Mit der richtigen Einstellung zum nächsten Punktgewinn

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Vor einigen Wochen stand im Hallenheft der Begriff der „Mentalitätsmonster aus der Stählerwiese“. Diese Begrifflichkeit hat aber wohl selten so gut gepasst wie am Mittwochabend in Dessau. 29:23 lagen die Mannen von Coach Ceven Klatt in der 51.Minute zurück. Dass daraus nach sechzig Minuten ein 31:31 würde, hatten zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr die kühnsten Optimisten erwartet. Doch das Team um Kapitän Mattis Michel verliert auch in solchen Momenten nicht den Kopf, behält selbigen oben und glaubt bis zum Schluss an die Siegchance. „Wir machen kein gutes Spiel. Zu fast keinem Zeitpunkt im Spiel sind wir in der Nähe davon, etwas Zählbares aus Dessau mitzunehmen“, ordnete auch Klatt den Punkt in die Kategorie „gewonnener Punkt“ ein. Nichts desto trotz hat die TuS-Equipe aus den schweren Spielen der englischen Woche einen Punkt aus Dresden und einen Punkt aus Dessau mitgebracht. 12:8 Punkte in der Spielpause Anfang November. Diesen Punktestand hätte vor der Saison wahrlich jeder unterschrieben, der es mit den Handballern aus dem handballverrücktesten Dorf des Siegerlandes hält.

Es begann aus Sicht der Rot-Weißen träge in der Anhalt-Arena zu Dessau. Stimmungsvoll ja, weil trotz der Spielansetzung an einem Mittwochabend über 1500 Zuschauer in der Halle waren und die Fans beider Lager lautstark ihre Teams unterstützten. Doch das TuS-Spiel litt zu Beginn an Ideenlosigkeit und Tiefe. Während die Dessauer mit viel Esprit auftraten, waren die Klatt-Mannen nur selten auf der Höhe des Spielgeschehens. Über 3:1 (5.) und 5:2 (8.) erhöhten die Gastgeber in der 11.Minute auf 7:2. Klatt hatte genug gesehen und beorderte die Seinen zur Auszeit. Der Angriff brachte die Dessauer Abwehr kaum in Bewegung, produzierte technische Fehler und im Abwehrverbund taten sich solch große Lücken auf, dass einem Can Adanir im Tor leid tun konnte. Erste Besserung stellte sich mit der Einwechslung Julius Fangers ein. Josip Eres verwarf zwar einen Siebenmeter, aber zwei schnelle Ferndorfer Tore sorgten für Licht am Ende des Tunnels. Doch wie gewonnen, so zerronnen – nach dem 8:5 in der 15.Minute stellten die Sachsen-Anhaltiner wieder auf 10:5 (19.). Näher als bis auf drei Tore kamen die Michel & Co. einfach nicht ran. Philip Ambrosius im Tor der Bauhaus-Städter machte immer wieder Beute und kaufte den Nordsiegerländern den Schneid ab. Dem wieder einmal unermüdlich rackernden Mattis Michel war es vorbehalten, beim 13:11 (28.) das erste Mal seit dem 4:2 wieder auf zwei Tore zu verkürzen. In die Pause ging es mit einem 14:12. Klatt erinnerte sich an einige Halbzeit-Rückstände in der ersten Saisonhälfte und gab zu Protokoll: „Ein 14:12 Rückstand ist o.k. für eine Halbzeit, in der nicht viel zusammengepasst hat.“

