Alle die, die am Samstagabend zum Heimspiel des TuS Ferndorf gegen Elbflorenz in die Stählerwiese wollen, haben große Befürchtungen. Und zwar dahingehend, dass die Mannschaft von Coach Robert Andersson weiter Fahrt aufnimmt bei ihrer Berg- und Talfahrt. Tollen Auftritten folgten zuletzt krachende Niederlagen. Dem Gesetz der Serie folgend, wurde am Mittwochabend der TV Hüttenberg eindrucksvoll besiegt. Nun liegt es an den Mannen um den Käpitän Julian Schneider, zu zeigen dass dies nicht wirklich Seriencharakter hat.
Gegen den TV Hüttenberg offenbarten die Rot-Weißen ein Gesicht, welches sich Verantwortliche und Fans viel öfter erhoffen. Den Mittelhessen fehlte zwar ihr Spielgestalter und Top-Torschütze Dominik Mappes. Doch der Rest des Kaders hat trotzdem hohe Qualität und muss erst einmal besiegt werden.
Christoph Neuhold war sich seiner Position im Team bewusst. Als international erfahrener Spieler nahm er zu Beginn des Spiels das Heft in die Hand und eröffnete auch den Torreigen. Obwohl sein Pendant auf der anderen Seite, Andreas Bornemann, heiß lief, gelang es den Rot-Weißen nicht davonzuziehen. Branimir Koloper musste in der 9. Minute seine erste Hinausstellung quittieren. Doch die anschließende Unterzahl gewann die TuS-Equipe sogar durch ein Tor, mit ganz viel Übersicht, von Jörn Persson. 7:5 lautete der Zwischenstand in der 11. Minute und der 22-jährige Mittelmann zeigte zum wiederholten Male in den letzten Wochen eine starke Partie. Was folgte war eine richtig gute Phase der Nordsiegerländer. Als Christoph Neuhold zum 9:5 (13.) traf, rieb sich manch ein Fan auf der Tribüne verwundert die Augen. War das der gleiche TuS Ferndorf, der vor vier Tagen in Coburg eine krachende Niederlage hinnehmen musste? Doch es folgte eine Phase die so gar nicht nach dem Geschmack von Andersson war. Koloper musste eine zweite, höchst umstrittene, Hinausstellung hinnehmen bei der er allerdings gar nicht der Übeltäter war. Eine herbe Schwächung für das Abwehrgebilde, welches bis dahin vom Innenblock Koloper/Michel hervorragend zusammengehalten wurde. Apropos Mattis Michel – wie sich der gebürtige Ferndorfer vorne wie hinten aufrieb, arbeitete, Räume schaffte und noch Siebenmeter herausholte, war beeindruckend. Eine Leistung aus der ganz hohen Schublade in Liga Zwei! Doch in der oben angesprochenen Phase war Sand ins Ferndorfer Getriebe gekommen. Hüttenberg nutzte die Überzahl, währenddessen Rutger ten Velde und Josip Eres von Links-, bzw. Rechtsaußen am Pfosten scheiterten. Aus dem 9:5 war ein 9:8 (17.) geworden. Bornemann war es dann, der sich für das kleine Derby augenscheinlich ganz viel vorgenommen hatte. Drei Mal in Folge tankte er sich unnachahmlich durch und stellte den alten Vier-Tore-Abstand wieder her. Das Geburtstagskind auf der Hüttenberger Bank, Coach Johannes Wohlrab wurde am Spieltag 36 Jahre alt, fand dann aber langsam die richtigen Stellschrauben gegen das Siegerländer Offensivfeuerwerk. Zwischen der 22. und 30.Minute fand nur noch Neuhold eine Lücke im Hüttenberger Abwehrverbund. Initiiert vom Fanclub Brigade C stand die Halle trotzdem wie ein Mann hinter dem Team. Minutenlange „Auf gehts Ferndorf kämpfen und siegen“ Sprechchöre schallten durch die altehrwürdigen Mauern der Stählerwiese. Ein 13:11 zeigte schlussendlich die Anzeigetafel beim Gang in die Halbzeitpause.
