Er stiftet Zusammengehörigkeit, er überbrückt Gräben, er erzürnt, er beruhigt, er gehört bei vielen zur Familie – der Verein mit dem man Woche für Woche leidet. Ob mit Oma oder Opa, auf den Schultern von Papa oder an der Hand von Mama, vielleicht aber auch auf die Empfehlung von Freunden oder Arbeitskollegen hin: Das erste Mal in die Stählerwiese gekommen. Die Atmosphäre des Hexenkessels gespürt und in sechzig Minuten sein Herz an die Männer in den rot-weißen Trikots verloren. Gespürt was es heißt, wenn über eintausend Zuschauer das Gleiche wollen. Nun gilt es in der Saison 2024/25 noch drei Mal Schulter an Schulter alles zu geben. Die Jungs auf dem Feld, ihr Herz für den Verein dessen Trikot sie tragen. Und wenn dann der Funke wieder einmal überspringt, wird auch der ligaweit gefürchtete Hexenkessel seine Atmosphäre entfalten und die Michel & Co. zum letzten, alles entscheidenden Schritt Richtung Klassenerhalt tragen.
Anfang Mai war es soweit. Der Bergische HC, von vielen Experten schon vor der Saison auf Platz Eins getippt, sicherte sich den Meistertitel in Liga Zwei. Ein Verein, der elf der vergangenen dreizehn Spielzeiten in der Beletage des deutschen Handballs verbrachte. Zwei Abstiege wurden, ähnlich wie in dieser Saison, mit dem sofortigen Wiederaufstieg korrigiert. „Es erwartet uns die mit Abstand stärkste Mannschaft der Liga. Eine große Herausforderung, auf die wir uns freuen“ – Ferndorfs Coach Ceven Klatt gerät nahezu ins Schwärmen, wenn er vom BHC im Allgemeinen und „der Linie mit Rudeck, Maldonado und Seesing“ spricht. Gemeint sind Torhüter und Ex-Nationalspieler Christopher Rudeck. Spielgestalter, Vorlagengeber und Torschütze in Personalunion Eloy Morante Maldonado. Sowie der am letzten Wochenende in der Nationalmannschaft debütierende Kreisläufer mit Gardemaß, Aron Seesing. Sich allerdings nur auf diese Drei zu beschränken würde dem Rest nicht gerecht. Djibril M’bengue beispielsweise, 19-facher deutscher Nationalspieler auf Halbrechts, hat schon 92 Saisontore auf dem Konto. Tomas Babak, der erfahrene Tscheche im Rückraum, hat bereits über 100 Länderspiele für sein Land bestritten. Und auf den Außenbahnen reüssieren regelmäßig Noah Beyer und Yannick Fraatz, Sohn von Altmeister und TuSEM Essen Legende Jochen Fraatz. Doch die Flinte ins Korn schmeißen will Klatt, ob der Qualität im Kader der Bergischen, dann doch nicht: „Wir können in diesem Spiel nur gewinnen. Aber auch wenn der BHC vor Selbstbewusstsein nur so strotzt, werden wir die Punkte garantiert nicht abschenken!“
Dafür haben sich die Rot-Weißen auch selber noch zu viele Ziele gesetzt. In der Stählerwiese weiterhin unbesiegt zu bleiben in der Rückrunde wäre zum Beispiel eines. Ein weiterhin ausgeglichenes Punktekonto ein anderes. „Wir spielen zu Hause. Da müssen wir nochmal kämpferischer, motivierter und emotionaler sein“, weiß Klatt, auf welche Tugenden es Samstagabend ankommen wird. Dabei steht ihm der gleiche Kader zur Verfügung wie in den vergangenen Spielen. Gabriel Viana ist zwar erschöpft, dafür aber glücklich, zufrieden und ohne Verletzung von der portugiesischen Nationalmannschaft zurückgekehrt. Und die Verletzung Marvin Mundus‘ aus dem Lübeck-Spiel war nicht so schlimm wie anfangs vermutet. Klatt ließ auch einen Einblick in die Stimmungslage nach dem Spiel zu: „Wir waren in Lübeck souverän, haben sechzig Minuten stark verteidigt, kühlen Kopf bewahrt und waren ungemein diszipliniert. Da hatten sich die Jungs die schöne, sehr stimmungsvolle Rückfahrt auch verdient!“ So darf es für die Michel & Co. gerne weitergehen. Drei Heimspiele stehen noch auf dem Programm. Und vor dem Derby-Kracher am kommenden Freitag gegen Eintracht Hagen haben die Jungs vom Kindelsberg die maximal schwerste Aufgabe zu bewältigen. In den bisherigen dreizehn Spielen der Rückrunde haben die Blau-Weißen aus dem Städtedreieck Solingen-Remscheid-Wuppertal beeindruckende 26:0 Punkte eingesammelt. Dagegen halten will die TuS-Equipe mit altbekannten Mitteln. Dem in den letzten Spielen so extrem starken Abwehrverbund mit dem herausragend deckenden Innenblock. Sowie dem 397-Tore-Rückraum um Julius Fanger, Daniel Hideg, Janko Kevic und Marvin Mundus. Und dann ist da ja immer der Faktor Stählerwiese.
Denn dass der Hexenkessel den Männern aus dem handballverrücktesten Dorf des Siegerlandes ein paar Extraprozente liefern kann, betont Klatt immer wieder. Und rund um Kreuztals beste Stube ist inzwischen so etwas wie Handballeuphorie entstanden. Regelmäßig pilgern um die 1300 Zuschauer in die Stählerwiese. In den letzten drei Heimspielen der Saison macht man sich nicht unberechtigte Hoffnungen, auch mal wieder Ausverkauft melden zu dürfen. Sitzplätze sind für die letzten drei Saisonspiele bereits ausverkauft. Es gibt aber noch Stehplätze. Wenn man bedenkt, dass einen in den letzten Monaten die Heimauftritte der Michel & Co. sowieso regelmäßig von den Sitzen gerissen haben, vielleicht auch nicht die schlechteste Platzwahl, um die Jungs in Rot und Weiß anzufeuern. Damit es auch in der Zweitligasaison 2025/26 wieder heißt: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !
WISSENSWERTES
Gegner: Bergischer Handball-Club 06 – BHC
Einwohner Solingen & Wuppertal: 166000 & 359000 (zum Vergleich: Ferndorf = 3900)
Heimspielstätte: Unihalle Wuppertal – 3200 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: blau
größte Erfolge: Teilnahme am DHB-Pokal Final4 Turnier 2015/16
7. Platz in der Erstliga-Saison 2018/19