Champagner-Handball ist vom TuS Ferndorf aktuell nicht zu erwarten. Aber Wille, Emotionen, Leidenschaft – das sind die Softskills, die das Klatt-Ensemble wöchentlich in die Waagschale wirft. Und das waren auch wieder die ausschlaggebenden Punkte, die diese Waage am Ende Richtung der Siegerländer Handballer ausschlagen ließ. 42 Gegentore gegen den HC Elbflorenz. Die kann man durchaus in sechzig Minuten eingeschenkt bekommen vom Star-Ensemble aus Sachsens Landeshauptstadt. Der TuS Ferndorf hat mit einer fulminant agierenden Deckung geschafft, in zwei Spielen, und somit über 120 Minuten, 42 Gegentore zu bekommen. Warum man in der Saison 2024/25 also mit 3:1 Punkten aus den Spielen gegen den HC Elbflorenz reüssiert, liegt ganz klar im Abwehrverhalten der Michel & Co. begründet.
Es begann schleppend im nicht ganz ausverkauften Hexenkessel Stählerwiese. Obwohl die 1348 Zuschauer von der ersten Minute an für eine fantastische Atmosphäre in Kreuztals bester Stube sorgten, dauerte es fast drei Minuten bis zum ersten Torerfolg im Spiel. Josip Eres stellte auf 1:0, was allerdings Dresdens Rückraumkanonier Timo Löser postwendend mit dem 1:1 beantwortete. Nach dem 2:2 (7.) kam ein kleiner Bruch ins Spiel der Rot-Weißen. Die Gäste zeigten ihre Klasse und kamen vor allen Dingen über ihre rechte Angriffsseite zu Toren. 3:6 lautete der Zwischenstand in der 10.Minute. Ferndorfs Denker und Lenker, Janko Kevic, ging nun vorweg und nahm das Heft des Handelns in die Hand. Der bald 39-jährige Kroate traf drei Mal selbst und steuerte noch einen Assist bei. Als dann auch noch Marvin Mundus traf, der am Spieltag seinen 25.Geburtstag feierte, war das Spiel beim 7:7 (15.) wieder remisiert. Ein spielöffnender Pass von Kevic auf Linksaußen Gabriel Viana wurde mit der ersten Ferndorfer Führung seit dem 2:1 belohnt. Nach dem neuerlichen Ausgleich Dresdens zum 8:8 (19.) sollte es sechseinhalb ereignisreiche Minuten bis zum nächsten Treffer der Partie dauern. Ein missglückter Kempa-Versuch, wiederholtes Alu-Pech bei Julius Fanger und eine höchst diskutable rote Karte gegen Gabriel Viana. Insbesondere die rote Karte gegen einen der besten Abwehrspieler bringt so manches Team aus der Balance. Bei den Jungs vom Kindelsberg hatte man hingegen das Gefühl, dass man nach der Hinausstellung Vianas noch ein bisschen mehr zusammenrückte. Ferndorfs Coach Ceven Klatt, der in eine Auszeit in der 23.Minute mehr Infos verpackte wie mancher Kreisliga-Coach in eine komplette Trainingseinheit, war nun zum Handeln gezwungen. In der Abwehr kam Malte Nolting mit dazu und im Angriff sorgte Hendrik Stock für viel Tempo und Bewegung. Das mündete in einer 10:9 Halbzeitführung für die Rot-Weißen. Gästecoach André Haber hatte zwei Probleme bei seinem Team ausgemacht: „Wir verwerfen drei Siebenmeter und machen, für unsere Verhältnisse, viel zu viele technische Fehler!“
