Niederlagen gehören zum Handballsport dazu. Und auch Zuschauer können mit Niederlagen ihres Teams umgehen. Doch eine Grundvoraussetzung sollte gegeben sein. Die Mannschaft muss sechzig Minuten ihr letztes Hemd auf dem Feld gelassen haben. Und erst dann aufhören zu kämpfen, wenn das Wasser in der Dusche angeht. Kämpferischer Wille und sechzigminütige Leidenschaft – das waren Attribute, die in den vergangenen Wochen eng mit den Handballern des TuS Ferndorf verbunden waren. Und damit war man auch beim hochfavorisierten HBW Balingen/Weilstetten kurz davor, was Zählbares mit auf die Heimreise zu nehmen. TuS-Coach Ceven Klatt ist auch Tage nach dem Match noch stolz auf die Leistung seiner Mannschaft: „Wir lassen uns diese gute Leistung nicht kaputt reden. Es haben wieder mal nur Kleinigkeiten gefehlt. Und ich habe den Jungs gesagt, dass wir diese Saison auswärts auch noch einen Großen schlagen werden!“
Der nächste Gegner, der sich den Nordsiegerländer Handballern in den Weg stellt, ist ein Altbekannter – der Dessau-Roßlauer HV! Zwischen Fans der Zabporters aus Dessau und der Brigade C aus Ferndorf ist eine Freundschaft entstanden, die inzwischen auch von vielen anderen Fans auf den Tribünen gepflegt wird. Doch über sechzig Minuten am Freitagabend wird diese Freundschaft ruhen. Tobias „Otti“ Ott, Herz und Seele der aktiven Dessauer Fanszene: „Wir freuen uns wahnsinnig auf ein tolles Handballfest. Ganz sicher ein Saison-Highlight für uns. Wir reisen mit rund 50 Fans an, von denen 20 das ganze Wochenende über in Kreuztal bleiben!“ Das Team der Blau-Weißen ist diese Saison nicht berechenbar. Früher war allen Gegnern bewusst, dass Dessau in eigener Halle schwer zu bezwingen ist. Diese Saison sind die heimstarken Bauhausstädter zu Auswärtsgiganten mutiert. Platz Drei der Auswärtstabelle – Lohn für sechs Siege und zwei Unentschieden in der Fremde. Und so hat auch Klatt Respekt vor einem starken Gegner: „Sie spielen ein sehr gutes Tempospiel über sechzig Minuten und stellen in der Abwehr eine schwer zu bespielende 6:0 Deckung. Mit Vincent Bülow (früher: V. Somann) haben sie den spielstärksten Mittelmann und mit Philip Ambrosius einen der Top-Keeper der Liga!“ Das Team der ehemaligen BSG ZAB Dessau auf diese beiden Spieler zu reduzieren wäre allerdings falsch. Denn insbesondere der von einem doppelten Bänderriss im Februar wiedergenesene 2,03 mtr. Hüne Yannick Danneberg ist eine echte Waffe. Und von dieser, wie auch von den spielstarken Mittelmännern Bülow und Fritz-Leon Haake profitiert in der Kleingruppe Tillmann Leu. Der Kreisläufer hat mit seinen Leistungen Begehrlichkeiten geweckt und wechselt zur neuen Saison in die Bundesliga zum ThSV Eisenach. Und dann gibt es ja noch den besten Feldtorschützen der Sachsen-Anhaltiner – Rechtsaußen Yannick-Marcos Pust. Der gegenstoßorientierte Pust hat bereits 98 Feldtore auf dem Konto. Nicht vergessen werden darf bei aller Qualität auf dem Feld, die Qualität auf der Bank. Uwe Jungandreas ist in seinem elften Jahr beim Dessau-Roßlauer HV, bricht aber im Juni seine Zelte ab und wechselt in die dritte Liga nach Aue.
