Die TuS-Equipe gastiert bei der Ruhrpottschmiede

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Machen wir eine Zeitreise ins Jahr 1986. Im Siegerland spielt der TuS Ferndorf bei Spitzenspielen vor weit über 1.000 Zuschauern. Aber die Spielklasse ist leider nur die damalig fünftklassige Verbandsliga. Im Ruhrpott dagegen schickt sich ein Verein an, die Dominanz der beiden Abonnementmeister aus Gummersbach und Großwallstadt zu brechen – der TuSEM Essen. Die erste deutsche Meisterschaft des Ruhrpottclubs brachte den Handball von der Provinz in die Metropolen. Und TuSEM Essens erste Meisterschaft 1986 war der Beginn einer Ära. Zwei weitere Meisterschaften, drei Pokalsiege und drei Europapokalsiege ließen die Ivanescu-Schützlinge folgen. Stefan Hecker und Jochen Fraatz sind jedem Handballfan dieser Zeit ein Begriff. Ebenfalls Teil der goldenen Essener Zeiten war ein gewisser Alfred Gislasson – aktueller deutscher Nationaltrainer. Und last but not least der gebürtige Siegerländer Jörn-Uwe Lommel. 2005 bekam der Traditionsclub aus dem Pott dann keine Bundesliga-Lizenz mehr. Man war auf einen windigen Geschäftsmann hereingefallen, der Jahre später sogar zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Der Erfolg kehrte dem TuSEM den Rücken. Drei Mal noch gelang die Rückkehr in die Beletage des deutschen Handballs. Von Dauer waren diese Intermezzi aber nie. 

Und so treffen die Michel & Co. am Freitagabend um 19 Uhr auf einen etablierten Zweitligisten mit viel Qualität, wie auch Ferndorfs Coach Ceven Klatt anmerkt: „Jedes Jahr wird ihnen eine schwere Saison vorhergesagt. Aber jedes Jahr schaffen sie es ins gesicherte Mittelfeld.“ Und dass die Essener die herbe Auftaktpleite beim Meisterschaftsfavoriten BHC insbesondere vor heimischer Kulisse ausbügeln wollen, dafür braucht man kein Prophet zu sein. „Max Neuhaus, den ich bereits bei den Eulen Ludwigshafen trainiert habe, ist Dreh- und Angelpunkt des Essener Spiels. Dazu haben sie mit Felix Göttler und Alexander Schoss junge, wurfgewaltige Spieler im Rückraum“, hat Klatt durchaus Respekt vor der Ruhrpottschmiede, wie sich die Essener selbst nennen. Nur vier Spieler im 21 Mann umfassenden Kader sind im vergangenen Jahrhundert geboren. Am Sportpark Hallo wird also auf die Jugend gesetzt. Und dafür hat man sich den passenden Trainer geholt. Daniel Haase, gebürtiger Essener und viele Jahre für den TuSEM aktiv, hat nach einigen Jahren als Leiter des Nachwuchszentrums und Trainer der A-Jugend der Rhein-Neckar-Löwen, den Weg zurück in den Ruhrpott gefunden. Und wenn er auch auf dem Feld mit vielen jungen Akteuren arbeitet, so kann Haase im Tor auf viel Erfahrung und Qualität bei zwei Neuzugängen bauen. Neben dem Schweizer Dennis Wipf, der mit Pfadi Winterthur regelmäßig im Europapokal gespielt hat, ist natürlich auch Dominik Plaue zu nennen. Dieser bringt Erfahrung aus erster und zweiter Liga mit und spielt seit Jahren auf höchstem Niveau.

Dem wollen die Siegerländer Handballer natürlich ihr Bestes entgegensetzen. Videostudium hat der Coach dafür betrieben: „Aber eher das DHB-Pokal-Spiel und das Vorbereitungsspiel gegen Dormagen, da das für mich mehr Aussagekraft hat wie die Auftaktniederlage beim BHC.“ Zu diesem Unterfangen stehen Klatt die gleichen Spieler zur Verfügung wie vor Wochenfrist. Und genau da gilt es anzuknüpfen. An die Abwehrleistung aus Hälfte Zwei und die Angriffsleistung in der Schlussviertelstunde, als Janko Kevic, der bis zu diesem Zeitpunkt eine durchwachsene Partie gespielt hatte, groß auftrumpfte und seine Mitspieler hervorragend in Szene setzte. Nutznießer waren Neuzugang Hampus Dahlgren auf Linksaußen, dessen emotionale Art der Coach noch einmal ausdrücklich lobte, und der ansonsten nicht ganz so viel Spielzeit erhaltende Paul Schikora auf der Gegenseite. Ausdrückliches Signal dafür, dass der TuS Ferndorf in der Spielzeit 2024/25 auf jeder Position doppelt gut besetzt ist. Dass er allerdings ohne Qualitätsverlust durchwechseln kann, hört der Meistercoach nicht so gern. Spricht er doch in diesem Zusammenhang viel lieber von den unterschiedlichen Qualitäten, die die einzelnen Spieler ins Spiel einbringen. Und so gilt beim ersten Auswärtsauftritt der Zweitliga-Saison 2024/25 die Devise, dass die Abwehrleistung stimmen muss und man über Ballgewinne ins Tempospiel kommen will. „Um aus Essen was mitzunehmen brauchen wir die Abwehrleistung aus der zweiten Halbzeit vom Dormagen-Spiel und auch wieder eine gute Torhüter-Leistung“, hat Klatt den Seinen schon die Aufgaben für Freitagabend ins Pflichtenheft geschrieben.

Knapp 1 200 Zuschauer waren vergangenen Samstag Augenzeuge des ersten Ferndorfer Saisonsieges. Und nicht wenige werden den aktuellen Tabellendritten, der zweifelsfrei nicht aussagekräftigen Tabelle, ins 120 Kilometer entfernte Essen begleiten. Also alles wie immer? Mitnichten, denn selbst in Liga Zwei wird das reisefreudige Ferndorfer Publikum immer wieder für Erstaunen sorgen, ob der Anzahl der mitgereisten Fans. Für alle die, die es nicht nach Essen schaffen, sei an dieser Stelle der Hinweis auf den Sport-Streamingdienst DYN gestattet. Dort werden alle Ferndorfer Spiele in der zweiten Liga live gezeigt. Und egal wo, am sagenumwobenen Freitag den Dreizehnten, mitgefiebert wird heißt es dann wieder: Scream for your team – alle dabei in Liga Zwei ; mit der #familieferndorf, mit der #familietus !


WISSENSWERTES
Gegner: Turn- und Sportverein Essen-Margarethenhöhe
kurz: TuSEM Essen
Einwohner Essen: 597.000 (zum Vergleich: Ferndorf = 3.900)
Heimspielstätte: Sporthalle „Am Hallo“ – 2.600 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: rot-weiß
größte Erfolge: Deutscher Meister ’86, ’87 + ’89, Deutscher Pokalsieger ’88, ’91 + ’92, Europapokal der Pokalsieger ’89,  EHF-Pokal 2005

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