„Das Spiel dauert neunzig Minuten“ – eine Fußballweisheit vom 54-er Weltmeister-Trainer Sepp Herberger. Übertragen auf den Handballsport, und insbesondere auf das Spiel des TuS Ferndorf am Mittwochabend in Hüttenberg, trifft dieser Spruch leider vollends zu. Denn wäre das Spiel nach der ersten Halbzeit zu Ende gewesen, in und um Kreuztal wäre wahrscheinlich bis Sonntag der famose Husarenritt der Michel & Co. das vorherrschende Thema gewesen. So muss am Ende leider ein Rückschlag im Abstiegskampf quittiert werden, da wieder einmal Teams aus den unteren Tabellenregionen gepunktet haben, was den Sturz von Platz Neun auf Platz Dreizehn bedeutet.
Ferndorf-Sprechchöre hallten schon zu Beginn des Spiels deutlich vernehmbar durch das Sportzentrum Hüttenberg. Ceven Klatt hatte sich mit seinem Team akribisch vorbereitet. Ein Sieben gegen Sechs sollte die Lösung gegen das unorthodoxe Abwehrspiel des TV Hüttenberg sein. Einhergehend mit viel Tempo im Spiel und hoher Effizienz im Abschluss. Die ersten zehn Minuten war es ein Kopf an Kopf Rennen. Ferndorfs Taktikfuchs Ceven Klatt hatte sich einige Aufgaben für die Gastgeber überlegt. Und seine Jungs setzten das nach und nach immer besser um. Zwei Kreisläufer waren im Sieben gegen Sechs das Mittel der Wahl. Und hätte man bereits zu Beginn effizienter abgeschlossen, hätte schon nach zehn Minuten eine Führung auf der Anzeigetafel stehen können. So war es ein 4:4, doch das Spiel der Jungs in Rot und Weiß wurde griffiger. Innerhalb von nicht einmal zwei Minuten netzten Gabriel Viana, Daniel Hideg und Josip Eres. Aus einem 4:4 war ein 4:7 geworden. Die Jungs aus dem nördlichen Siegerland spielten das Spiel nun von vorne weg. Und neben den im Angriff reüssierenden Kreisläufern Valentino Duvancic und Mattis Michel, war es fortan auch Can Adanir im Ferndorfer Kasten, der den Gastgebern mehrere Bälle wegnahm. Im Abwehrverbund gingen die TuS-Jungs konzentriert zu Werke und im Angriff war die Effizienz extrem hoch. Nachdem Duvancic zum 8:11 (19.) getroffen hatte, reagierte Hüttenbergs Coach Stefan Kneer. Die hochgehandelten Paul Kompenhans und Niklas Theis holte der Altinternationale vom Feld und brachte frische Kräfte. Doch an den Verhältnissen auf dem Feld sollte sich erst einmal nichts ändern. Im Gegenteil – Duvancic und Eres stellten auf 8:13 und Kneer zog seine erste Auszeit. Aus dem gut gefüllten Gästeblock hörte man immer wieder Adanir-Sprechchöre. Der Keeper stand inzwischen bei rund 40% gehaltener Bälle und war Rückhalt seines Teams. „Knackpunkt im Spiel sind für mich die Situationen nach dem 9:14“ – Klatt spricht Kempa und Wechselfehler explizit an. Erst behindern sich, frei vor dem Tor stehend, Julius Fanger und Marko Vignjevic bei der Vollendung eines Kempas. Dann produzieren die Rot-Weißen einen Wechselfehler. Das Momentum kippte nach 26 Minuten auf die Seite der Hausherren. Die Hessen machten aus einem 10:14 ein 14:16 zur Halbzeit. Klatt war diese Phase ein Dorn im Auge: „Wir belohnen uns nicht genug für eine weitestgehend starke erste Halbzeit!“