„Wir freuen uns auf die Stählerwiese. Die Jungs genießen jedes Spiel in dieser fantastischen Atmosphäre“ – Klatt bringt es auf den Punkt. Im Jahre 2025 machen die Besuche der TuS-Heimspiele im vielbeschworenen Hexenkessel einfach nur Spaß. Eine Mannschaft, der man über sechzig Minuten Leidenschaft und Willen ansieht und dazu eine brillante Stimmung, die selbst in der 2.HBL ihresgleichen sucht. Da sind dann auch Schmerzen mal schnell vergessen. Denn das Team der Rot-Weißen hat immer noch mit Wehwehchen zu kämpfen, die zum fortgeschrittenen Zeitpunkt der Saison normal sein dürften. Daniel Hideg, Janko Kevic, Malte Nolting, Marko Vignjevic – die Liste der Angeschlagenen ist lang. Dazu gesellen sich die Langzeitverletzten Fynn Herzig, Paul Schikora und Philip Würz. Doch alles Jammern hilft nichts. Die einsatzfähigen Spieler haben in den letzten Wochen bewiesen, dass auf sie Verlass ist. Unbesiegt ist die TuS-Equipe im Jahre 2025 in der heimischen Stählerwiese. Und so soll es auch bleiben, wenn am Ende der große Wurf, der Klassenerhalt, gelingen soll. In der Aufstiegssaison 2023/24 war der Abwehrverbund DAS Prunkstück der Männer aus dem handballverrücktesten Dorf des Siegerlandes. Und in den vergangenen Partien reifte dieser Abwehrverbund wieder zu alter Stärke. Valentino Duvancic und Mattis Michel machen im Innenblock einen herausragenden Job, währenddessen der Zeitstrafenkönig des TuS, Gabriel Viana, die Kreise des angreifenden Halbrechten einengt. Und dann gibt es ja immer noch das Thema Torhüter. In Deutschland, egal in welcher Sportart, war nie ein Mangel an guten Keepern. Das Problem hat sich in Ferndorf auch nie aufgetan. Aktuell hat Klatt eher die Qual der Wahl, wer zu Beginn des Spiels das Tor hütet. Can Adanir scheint die Nase noch vorne zu haben, aber Jonas Wilde hat sich mit seinem famosen Auftritt in Balingen für weitere Einsätze von Anfang an empfohlen.
Rechenspiele in Bezug auf die notwendigen Punkte für den Klassenerhalt gibt es gerade zuhauf. An all diesen Spekulationen möchten sich die Michel & Co. nicht beteiligen. Der Fokus liegt auf der wöchentlichen Arbeit, um an den nun folgenden Wochenenden, bis zum letzten Spiel der Saison 24/25 am 7.Juni, genügend Pluspunkte zu ergattern. Dabei helfen sollen die Auftritte in Kreuztals bester Stube. Und hier ist im Besonderen der Faktor Hexenkessel gefragt. Man wird den Eindruck nicht los, dass es von mal zu mal lauter geworden ist. Gegen Essen und Konstanz war schon eine tolle Stimmung in der Halle. Gegen Hamm und Dresden wurde die altehrwürdige Dreifachturnhalle im Herzen Kreuztals in ihren Grundfesten erschüttert. Genau diese tolle Unterstützung wünschen sich die TuS-Jungs auch am ungewohnten Freitagabend. Über 1300 Zuschauer werden erwartet – es gibt noch Stehplatztickets für alle Kurzentschlossenen. In dieser verrückten, weil so engen, zweiten Liga braucht das Team jeglichen Support. Damit es auch in der Zweitligasaison 2025/26 wieder heißt: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !
WISSENSWERTES
Gegner: Dessau-Roßlauer HV 06
Einwohner Dessau: 79.800 (zum Vergleich: Ferndorf = 3.900)
Heimspielstätte: Anhalt Arena – 3.300 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: blau-weiß
größte Erfolge: Erstligist 1991/92, 19 Jahre Zweitligist von 1992-2011