Achtzehn kleine Jungs hatten einst einen Traum. Hände in den Taschen, Kopf leicht gesenkt, Steine über den Schulhof kickend. Aber der Kopf, der war in der Ostseehalle in Kiel, in der GETEC-Arena in Magdeburg, in der Hölle Nord in Flensburg oder, im Falle eines Mattis Michel, wahrscheinlich in der Stählerwiese in Kreuztal. Jahre später sind aus diesen Kindern Männer geworden und der Traum ist ein Stück weit wahr geworden. Zweitligahandball am Freitagabend – ein kleines Derby zwischen dem TSV Bayer Dormagen und dem TuS Ferndorf – Handballherz was willst du mehr? Und so wie sich die Jungs in den rot-weißen Trikots ihren Traum erfüllen, so geht es auch dem Coach des rot-weißen Ensembles. Und dieser Ceven Klatt kippt auch nochmal ein bisschen Pathos nach, indem er sagt: „Dormagen hat ein Heimspiel und somit einen Vorteil. Aber Dormagen ist nicht weit. Und ich hoffe sehr auf zahlreiche und lautstarke Unterstützung unseres Anhangs!“ Die Anreise wird schon mal formidabel werden. Denn am Freitagnachmittag um 15:30 Uhr setzt sich ein neu gebrandeter Bus in Bewegung, der auch im fließenden Verkehr signalisiert – hier kommt das Zweitligateam des TuS Ferndorf!
Wiesel – so nennen sich die Dormagener Handballer. Und in dieser Saison charakterisiert das in Perfektion die Spielweise der Bauer-Jungs. Apropos Bauer. Der erst 30-jährige Übungsleiter der Dormagener, Julian Bauer, war vor der Saison mit der Vision angetreten, die schnellste Mannschaft der Liga zu formen. Und dieses Unterfangen scheint gelungen, denn kein Team in Liga Zwei erzielt so viele Tore wie die Dormagener Wiesel. So warnt auch TuS-Coach Ceven Klatt vor der Offensivpower der Mittelrheiner: „Sie bevorzugen ein schnelles, laufintensives Spiel und erzielen nicht selten über 40 Tore. Diese Spielweise dürfen wir auf keinen Fall annehmen, sondern müssen darauf bedacht sein, sie ins gebundene Spiel zu zwingen.“ Pfeilschnelle Außen, die das Gegenstoß-Gen schon mit der Muttermilch aufgesogen zu haben scheinen. Dazu spielfreudige, physisch starke Spieler auf den Rückraumpositionen, die bestens in der Kleingruppe harmonieren. On top komplettiert mit Christian Ole Simonsen einer der besten Keeper der Liga das Dormagener Ensemble. Bauer, der erst kürzlich sein Arbeitspapier bis 2027 verlängerte, hat aus einem Abstiegskandidaten ein Team geformt, welches drei der vier bestplatzierten Teams der 2.HBL geschlagen hat. Somit stand nicht umsonst in der Ferndorfer Trainingswoche das Rückzugsverhalten ganz oben auf der Agenda.
In den beiden Testspielen, gegen leicht ersatzgeschwächte Gummersbach und die HSG Wetzlar, sah Klatt sein Team über jeweils sechzig Minuten auf Augenhöhe. Besonders hervorgehoben hat er hierbei die Entwicklung von Hampus Dahlgren und Marko Vignjevic. Was den Coach explizit freut, verweist er doch in diesem Zusammenhang gerne auf die notwendige Breite im Kader. Einige Spieler im TuS-Kader sind angeschlagen und werden nicht dabei sein. Stand heute trifft das auf Fynn Herzig, Philip Würz und Paul Schikora zu. Ob noch mit weiteren Ausfällen zu rechnen ist, wollte der Coach nicht mutmaßen, hofft aber darauf, ansonsten den Kader vollständig an Bord zu haben. Großen Fokus hat der Coach auf die Weiterentwicklung des Umschaltspiels gelegt. Und da haben ihm die umgesetzten Dinge in den Testspielen bereits viel Anlass zur Freude gegeben. Anlass zur Freude gibt beim TuS auch die Ausgeglichenheit des Kaders. Mit Julius Fanger, Daniel Hideg, Janko Kevic, Mattis Michel und Marvin Mundus haben schon fünf Spieler über fünfzig Saisontore erzielt. Dazu gehört auch ein Torhüter-Duo, dass sicherlich zu den Besseren in Liga Zwei gehört. Nach einem Saisonstart, bei dem sich Can Adanir in den Vordergrund gespielt hat, war es in den Wochen vor Weihnachten mehr und mehr Jonas Wilde vorbehalten Akzente zu setzen.
Nun nimmt die 2.HBL wieder Fahrt auf. Bereits zu Beginn der Hinrunde wollte man seitens der Siegerländer Handballer positive Akzente setzen und punkten. Das gelang mit 10:2 Punkten aus den ersten fünf Saisonspielen recht eindrucksvoll. Doch der Überraschungseffekt zieht nicht mehr. Es gilt, mit akribischer Arbeit vor und hinter den Kulissen dafür zu sorgen, dass am Ende der Spielzeit genügend Punkte eingesammelt sind, um auch in der Saison 2025/26 wieder im Unterbau der Beletage des deutschen Handballs zu performen. Beitragen darf dazu auch gerne wieder der gewohnt reisefreudige und stimmgewaltige Anhang des TuS Ferndorf. Spielbeginn am Freitagabend in Dormagen ist um 19:30 Uhr. Wer die Michel & Co. nicht vor Ort unterstützen kann, dem sei der Livestream bei DYN ans Herz gelegt. Und egal wo die Siegerländer Handballfans auch mitfiebern. Überall heißt es dann wieder: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !
WISSENSWERTES
Gegner: TSV Bayer Dormagen
Einwohner Dormagen: 65200 (zum Vergleich: Ferndorf = 3900)
Heimspielstätte: TSV Bayer Sportzentrum – 3002 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: blau/weiß
größte Erfolge: 5.Platz Bundesliga 1988 + 1991, Platz 20 in der „Ewigen Tabelle der Handball-Bundesliga“