Zur zweiten Halbzeit verordnete Heim-Coach Kneer den Seinen eine defensivere Ausrichtung des Abwehrverbundes. Und damit traf er den Nerv der Siegerländer Handballer. Die vorher so famos auseinander gespielte, offensive Abwehr der Hausherren stand nun defensiver. Kreisläufer-Anspiele in die Nahtstelle, die in den ersten dreißig Minuten so famos geklappt haben, waren nun Mangelware. Beim 16:16 (33.) war der erste Gleichstand seit dem 4:4 erreicht. Es sollte aber bis zur 38.Minute dauern, bis die Hüttenberger wieder vorlegen konnten. 19:18 lautete der Zwischenstand. Von den Ferndorfer Halbspielern kam kein Druck mehr auf die Nahtstellen im Abwehrverbund der Hausherren und auch Adanirs Quote ließ auffallend nach. „Wir hatten dann auch keine Griffigkeit mehr in der Abwehr, bzw. im Innenblock. Mit unseren angeschlagenen Spielern fehlten uns dann hinten raus auch die Reserven“, wollte Klatt mit seinen Jungs, und deren nachlassenden Kräften, nicht allzu hart ins Gericht gehen. Alle versuchten Alles. Jonas Wilde übernahm von Adanir und führte sich gleich einmal mit zwei Paraden ein. Klatt wechselte so viel wie es die Bank hergab. Und die weit mehr als fünfzig Ferndorfer Fans feuerten ihr Team nach Leibeskräften an. Ferndorfs Coach nahm eine Auszeit, in der zum Ende hin Janko Kevic die Wortführung übernahm. Mit dem 22:22 (44.) war der letzte Gleichstand der Partie erreicht. Kompenhans wurde nach einer weiteren Hüttenberger Auszeit dann zum Entscheider. Der TuS blieb dank Eres, der ohne Fehlwurf blieb, zwar dran, aber das Pendel kippte augenscheinlich immer mehr zugunsten der Mittelhessen. Eingangs der Crunch-Time zog der TVH, beim 28:25 in der 53.Minute, erstmals wieder mit drei Toren davon. Ein Wirkungstreffer, von dem sich die Michel & Co. nicht mehr erholen sollten. Das bessere Abwehrspiel oblag nun den Rot-Blauen und auch die Wurfauswahl war auf Seiten der Gastgeber besser. In einer letzten Auszeit appelierte Klatt nochmal an das Rückzugsverhalten der Seinen: „Egal was vorne passiert, wir laufen zurück!“ Doch die Hypothek des Rückstands war zu groß. Über 32:28 (58.) blieb es am Ende beim Vier-Tore-Vorsprung der Hessen. 33:29 lautete der Endstand in einer Partie, wo es durchaus Chancen für den TuS Ferndorf gab, mit Zählbarem die Heimreise anzutreten. Kapitän Mattis Michel im Spieler-Interview: „Wir machen das in der ersten Halbzeit sehr gut, kommen dann aber schlecht aus der Kabine. Dann ist es schwer gegen die Halle und ein starkes Hüttenberger Team. Wir sind dann auch nicht mehr so gut im Rückzug und bekommen zu viele Durchbrüche aus der zweiten Welle.“
Hadern hilft an dieser Stelle nicht weiter. Hüttenberg ist Geschichte – Dresden heißt die nächste Aufgabe. Zum Abschluss der englischen Woche stellt sich am späten Sonntagnachmittag der HC Elbflorenz in der Stählerwiese vor. Der aktuelle Tabellenfünfte – was die Schwere der Aufgabe unterstreicht. Doch mit Hilfe des Hexenkessels wollen die Klatt-Mannen ihre weiße Heim-Weste im Jahre 2025 bewahren. Nach Siegen gegen Essen, Konstanz und Hamm, soll die Serie auch gegen die Sachsen halten. Sitzplatz-Tickets sind ausverkauft. Doch Stehplätze gibt es noch genügend. Gegen Hamm konnte man miterleben, was ein gutes Zusammenspiel zwischen Zuschauern und Team bewirken kann. Deshalb gilt auch für den kommenden Sonntag die Devise: Alle dabei für den Klassenerhalt in Liga Zwei!
Tore: Josip Eres (7/3), Valentino Duvancic, Mattis Michel, Marvin Mundus, Gabriel Viana (je 4), Daniel Hideg (3), Julius Fanger (2) Janko Kevic (1)
Fotos: A.Domian und TV Hüttenberg/HBL