Ein bisschen Angst und Bange war den TuS-Fans ob der Vorstellung ihres Teams in den Minuten vor der Halbzeit. Als dann kurz nach Wiederbeginn der Hüttenberger Niklas Theiß auf 13:12 stellte, kamen Gedanken an so manches Spiel aus der Hinrunde auf. Doch was sich dann zwischen der 32. und 52.Minute auf dem Parkett abspielte, hatte man selbst im Hexenkessel schon lange nicht mehr gesehen. Angetrieben von einer fantastischen Stimmung spielten die TuS-Jungs den TV Hüttenberg einmal aus den Schuhen und dann wieder rein. Der Hexenkessel war kurz vor der Explosion !! Im Tor war Lucas Puhl quasi nicht mehr zu bezwingen. Selbst an die unmöglichsten Würfe der Hessen brachte der Zerberus noch ein Körperteil, und es waren sicherlich fünfzehn bis zwanzig Minuten, die selbst „Puhlic“ im Ferndorfer Kasten so schnell nicht vergessen wird. Michel, Eres, Bornemann, ten Velde – es waren fast alle Spieler am nun folgenden Torreigen beteiligt. Eine mannschaftliche Geschlossenheit und der unbedingte Wille zum Sieg bescherten den Zuschauern ein Saisonhighlight. Über 17:13 (36.), 19:14 (40.) und 22:15 (45.) hatten sich die Schneider & Co. längst in einen Rausch gespielt. Alles, aber auch wirklich alles klappte bei den Rot-Weißen, während die Hüttenberger ihrerseits alle möglichen Aufstellungsvarianten durchspielten. Doch gegen dieses Team des TuS Ferndorf war an diesem Abend kein Kraut gewachsen. Als dann Koloper, mit seinem Tor zum 26:15 in der 52.Minute, sein zweites Saisontor mit einem klitzekleinen Kempa erzielte, mussten die Mittelhessen gar ein Debakel fürchten. Das was die Spieler des TuS Ferndorf zwischen der 32. und 52.Minute aufs Feld gezaubert hatten, war einer Mannschaft aus den oberen Tabellenregionen würdig. Spielt man in den letzten Spielen einen ähnlichen Ball, wird es höchstwahrscheinlich zur großen Nichtabstiegsfeier reichen. Dass die Hüttenberger zum Schluss mit einer offensiven Manndeckung agierten, und vor allem in Person von Ryuga Fujita verkürzen konnten, wird man im Lager der Rot-Weißen verschmerzen. So wurde aus dem 26:15 innerhalb der letzen acht Minuten ein 30:23 Sieg.
856 Zuschauer waren Zeuge eines denkwürdigen Handballabends in der Stählerwiese. Was einfach nicht fallen will seit der Umbaumaßnahmen/Pandemie ist die Marke von 1.000 Zuschauern. Doch genau das hat sich das Team verdient. Ein Zuschauerzuspruch jenseits der magischen Marke am kommenden Samstag gegen Elbflorenz. So hoffen auch die Verantwortlichen, dass am 4.Juni, nach dem letzten Heimspiel der Saison, eine große Nichtabstiegsfeier gestartet werden kann. Die Voraussetzungen dafür werden gerade auf den 800 Quadratmeter Hallenboden geschaffen. Wenn der Hexenkessel weiter seine Wirkung entfaltet, könnte es also bald heißen: Gemeinsam dabei in Liga Zwei!
Tore: Andreas Bornemann (10), Rutger ten Velde (6/2), Christoph Neuhold (6), Jörn Persson (3), Josip Eres (2), Kim Voss-Fels, Mattis Michel, Branimir Koloper (je 1)
Fotos: Mathias Lehmann und TuS Ferndorf