Als der TuS Ferndorf am 26.Dezember 2019 die Barclays-Arena in Hamburg enterte und einen sensationellen 20:24 Auswärtssieg feierte, war allen klar, dass dieses Team sich einen Platz in den Ferndorfer Geschichtsbüchern gesichert hatte. Doch was macht man anno 2024 mit einem Aufstiegsteam, dass mit der klaren Zielsetzung in die Saison startet, irgendwie genügend Punkte zu sammeln um am Ende über dem Strich zu stehen – dann aber am 7. Spieltag die außergewöhnliche Chance hat, für ca. 23 Stunden auf Platz 1 zu springen und erstmals Tabellenführer der 2.HBL zu werden?. Der Vater des Erfolges, Chefcoach Ceven Klatt, nimmt allen Träumereien sofort den Wind aus den Segeln: „Wir sprechen von einer Momentaufnahme. Aber ja, natürlich wollen wir den Flow nutzen und so viele Punkte wie möglich sammeln. Punkte gegen den Abstieg!“
„Loft offs Kärnche“ – ein Ausspruch den in und um Hüttenberg jeder Handballfan kennt. Seinen Ursprung hat dieser Spruch 1976 und ist doch aktueller denn je. Denn der traditionsreiche TV Hüttenberg ist einer von drei Gründungsmitgliedern der 1966 ins Leben gerufenen Bundesliga, die auch heute noch in der 2.HBL um Punkte spielen. Nach starkem Wellengang aufgrund finanzieller Schwierigkeiten im Herbst 2023, hat die hessische Kogge wieder eine handbreit Wasser unterm Kiel. Klatt beschreibt es treffend, wenn er sagt: „Ein physisch starkes Team, welches eine hohe Bereitschaft an den Tag legt Zweikämpfe zu führen. Dazu macht es die 3:2:1 Deckung der Hüttenberger jedem Gegner schwer“ – Ceven Klatt hat Respekt vor den Mittelhessen. Und dieser Respekt ist durchaus begründet. Im Tor hatte man sich von Eigengewächs Simon Böhne schon verabschiedet. Doch durch den kurzfristigen Abgang des schweizerischen Nationaltorhüters Leonard Grazioli hatten die Hessen wieder Bedarf auf der Torhüter-Position. Und Böhne war schneller wieder im Geschäft wie er gucken konnte. Und zahlt dies aktuell Woche für Woche mit überragenden Leistungen zurück. 2022 ist den Verantwortlichen des TVH ein echter Coup gelungen. Mit dem damals 19-jährigen Paul Kompenhans holte man ein großes Talent aus Melsungen ins Sportzentrum nach Hüttenberg. Und inzwischen ist Kompenhans, dem auch Klatt attestiert „Dreh- und Angelpunkt zu sein“, in die Rolle von Ian Weber hineingewachsen. Den langjährigen Denker und Lenker des Hüttenberger Spiels hat es indes zu GWD Minden verschlagen. Neben dem tschechischen Kreisläufer Vit Reichl und dem aus Gummersbach hinzugestoßenen Paul Ohl auf der halblinken Angriffsseite, ist es vor allem die Linkshänder-Fraktion, die beim hessischen Nachbarn herausragt. Niklas Theiß auf der Halbposition darf durchaus zur Creme de la Creme auf dieser Position in Liga Zwei gezählt werden. Trainiert wird das Hüttenberger Ensemble vom 73-fachen deutschen Nationalspieler Stefan Kneer.
Beim TuS Ferndorf weiß man eigentlich nicht wo man mit dem Loben anfangen, resp. aufhören soll. Bei den beiden Keepern, die sich perfekt ergänzen und Woche für Woche mit Top-Quoten aufwarten? Oder beim Kapitän Mattis Michel, der durch die Verletzung Valentino Duvancics noch mehr in Abwehr und Angriff gefordert ist und alles fürs Team gibt? Beim Motor des TuS-Spiels, dem kroatischen Alt-Internationalen Janko Kevic, der seinen x-ten Frühling erlebt? Beim Top-Torschützen Daniel Hideg, der körperlich aktuell gar nicht bei 100% agiert und trotzdem die interne Torschützenliste anführt? Oder vielleicht bei Marvin Mundus, dem deutschlandweit gewählten „Torschützen des Monats September“? Egal wo, es wäre falsch einen einzelnen Spieler auf den Thron zu heben. Denn aktuell ist es vor allen Dingen der Teamgeist, der diese Mannschaft von Sieg zu Sieg trägt. Einsatz, Wille, Teamspirit – oft benutzte Schlagwörter, die von den Jungs aus dem handballverrückten Dorf im Siegerland aktuell gelebt werden wie fast nie zuvor. Der Coach hat sich wie immer etwas für den Gegner überlegt und umreißt die vergangene Trainingswoche folgendermaßen: „Wir wollen Hüttenberg eine maximal hohe Hürde sein. Erarbeitet haben wir uns Lösungen und Abläufe gegen die 3:2:1 Abwehr. Gerne wollen wir diese Abwehr vor Aufgaben stellen!“ Zu der Situation Jonas Wildes aus dem Hamm-Spiel, als er mit dem Tempogegenstoß laufenden Fabian Huesmann kollidierte, äußerte sich der Coach voller Zuversicht: „Jonas hat den Schreck gut überstanden. Es ist nichts kaputt und er war beim Training schon wieder bei bester Laune.
Und diese gute Laune bringen hoffentlich auch alle Zuschauer am Samstagabend mit in die Stählerwiese. Beim ersten Spiel gegen Dormagen war die Stimmung schon fantastisch. Bei den beiden darauffolgenden Heimspielen gegen Großwallstadt und Nettelstedt wurde das jeweils noch getoppt. Man möchte gar nicht weiter denken, doch die Jungs in Rot und Weiß brennen schon auf ihren Heimauftritt und sind heiß auf das nächste Handball-Spektakel in der Stählerwiese. Da auch einige Fans aus dem nur 90 Kilometer entfernten Hüttenberg anreisen werden, wird einer tollen Stimmung nichts im Wege stehen. Die Sitzplätze in der Stählerwiese sind bereits ausverkauft. Es gibt aber noch Stehplatzkarten an der Abendkasse. Und es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn der aktuelle Tabellenzweite der 2.HBL nicht auch den Lohn in Form eines Wortes mit elf Buchstaben einfahren dürfte: Ausverkauft! Prickelnde Atmosphäre in Kreuztals bester Stube ist garantiert, wenn es am Samstagabend um 18 Uhr heißt: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !
WISSENSWERTES
Gegner: TV Hüttenberg
Einwohner Hüttenberg: 11.000 (zum Vergleich: Ferndorf = 3.900)
Heimspielstätte: Sportzentrum Hüttenberg – 1.450 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: blau/rot
größte Erfolge: 4. Platz Bundesliga 1980, Platz 23 in der „Ewigen Tabelle der Handball-Bundesliga“