Der Beginn von Halbzeit Zwei hielt für Taktikfreunde einige Schmankerl parat. Ferndorf agierte fortan mit vier Rückraumspielern und ohne Kreisläufer. Die beiden etatmäßigen Kreisläufer Valentino Duvancic und Mattis Michel kamen aber im Abwehr/Angriff-Wechsel und bildeten den Innenblock. Zeitweise kam auch noch Nolting dazu, so dass drei Kreisläufer in Ferndorfs Abwehr aktiv waren. Und diese Abwehr zeigte sich beweglicher, schloss noch besser die Lücken, kam in die Stopfouls und rührte mit zunehmender Spieldauer Beton an. Herausragender Akteur im Angriff war in den Minuten nach Wiederbeginn Mundus. Vier der ersten fünf Ferndorfer Tore in Hälfte Zwei gingen auf das Konto des gebürtigen Lengerichers. Und so konnte sich die TuS-Equipe beim 15:12 (37.) erstmals auf drei Tore absetzen. Haber nahm eine Auszeit und stellte um. In der Abwehr ging er auf ein 5:1 und im Angriff spielten die Haber-Mannen ein Sieben gegen Sechs. Während der Gäste-Coach davon sprach, dass man sich „viel mit dem Ferndorfer Angriff beschäftigt hat“, konstatierte Klatt, dass „der HC Elbflorenz gut vorbereitet war und man deshalb mit den vier Rückraumspielern versucht hat, mehr Lücken zu kreieren.“ Hampus Dahlgren netzte in der 45.Minute zum 18:15 und, so ist inzwischen die Regelauslegung, der abwehrende, und sich noch in der Bewegung befindliche Dresdener Halbrechte Mindaugas Dumcius kassierte die rote Karte. Ferndorfs Kapitän Michel orchestrierte in der zweiten Halbzeit den Ferndorfer Abwehrverbund in herausragender Art und Weise. Und sein Coach wechselte in Überzahlphasen von vier Rückraumspielern auf zwei Kreisläufer und danach wieder retour. Can Adanir bekam nun immer öfter eine Hand an den Ball. Zu Beginn der Crunch-Time lag der Gastgeber immer noch mit drei Treffern in Front (20:17, 50.). In der 52.Minute gab es dann den ersten Siebenmeter für Ferndorf. Und Eres verwandelte gewohnt sicher. Fangers Kraftakt zum 22:19, als er in unnachahmlicher Art und Weise durch die Gästeabwehr flog, war der Auftakt zu einer stimmungsvollen Schlussphase. Die Gäste aus Sachsen gingen mit einer offenen Deckung all in und zu allem Überfluss handelte sich Kevic eine unnötige Zeitstrafe ein und erwies damit seinem Team fast einen Bärendienst. Doch da hatte der Mann im Kasten was dagegen. Mit seiner achten Parade ebnete Adanir den Weg zu einem wahnsinnig wichtigen Heimerfolg. „Ferndorf“-Sprechchöre des begeistert mitgehenden Publikums hallten durch die Stählerwiese. Und auch Klatt wurde nach dem Spiel nicht müde, die herausragende Atmosphäre in der Stählerwiese als wichtigen Faktor zu loben: „Wir spielen zwei Halbzeiten eine überragende Abwehr und holen zwei fantastische Punkte gegen den Abstieg. Von diesem Sieg gehen fünf bis zehn Prozent an die Fans für die Hilfe von der Tribüne!“
24:21 lautete der Endstand. Gerade wegen der Ergebnisse in den anderen Hallen ein immens wichtiger Sieg für den TuS Ferndorf. Am Montag hat der Coach den Seinen trainingsfrei gegeben. Ab Dienstag geht es mit Volldampf in Richtung Auswärtsspiel bei Balingen/Weilstetten. Das Team aus dem Süden komplettiert den Reigen der Spitzenmannschaften, gegen die die TuS-Equipe in Reihe antreten muss. Nach Hüttenberg und Dresden auf den Plätzen Drei und Fünf, folgt mit Balingen nun der extrem heimstarke Tabellenvierte. Es wären wohl Bonuspunkte, wenn die Klatt-Mannen dort erfolgreich wären. Doch in dieser verrückten Liga scheint inzwischen nichts mehr unmöglich zu sein. Deshalb gilt am Samstagabend um 18:00 Uhr: Alle dabei für den Klassenerhalt in Liga Zwei!
Tore: Marvin Mundus (7), Janko Kević (4), Josip Ereš (3/2), Hampus Dahlgren, Valentino Duvančić, Julius Fanger, Mattis Michel (je 2), Hendrik Stock, Gabriel Viana (je 1)