Es hatte was von einem Asterix-Comic. Das kleine gallische Dorf aus dem Siegerland war in die sächsische Bundeshauptstadt gereist, um gegen einen hoch favorisierten Gastgeber sein Glück zu versuchen. Dass dieser Versuch am Ende mit einem Punktgewinn gekrönt wurde, lag nicht an einem wild zusammengemixten Zaubertrank. Vielmehr könnte man im Nachgang das Ganze auch übertiteln mit: Can Adanir und seine Abwehrmannen erobern Elbflorenz! Ceven Klatt formulierte es hingegen folgendermaßen: „Ein überragender Auswärtspunkt mit einer super Abwehrleistung von der 18.-60.Minute!“
Was Ferndorfs Coach damit andeutete, war der ernüchternde Start in das Mittwochabend-Spiel. Im Angriff leisteten sich die Michel & Co. zu viele unvorbereitete Würfe. Und in der Abwehr bekam man keinerlei Zugriff, was auch Klatt ansprach: „Elbflorenz macht in dieser Phase unglaublich viel Druck. Wir stehen nicht hoch genug und sind zu passiv.“ Und so ging die Anfangsphase dahin. Nach einem 2:2 in der 6.Minute, über 6:3 (11.) bis hin zur bereits angesprochenen 18.Minute (10:4). Klatt war zu einer Auszeit gezwungen. Robin Cantegrel, der Franzose im Tor der Gastgeber, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Paraden verbucht. Mit leichter Verzögerung zeigte dann die Auszeit Wirkung. Der Abwehrverbund zeigte sich griffiger – einer arbeitete für den anderen und im Tor stand Can Adanir seinem Gegenüber nun in nichts mehr nach. Bis zur Halbzeit sorgten Paul Schikora, Fabian Hecker, Daniel Hideg und Gabriel Viana für einen 4:1 Zwischenspurt der Mannen vom Kindelsberg, so dass der Halbzeitstand von 11:8 alle Möglichkeiten für die zweite Hälfte offen ließ. „Wir haben uns in der Pause vorgenommen, um jedes Tor zu kämpfen“, gab Klatt einen kleinen Einblick in seine Ansprache beim Pausentee.
Die zweiten dreißig Minuten begannen mit zwei Toren des Entscheiders aus dem Hamm-Spiel, Daniel Hideg. Letzte Woche noch mit einer schlechten Quote behaftet, traf der gebürtige Hockenheimer dieses Mal wieder die goldrichtigen Entscheidungen und führte sein Team auf 11:10 (34.) heran. Doch der Ausgleich wollte noch nicht fallen. Das passierte erst, als man vom Spiel mit vier Rückraumspielern wieder auf die gewohnte Formation änderte, und Mattis Michel seine Chancen zu zwei blitzsauberen Toren nutzte (12:12, 38.). Doch es sollte noch sechs Minuten dauern, bis Hideg beim 15:16, mit einem Treffer aus der eigenen Hälfte ins verwaiste Dresdner Tor, zur ersten Ferndorfer Führung traf. Hinten rührten die Hecker, Hideg, Michel & Würz nun Beton an. Und alles was dann noch durchkam, wurde zur Beute eines Adanirs, der sich in die Köpfe der Dresdner Spieler geschlichen hatte. In der ersten Halbzeit schon mit teils spektakulären Paraden aufwartend, entschied Adanir das Torwart-Duell nun mehr und mehr für sich. Dresdens Coach André Haber hatte früh in Hälfte Zwei versucht gegenzusteuern. Klatt nahm nach 45 Minuten die nächste Auszeit. Man hatte Blut geleckt im Lager der Siegerländer Handballer. Jetzt wollten die Michel & Co. mehr! Hecker traf zum 16:17. Und wären nicht Pech beim Abschluss und ein technischer Fehler hinzugekommen, wäre das Spiel möglicherweise komplett in Richtung der Ferndorfer gekippt. Pünktlich zur Crunch-Time egalisierte Dresdens Justin Döbler zum 17:17. Nun legte die TuS-Equipe wieder vor. 17:18, 18:19, 19:20 – bis Heimcoach Haber 100 Sekunden vor Ende der Partie eine Auszeit nahm. Der HC Elbflorenz glich aus und mit dem nächsten Angriff würde sich entscheiden, für wieviel Zählbares die Jungs aus dem handballverrücktesten Dorf des Siegerlandes in Frage kommen. Hideg zog eine Minute vor dem Ende das Foul, das in einem Siebenmeter mündete. Doch wer sollte diesen Strafwurf verwandeln? Eres hatte früh im Spiel an Paul Schikora übergeben und Hampus Dahlgren war an Dresdens Keeper gescheitert. Janko Kevic, der Denker und Lenker im Ferndorfer Spiel, übernahm die Verantwortung und netzte zum 20:21. Doch dreißig Sekunden vor dem Ende sorgte der litauische Nationalspieler in Diensten der Sachsen, Mindaugas Dumcius, für den erneuten Ausgleich. Letzer Angriff für die Michel & Co. und Auszeit Klatt acht Sekunden vor dem Ende. Kein Risiko gehen, kein Sieben gegen Sechs – lieber einen Punkt als keinen. Doch Kevic sieht die Lücke, scheitert am Keeper, wird aber beim Torwurf gefoult. Siebenmeter in der Schlusssequenz des Spiels. Kevic, der Alt-Internationale, übernimmt die Verantwortung und scheitert denkbar knapp. Klatt war nach dem Spiel hörbar zufrieden, stolz auf seine Jungs, die Arbeit im Deckungsverbund und ein Extra-Lob hatte er noch für Can Adanir parat.
Nun geht die englische Woche am Sonntagnachmittag weiter, wenn um 17 Uhr der Bundesliga-Absteiger HBW Balingen-Weilstetten zu Gast ist. Und wie verrückt diese zweite Liga in diesem Jahr ist, zeigen die Ergebnisse des Mittwoch-Spieltags. Bis auf den Tabellenletzten aus Konstanz haben alle Teams aus dem Tabellenkeller gepunktet. Während der Tabellenführer vom Bergischen HC eine überraschende Niederlage in Großwallstadt einstecken musste, zeigte sich auch der sonntägliche Gegner nicht in Galaform. Die Balingen-Weilstetter mussten sich gegen den Tabellenfünfzehnten aus Nordhorn mit einem Remis begnügen. Da also in diesem Jahr wahrscheinlich mehr als zwanzig Punkte vonnöten sein werden um die Klasse zu halten, muss die TuS-Equipe weiterhin das Optimum aus den Spielen herausholen. Und vielleicht ist mit dem Hexenkessel im Rücken ja auch gegen die Baden-Württemberger was zu holen. Da Kai Brückmann im letzten Heimspiel nicht das lang ersehnte Wörtchen „Ausverkauft!“ ins Mikro rufen konnte, ist es ihm ja vielleicht am Sonntag zu ungewohnter Anwurfzeit vergönnt. Die Mannschaft hat es sich jedenfalls redlich verdient – Alle dabei für Liga Zwei !!
Tore: Daniel Hideg (8), Mattis Michel (3), Fabian Hecker, Paul Schikora, Gabriel Viana (je 2), Janko Kevic (2/1), Julius Fanger, Marvin Mundus (je 1)
Fotos: HC Elbflorenz / 2.HBL