Die Metapher vom Sieg Davids gegen Goliath wird auch im Sport gerne bemüht, wenn ein Underdog den großen Favoriten herausfordert. Und ungleicher, als das Duell des Bundesligaabsteigers Bergischer HC gegen den Zweitliga-Aufsteiger TuS Ferndorf, kann es kommendes Wochenende in der 2.HBL nicht werden. Auf der einen Seite der Fusionsverein aus dem Bergischen, der in den letzten zehn Jahren neun Saisons lang Erstligist war. Und auf der anderen Seite der Dorfverein aus dem Siegerland, der sich im Sommer riesig gefreut hat, wieder Teil dieser unglaublich starken 2.HBL zu sein. Die Rollen sind im Vorfeld klar verteilt. Doch nur zum Mitspielen möchte TuS-Coach Ceven Klatt die Reise in die Wuppertaler Unihalle nicht antreten: „Natürlich wollen wir nicht mit dem BHC um die Wette rennen. Wir werden geduldig auf Chancen warten und die Zahl der technischen Fehler reduzieren müssen. Die Abwehr muss funktionieren und unsere Torhüter müssen einen guten Tag erwischen.“ Den darauffolgenden Satz, dass man „das Spiel lange offen halten möchte“, ließ der Aufstiegscoach vielleicht ganz bewusst unvollendet. Denn wer weiß, vielleicht kommt auch der Tabellenführer ins Grübeln, wenn das Spiel bis weit in die zweite Halbzeit hinein noch nicht entschieden ist.
Der Bergische HC, ein Fusionsverein, dessen erster Kader 2006 aus der SG Solingen und dem LTV Wuppertal rekrutierte, ist anno 2024 exquisit bestückt. „Ein verkappter Erstligist, der unverhofft in Liga Zwei gelandet ist“ – Klatt spricht ohne Umschweife an, was man im bergischen Städtedreieck gerne aus dem Gedächtnis streichen möchte. Mit einem Kader, der den Klassenerhalt in der 1.Liga hätte schaffen müssen, stieg der BHC im Sommer überraschend ab. Da sich im aktuellen Kader aber noch elf Spieler mit Erstligaerfahrung tummeln, war der Topfavorit der aktuellen Saison schnell gekürt. Wahrhaftig spielt die Mannschaft vom Trainerteam Markus Pütz und Arnor Thor Gunnarsson insbesondere bei Heimspielen die Sterne vom Himmel. Sechzig Minuten hohes Tempo. Dazu, mit Tomas Babak und Eloy Morante Maldonado, zwei Spielgestalter, die sich sowohl in der Rolle des Vorbereiters als auch in der Rolle des Torschützen gefallen. Vorne wie hinten Turm in der Schlacht ist der erst 21-jährige Kreisläufer Aron Seesing. Nicht zu vergessen Linksaußen Noah Beyer, der die ligaweite Torschützenliste anführt und nur ganz wenige Fehlwürfe zu verzeichnen hat. Und dann wären da noch die Torhüter. Hinter einer sehr beweglichen Abwehrformation stehen zwei Meister ihres Fachs. Zuvorderst natürlich Christopher Rudeck, der an guten Tagen seinen Kasten geradezu vernageln kann. Seit 2015 für den BHC aktiv, hatte Rudeck 218/19 seine beste Saison, als er sogar in der Nationalmannschaft debütieren durfte.
„Es war uns bewusst, dass der Dezember, mit den Spielen gegen vier Top-Mannschaften, ein schwerer Monat wird“, sagt Klatt und schiebt sofort hinterher, „dass wir fest daran glauben, auch gegen diese Teams punkten zu können“. Der Glaube innerhalb des Teams ist da. Und wenn man sieht, dass man gegen die aktuell auf Rang Fünf, Sechs und Sieben rangierenden Teams 5:1 Punkte geholt hat, darf man auch mit Selbstvertrauen in die letzten Spiele vor der WM-Pause gehen. Beim Tabellenführer hängen die Trauben allerdings hoch. Doch eine Phase, in der es mal nicht so läuft, war ja durchaus eingepreist in den Ferndorfer Saisonverlauf. Bei aktuell 14:12 Punkten darf aber auch der Blick in den Rückspiegel nicht fehlen. Bis Platz 14 sind es nur zwei Punkte – die zweite Liga ist einfach irre eng. Da ist es nicht schlecht, dass unter der Woche auch Marvin Mundus wieder seine vollständige Genesung vorantrieb und zum Spiel eine weitere Alternative darstellen wird. Die Abwehr und die Torhüter hat der TuS-Coach angesprochen. Zwei Faktoren auf die es wieder einmal im Besonderen ankommen wird. Doch dazu muss im Abwehrverbund mehr miteinander gearbeitet werden. Gutes Verschieben, schnelle Beine, Emotionalität, Stopfouls, konsequent in den Helfersituationen – wenn das gelingt, macht es dass auch den Keepern ein Stück weit einfacher sich auszuzeichnen. Und dann werden die 27 Tore, die man in den letzten Spielen immer im Tank hatte, auch mal wieder für was Zählbares reichen!
Auf Seiten der TuS-Fans geht der Blick schon über das Spiel beim Bergischen HC hinaus. Natürlich ist es für alle Ferndorfer mal etwas Besonderes, in der altehrwürdigen Unihalle Wuppertal zu performen, aber der Blick geht schon Richtung kommenden Donnerstag. Dann heißt es Derby-Time in der Ischelandhalle zu Hagen. Beides Ziele, die keine 100 Kilometer entfernt sind, und zu denen sich die TuS-Equipe auf entsprechende Unterstützung freuen darf. Und egal wo die Fans am Sonntag um 17 Uhr mitfiebern – ob live vor Ort, im Stream bei DYN oder im Herzen. Überall heißt es dann wieder: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !
WISSENSWERTES
Gegner: Bergischer Handball-Club 06 – BHC
Einwohner Solingen & Wuppertal: 161.500 & 366.000 (zum Vergleich: Ferndorf = 3900)
Heimspielstätte: Unihalle Wuppertal – 3.200 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: blau
größte Erfolge: Teilnahme am DHB-Pokal Final4 Turnier 2015/16
7. Platz in der Erstliga-Saison 2018/19