TuS-Equipe. 1:0 durch Valentino Duvancic in der 3.Minute. Mit ein-Tore-Führungen ging es durch die ersten Minuten des Spiels. Für einen echten Zungenschnalzer sorgten in der achten Minute Janko Kevic und Gabriel Viana. Die initiierten einen Kempa, den Viana artistisch versenkte. Beim Stande von 5:5 (13.) hielt Dessaus Keeper Philip Amborosius den ersten Ferndorfer Siebenmeter. Und um es vorweg zu nehmen – es sollte nicht der letzte Fehlwurf vom Strich sein. Can Adanir im Ferndorfer Kasten hatte zwar kein Spielglück, trat dafür aber erstmals in dieser Saison als Torschütze in Erscheinung. Ambrosius hatte in Unterzahl für den sechsten Feldspieler Platz gemacht. Das nutzte Adanir für einen Wurf ins verwaiste Dessauer Tor zum 6:5 (14.). Nach einer Viertelstunde drehte sich die Partie. Die Gäste aus der Bauhausstadt gingen erstmals in Führung. Viana, wichtige Stütze im Ferndorfer Abwehrspiel, musste nach sechzehn Minuten verletzt den Dienst quittieren. Der kleinste Spieler der Liga, Hampus Dahlgren, übernahm für den Portugiesen. Das bedurfte auch einigen Umstellungen im Abwehrverbund der TuS-Jungs. Und das nutzten die Gäste zur ersten Zwei-Tore-Führung des Abends. Klatt nahm eine Auszeit und justierte neu. Und diese Umstellungen fruchteten. Beim 10:10 (24.) war das Spiel wieder remisiert. Nun ging es wieder Kopf an Kopf Richtung Halbzeitpause. Dahlgren verwarf in der 25.Minute den zweiten Siebenmeter für seine Farben. Jonas Wilde, der nach der Klatt-Auszeit in der 17.Minute von Adanir übernommen hatte, bekam nun die ersten Male eine Hand an den Ball. Und vorne war es der Kapitän, Mattis Michel, der voran ging und seine Farben mit einem 13:12 in die Halbzeit brachte.
„Eine unglaubliche Atmosphäre. Es hat Spaß gemacht“ – Klatt war auch nach diesem Spiel wieder einmal begeistert von der Stimmung, die zwischen Feld und Tribüne hin und her schwappte und dem Ferndorfer Team in schwierigen Momenten Halt gab. Dahlgren traf nun zwei Mal spektakulär von Außen und sorgte bereits in der 35.Minute, beim 16:13, für die erste Drei-Tore-Führung der Gastgeber. Die hielt aber nur bis zur 42.Minute. Innerhalb von nur 79 Sekunden trafen die Sachsen-Anhaltiner drei Mal und stellten auf 20:20. Ein echter Aufreger dann in der 46.Minute. Josip Eres machte sich bei einem Tempogegenstoß auf den Weg und wurde von Dessaus Marcel Nowak rüde von den Beinen geholt. Folgerichtig durfte sich Nowak den Rest des Spiels von der Tribüne ansehen. Den fälligen Siebenmeter verwandelte Kevic zum 23:21. Dessau kassierte on top noch eine zweifelhafte Zeitstrafe gegen Jakub Powarzynski und musste in doppelter Unterzahl das 24:21 schlucken. Diese Phase wussten die Michel & Co. aber nicht weiter auszunutzen, was Klatt nach dem Spiel auch als mitentscheidende Phase ansah. Denn anstatt die Führung in doppelter Überzahl auszubauen oder zu halten, gab man das Heft des Handelns danach wieder aus der Hand. Dessaus bester Torschütze, Yannick Danneberg, sorgte beim 24:24 in der 52.Minute für den neuerlichen Ausgleich. „Mit der kämpferischen Leistung bin ich zufrieden“ – Dessaus Coach zollte seinen Jungs Respekt für die Moral. In die gleiche Kerbe schlug auch Klatt: „Keiner hat dem anderen was geschenkt. Dessau gibt sich nie auf und verdient sich den Punktgewinn!“ Dabei wurde es in der Crunch-Time nochmal richtig wild. Eine tolle Aktion von Daniel Hideg bringt Dahlgren in Position, der zum 25:24 trifft. Fritz-Leon Haake gleicht in der 55.Minute wieder aus. Michels neuerlichen Führungstreffer viereinhalb Minuten vor Schluss egalisieren die Dessauer erneut. Drei Minuten auf der Uhr – 26:26. Dass danach keinem Team mehr ein Torerfolg gegönnt war, passt zur Geschichte des Spiels. Eres warf einen Siebenmeter an die Latte. Und Eres war an diesem Abend wahrlich nicht mit dem Aluminium im Bunde. Fünfzig Sekunden vor Schluss landete sein Wurfversuch von Rechtsaußen erneut an der Latte. Gegenzug Dessau und die Chance, die letzte Minute von der Uhr zu nehmen. Doch der Gast schließt früher ab und verwirft. Letzte Chance für die Rot-Weißen, dass Spiel als Sieger zu beenden. Doch den letzten Wurf von Hideg antizipiert Ambrosius, so dass am Ende die Punkteteilung das gerechte Resultat ist.
Zwei Spiele gegeneinander – zwei Mal unentschieden. Zwei Teams auf Augenhöhe, die auch hoffentlich beide in der kommenden Saison noch zweitklassig sind. Vielleicht haben dann auch die Spieltagsplaner der HBL ein Einsehen mit einer der lebendigsten Fanfreundschaften im deutschen Handball. Denn trotz des fanunfreundlichen Termins am Freitagabend haben sich knapp zwei Dutzend Dessauer Fans für ein ganzes Wochenende unterhalb des Kindelsbergs entschieden, der am Samstag von rund 50 Fans beider Lager noch erwandert wird. Für die Klatt-Mannen geht die Fahrt durch diese wilde zweite Liga am Gründonnerstag weiter. Dann geht die Reise zu einem Ex-Bundesligisten, zu den Eulen Ludwigshafen. Auch weil die Liga fast nur mit Unentschieden geglänzt hat, geht das Zittern um den Klassenerhalt noch sieben Spieltage weiter. Dazu hat Dessaus Coach die richtigen Worte gefunden: „Ob wir mit dem einen Punkt leben können, sehen wir in ein paar Wochen!“ Für alle, die am Gründonnerstag nicht dabei sind, geht der Blick schon auf das nächste Spiel im Hexenkessel. Ganz ungewohnt am Montagabend, den 28.April um 19:30 Uhr. Dann heißt der Gegner Nordhorn-Lingen und für alle die, die es mit dem TuS Ferndorf halten, heißt es dann wieder: Alle dabei für den Klassenerhalt in Liga Zwei!
Tore: Janko Kevic (6/1), Hampus Dahlgren (5/1), Daniel Hideg, Mattis Michel (je 3), Valentino Duvancic, Marvin Mundus (je 2), Josip Eres (2/1), Can Adanir, Fabian Hecker, Gabriel Viana (je 1)
Fotos: René Weiss. Andreas Domian, RGR/TuS Ferndorf