Es ist eine oft benutzte Begrifflichkeit – „Totgesagte leben länger“. Im Fall des TuS Ferndorf darf das allerdings wörtlich genommen werden. Was musste sich die Mannschaft von Coach Robert Andersson in der vergangenen Woche nicht alles anhören. Von „das war der Abstieg“ bis hin zu „gegen Hagen und Hüttenberg gibt es Klatschen“ war so ziemlich alles dabei. Wie sich das Team am Freitagabend in der Krollmann-Arena zu Hagen zurückgemeldet hat, ist hingegen in einem einzigen Wort sehr gut beschrieben: „Eindrucksvoll !!“
Es war eine lange Wartezeit für die Ferndorfer Jungs. Nach dem Einlauf der Gäste zelebrierten die Hagener ihren eigenen Auftritt und benötigten dafür außerordentlich lange. Davon ließ sich die rot-weiße Equipe aber überhaupt nicht aus der Konzentration bringen. Ganz im Gegenteil. Hellwach von der ersten Sekunde, war es bereits zu Spielbeginn der Tausendsassa im Ferndorfer Kasten, Lucas Puhl, der die ersten Duftmarken setzte. Die ersten vier Angriffe der Grün-Gelben fanden ihren Meister in Puhl. Einzig den ersten Siebenmeter von Pouya Norouzi musste der gebürtige Gummersbacherbeim 1:2 passieren lassen. Das verlieh seinen Vorderleuten Sicherheit, und auch die Abwehr trug mit schnellen Beinen ihr Scherflein dazu bei dass man ständig in Führung lag. Im Angriff waren es Christoph Neuhold und Julian Schneider die klug Regie führten, ihre Nebenleute prächtig in Szene setzten oder selbst zum Abschluss kamen. Gerade Julian Schneider war der Siegeswille bis unters Hallendach anzumerken. Er riss mit seiner Art auch die Bank mit, die jede gelungene Aktion ihrer Mannschaftskameraden stehend feierte. Schneider in diesem Spiel mit der Begrifflichkeit des „Emotional Leaders“ zu schmücken ist wahrlich nicht zu hoch gegriffen. Bis zur 4:6 Führung in der 14.Minute hatten für den TuS Josip Eres, Mattis Michel, Rutger ten Velde, Valentino Duvancic und Julian Schneider getroffen. Ein Beweis dafür, dass man wieder das ausstrahlte was Andersson von seinem Team sehen will. Torgefahr von jeder Position. Als Eres nach 23 Minuten auf 7:12 stellte, man gleichzeitig die beiden Hauptprotagonisten der Hagener, Norouzi und Vorlicek bestens im Griff hatte, fing man im Fanlager des TuS das Träumen an. Sollte es wieder einer dieser denkwürdigen Abende am Ischeland sein? Das Rückzugsverhalten par excellence, gute Ideen im Spielaufbau und eine sattelfeste Abwehr mit einem überragend agierenden Puhl im Kasten – Hagens Trainer Stefan Neff hatte genug gesehen. Er bat die Seinen nach 27 Minuten bereits zu seiner zweiten Auszeit. Doch dieser rot-weißen Equipe war schwerlich beizukommen. Ein 9:14 zeigte die Anzeigetafel beim Gang in die Kabine. Neun Gegentore gegen ein Team, welches im bisherigen Saisonverlauf nie weniger als 24 Tore erzielt hat. Ein deutlicher Fingerzeig, wie gut Puhl im Zusammenspiel mit seiner Abwehr in der ersten Halbzeit war.
Halbzeit Zwei ging genauso weiter wie die der erste Spielabschnitt geendet hatte. Dabei war es zum einen weiterhin Puhl, der seine Quote konstant um die 40% hielt. Zum anderen trat nun Hollands National-Linksaußen Rutger ten Velde auf den Plan. Siebenmeter, schnelle Gegenstöße, Positionsangriff – der bei der EM so furios aufspielende ten Velde war nicht zu stoppen und sorgte beim 12:18 in der 39.Minute für die erste Sechs-Tore-Führung der Siegerländer. Der 24-jährige Linksaußen hatte was von einem VW Käfer mit holländischem Nummernschild. Er trifft und trifft und trifft. Neff sah sich bereits nach 41 Minuten zu seiner dritten und letzten Auszeit gezwungen. Eine etwas offensiver agierende Abwehr sollte den Tabellenletzten nun ins Wanken bringen. Platz genug für klug agierende Handballer – in diesem Fall für den österreichischen Neuzugang im rot-weißen Trikot. Christoph Neuhold sorgte mit drei Toren en bloc nicht nur für eine Vorentscheidung beim 12:21. Nein, auch die Körpersprache Neuholds zeigte den Gastgebern, dass für sie an diesem Tage nichts mehr zu holen war. Puhlic, der Ferndorfer Zerberus, performte unaufhörlich weiter. Ten Velde war es vorbehalten, für die ersten Zehn-Tore-Führung zu sorgen – 17:27 in der 57.Minute. Hagens Ballwerfer waren inzwischen so verunsichert ob ihrer eigenen Leistung, dass Norouzi einen Siebenmeter sogar neben das Tor warf. Es war kein Kraut gewachsen gegen diese Leistung der Ferndorfer Jungs. Und eigentlich bedarf es nicht noch einer weiteren Erwähnung, wer die Hauptprotagonisten des Sensationssieges waren. Doch weil Beide in den letzten dreißig Sekunden noch zum Zuge kamen: ten Velde mit einem wunderschönen Heber zum 19:29 Endstand, weil auf der Gegenseite Puhl auch den letzten Hagener Angriff in seinen Armen versanden ließ.
Da ist er wieder, der rot-weiße Express. Er steht sicher auf den Schienen, hat Fahrt aufgenommen mit der Zielhaltestelle Klassenerhalt. Nächste Chance zum Einsammeln weiterer Zähler auf der Habenseite besteht bereits am kommenden Samstag. Der hessische Nachbar aus Hüttenberg ist in der Stählerwiese zu Gast. Seit Jahren ist dieses Spiel Garant für gute Stimmung und Spannung bis in die Schlusssekunden. Genug Argumente, um den Hagen-Bezwingern am kommenden Samstag um 19 Uhr einen entsprechenden Empfang zu bereiten und die Stählerwiese wieder einmal zum Beben zu bringen.
Tore: Rutger ten Velde (10/3), Josip Eres, Christoph Neuhold, Julian Schneider (je 4), Kim Voss-Fels (3), Mattis Michel (2), Valentino Duvancic, Jörn Persson (je 1)
Fotos: 2.HBL/Eintracht Hagen