Was ist das bitte schön für eine zweite Liga? Vierzehn ehemalige Erstligisten sorgen Woche für Woche für ein wahnsinnig hohes Niveau. Und unter diesen vierzehn Vereinen gibt es sogar drei Vereine mit Meister-Meriten und fünf Vereine, die (mindestens) einen Pokalsieg im Briefkopf verewigt haben. Der erfolgreichste unter den oben Genannten ist zweifelsfrei ein Schwergewicht aus den 70-er und 80-er Jahren. Wenn man damals einen Nachwuchshandballer nach den besten Vereinen Deutschlands fragte, kamen nicht die Füchse Berlin oder der THW Kiel zur Sprache. Nein, in diesen beiden Jahrzehnten gab es in Handball-Deutschland zwei Spitzenvereine: den VfL Gummersbach und den TV Großwallstadt.
Und eben dieser TV Großwallstadt ist am Sonntagnachmittag um 17 Uhr Gastgeber für ein weiteres richtungsweisendes Spiel der Mannen von TuS-Coach Ceven Klatt. Am 20.September vergangenen Jahres besiegte die TuS-Equipe den Altmeister im Hinspiel mit 34:29. Doch der Coach der Siegerländer Handballer warnt vor dem neuformierten TVG: „Das ist ein ganz anderer TV Großwallstadt als noch im Hinspiel.“ Und wahrlich – es hat sich viel getan am Untermain. Coach Michael „Schorle“ Roth musste nur eine Woche nach dem Ferndorf-Spiel gehen. Nachfolger wurde der gebürtige Hesse André Lohrbach, der zuvor den TSV Altenholz in der 3.Liga Nord-Ost und die U19 des THW Kiel coachte. Ein mittelschweres Beben erschütterte den Verein aus Unterfranken dann im Dezember, als Starspieler Nils Holger Kretschmer des Dopings überführt und anschließend freigestellt wurde. Doch allen Unkenrufen zum Trotz, scheint das keinen nachhaltigen Schaden hinterlassen zu haben. Auf die Trennung Kretschmers und einige Verletzte reagierte der Verein mit Neuzugängen, die fast allesamt überzeugen. „Mit Ben Connar Battermann, Tobias Buck, Yessine Meddeb und auch dem lange verletzten Mario Stark haben sie ein brandgefährliches Eins gegen Eins und kommen viel besser in die Bewegung“, hat Klatt durchaus Respekt vor den TVG-Neuzugängen. Dabei sticht ein Spieler bereits seit Saisonbeginn heraus, den Klatt in den höchsten Tönen lobt: Patrick Gempp. Gempp hat als Kreisläufer die meisten Feldtore erzielt, spielt vorne wie hinten eine exponierte Rolle und zieht im Angriff manche Zeitstrafe und manchen Siebenmeter. Schwerstarbeit für den Ferndorfer Deckungsverbund.
Und dieser Deckungsverbund bekommt wieder Zuwachs. Neben Neuzugang Malte Nolting, den Klatt mit Spielzeit betrauen will, kehrt Daniel Hideg in den Kader zurück und gibt seinem Trainer eine weitere Möglichkeit zum Wechseln an die Hand. Was aber erst einmal schwer wird, da die beiden Kreisläufer, Valentino Duvancic und Kapitän Mattis Michel, in der zweiten Halbzeit gegen Essen ein tolles Spiel hingelegt haben. „Nach dem Dormagen-Spiel haben sie es gegen den TuSEM gut gemacht, aber da geht noch mehr“, kitzelt Klatt die Seinen und legt nach: „Wir hatten einen guten Start in die Trainingswoche bei bester Stimmung. Dazu hatten wir in der letzten und dieser Woche die Möglichkeit, im Training Sechs gegen Sechs spielen zu lassen, was ungemein wichtig für eine hohe Trainingsintensität ist.“ Gempps Pendant auf Ferndorfer Seite, Mattis Michel, sorgt weiterhin für das fast perfekte Spiel. Eine Wurfquote von über 82% ist selbst in dieser starken zweiten Liga ein Ausnahmewert! Was beim Ferndorfer Training dieser Tage immer mal wieder zur Sprache kommt, ist die Anfangsphase der Partien. Oft genug haben die Jungs vom Kindelsberg die ersten Minuten einer Partie verschlafen und mussten einem Rückstand hinterherlaufen. Das soll der Vergangenheit angehören. Hellwach von Beginn an lautet das Motto für die noch anstehenden fünfzehn Rückrundenspiele. Für Sonntag steht, nach einem trainingsfreien Samstag, aber erst einmal Ausschlafen auf dem Programm, bevor sich um 13:15 Uhr der TuS-Tross gen Bayern in Bewegung setzt.
„Ein emotionales Spiel in einer tollen Atmosphäre“ – Klatt weiß nur allzu genau, was die Seinen in der Untermainhalle Elsenfeld erwartet. Und beim Tabellendreizehnten möchte der Tabellenzehnte nur allzu gerne reüssieren. Denn nach dem schweren Auswärtsspiel in Großwallstadt wartet auf die Rot-Weißen das Heimspiel gegen den Tabellenletzten aus Konstanz. Punkte sammeln wie das berühmte Eichhörnchen den Wintervorrat, das muss die Parole des TuS Ferndorf für die nächsten Wochen sein. Denn dass, so wie früher, zwanzig Punkte zum Klassenerhalt reichen, das ist in dieser verrückten Liga längst Makulatur. 25 plus X – niemand weiß so genau, welche Punktzahl am Ende vonnöten ist um die Klasse zu halten. Umso besser, wenn die TuS-Equipe früh genug das Eichhörnchen mimt und fleißig sammelt. Wer am Wahlsonntag den Weg in den Großraum Aschaffenburg auf sich nimmt, gibt mit Sicherheit stimmlich live vor Ort sein Bestes. Die anderen TuS-Fans haben wie immer die Chance, das Spiel live beim Streamingdienst DYN zu verfolgen. Doch ganz egal, ob in der Halle, vor dem Fernseher, an der Wahlurne oder im Herzen. Für Alle gilt: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !
WISSENSWERTES
Gegner: TV Großwallstadt
Einwohner Großwallstadt: 4.100 (zum Vergleich: Ferndorf = 3.900)
Heimspielstätte: Untermainhalle, Elsenfeld – 2.500 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: blau-weiß
größte Erfolge: 2x Europapokalsieger der Landesmeister,
6x Deutscher Meister, 4x DHB-Pokalsieger