In Hälfte Zwei dauerte es auch gerade einmal 150 Sekunden, da hatten Michel und Gabriel Viana ausgeglichen. In der 36.Minute war es dann soweit. Beim 15:16 legten erstmals die TuS-Jungs an diesem Abend vor. Erwähnung finden muss die Einwechslung Fabian Heckers auf der Rechtsaußen-Position. Mit Eres stand nur ein Rechtsaußen zur Verfügung und der hatte einen schlechten Tag erwischt. Der Sauerländer in Reihen der Ferndorfer macht seine Sache in der Abwehr immer zufriedenstellend. Doch am Mittwochabend stellte sich Hecker in den Dienst der Mannschaft und glänzte auch im Angriff mit vier Treffern ohne Fehlwurf. Im Spiel entwickelte sich nun eine Phase, in der die Bauhaus-Städter schnelle Abschlüsse verzeichnen konnten, während die Klatt-Mannen oft erst im Zeitspiel Lösungen fanden. Bis zum 20:20 (43.) war es ein Spiel auf Augenhöhe. Dann folgten fünf schlimme Minuten. Technische Fehler und Ballverluste reihten sich auf TuS-Seite aneinander. Und die Gastgeber liefen einen Tempogegenstoß nach dem anderen. Aus einem alle Optionen bereithaltenden 20:20 wurde ein 26:20. „Wir machen Dessau mit unseren Fehlern stark“, war dann auch das Resümee von Klatt. Beim 28:22 eingangs der Crunch-Time hätte wahrscheinlich kaum ein Wettanbieter noch Wetten auf den TuS Ferndorf angenommen. Wenn es nicht läuft muss der Kapitän vorneweg gehen. Michel, mit am Ende fünf Toren aus fünf Versuchen, sorgte mit dem 28:23 für vage Hoffnungen. Klatt hatte sich entschieden, Dessaus Spielmacher Vincent Bülow eine Manndeckung zu verordnen, was sich im Nachhinein als kluger Schachzug herausstellte. Denn während die Blau-Weißen nun keine Lösungen mehr fanden, bekamen die TuS-Jungs mehr und mehr Oberwasser. Gewannen Zweikämpfe und kamen ins Tempospiel. Marvin Mundus hatte aus sieben Metern von Eres übernommen und traf zwei Mal. Als Hecker dann auf 30:27 stellte war die Hoffnung zurück. Jonas Wilde, der Adanir abgelöst hatte und eher glücklos agierte, hielt in dieser Phase zwei wichtige Bälle. Nach dem 31:29 Anschlusstreffer Vianas drei Minuten vor Schluss, sah sich Dessaus Co-Trainer zum Handeln gezwungen. Auszeit und Umstellung auf ein Sieben gegen Sechs. Was dann allerdings nicht den erhofften Effekt hatte. Die Gastgeber warfen den Ball weg und auf der Gegenseite sorgte Fanger mit einem unglaublich genialen Dreher für den Anschlusstreffer zum 31:30. Ein weiterer Fehler Dessaus brachte den TuS nun in die Situation ausgleichen zu können. Der „Go to guy“ der letzten Minute sollte Fanger werden, der mit Hecker und Michel bester Ferndorfer war und nach seinem perfekten Dreher das nötige Selbstbewusstsein hatte. Doch sein Wurf wurde abgeblockt, fällt aber Michel vor die Füße, der gedankenschnell reagiert und den Ausgleich erzielt. 70 Sekunden Rest zeigte die Anzeigetafel. Und als Dessaus fünffacher Torschütze Yannick Danneberg den Weg ins Tor nicht findet, haben die Klatt-Mannen sogar die Möglichkeit zum Sieg. Doch das wäre dann vielleicht auch des Guten zuviel gewesen, wie Klatt anmerkte: „Das war über sechzig Minuten keine Leistung, mit der wir zufrieden sein können. Aber die kämpferische Einstellung und Mentalität waren wieder top!“

Nun geht es in eine gut zweiwöchige Pause, die Klatt auch dringend benötigt sieht: „Wir sind froh über die kurze Spielpause. Da können wir regenerieren und die Akkus endlich voll aufladen.“ Vier Spiele in elf Tagen haben der TuS-Equipe alles abverlangt. Am 17.November geht die wilde Fahrt in dieser verrückten zweiten Liga weiter. Die Eulen Ludwigshafen sind dann der Gegner am ungewohnten Sonntagabend um 17 Uhr. Dass der Hexenkessel aber auch an solchen Tagen seinen Zauber versprühen kann, hat man gegen Balingen gesehen und vor allen Dingen gehört. Diese Unterstützung benötigt das Team auch gegen den Ex-Bundesligisten aus der Rhein-Neckar-Region. Und so heißt es dann hoffentlich wieder vor über 1300 Zuschauern: Alle dabei für Liga Zwei !!

Tore: Julius Fanger (6), Marvin Mundus (6/2), Mattis Michel (5), Fabian Hecker, Gabriel Viana (je 4), Daniel Hideg (3), Janko Kevic, Josip Eres, Marko Vignjevic (je 1)


Foto: DHRV Dessau / HBL

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