Vertauschte Rollen in der Stählerwiese

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Hätte man Handballexperten vor Saisonbeginn die Paarung TuS Ferndorf gegen TuS N.-Lübbecke auf den Tisch gelegt und dabei vom Duell des Tabellenfünften gegen den Tabellenvorletzten gesprochen, wären wohl nahezu alle Experten auf Nettelstedt als Tabellenfünften und Ferndorf als Tabellenvorletzten gegangen. Das unterstreicht allerdings auch die Schwere der Herausforderung. „Da erwartet uns eine echte Herkulesaufgabe. Nettelstedt-Lübbecke hat rein von der Qualität her einen absoluten Top-Kader“, weiß natürlich auch Ferndorfs Coach Ceven Klatt, wie schwer die Aufgabe für die Seinen wird. 

Und ein Blick in den Kader der Ostwestfalen verrät, dass auf jeder Position im Kader ein erstligaerfahrener Akteur agiert. Und nicht nur das – das Team ist auch sehr ausgewogen zusammengestellt. Auf den Halbpositionen agieren sowohl echte Shooter, wie auch sehr spielstarke Spieler. Die beiden etatmäßigen Außen, Tom Skroblien und Tim Wieling, kommen zusammen auf ca. 500 Erst- und Zweitligaspiele. Echte Waffen, wenn sie denn vom Rückraum in Szene gesetzt werden oder nach Ballgewinnen in Tempogegenstoßaktionen kommen. Am Kreis und im Innenblock wird es physisch groß. Jeweils knapp 2 Meter messen die beiden Modellathleten Yannick Dräger und Tin Kontrec, die häufig auch zusammen im Innenblock agieren. Auf der Torhüterposition verhält es sich wie mit fast jedem Zweitligisten. Dort hat man mit Finn Zecher und Leon Grabenstein zwei Top-Torhüter, aber auf dieser Position sind inzwischen fast alle Teams herausragend besetzt. „Die Trainerentlassung macht die Aufgabe sicherlich nicht leichter für uns!“ Was Klatt mit dieser Aussage meint, basiert auf den Geschehnissen vom vergangenen Montag. Den 2007-er Weltmeister Michael Haaß hat es als ersten Trainer in dieser Zweitliga-Saison erwischt. Rauswurf nach dem vierten Spieltag. Übernommen hat die TuS-Kogge interimsweise der bisherige Co-Trainer, Sebastian Redeker. Und dieser hat als wichtigste Aufgabe das Lösen der Blockade vor sich. Nicht handballerisch, da sind die meisten im rot-schwarzen Dress über viele Zweifel erhaben. Es geht Redeker in der Hauptsache darum, die Köpfe frei zu bekommen und den verunsicherten Spielern die Freude am unbekümmerten Handballspiel zurück zu geben. 

Eine „schwierige Trainingswoche“ – so umschrieb es Aufstiegscoach Klatt und was er damit meinte, konnte beim Dienstagabend-Training bestaunt werden. Ganze acht Spieler standen ihm zur Verfügung. Wunden lecken war angesagt nach dem Konstanz-Spiel. Und man wird sehen müssen, inwieweit die Zeit Wunden heilt und wer am Samstagabend dem Trainer eine Option an die Hand gaben kann. „Wir müssen schauen, was wir N.-Lübbecke anbieten und vor welche Aufgaben wir sie stellen können. Grundlage muss und wird eine Abwehr sein, die maximal unangenehm für den Gegner ist und um jeden Quadratzentimeter Boden kämpft“, will es Klatt aber nicht bei der reinen Analyse belassen, sondern schiebt auch nochmal einen ganz speziellen Wunsch hinterher: „Wir werden wieder eine solch wahnsinnig gute Atmosphäre in der Stählerwiese brauchen wie beim Großwallstadt-Spiel!“ Wahrlich, beim letzten Heimspiel haben die Zuschauer ihr Scherflein zum Sieg beigetragen. Und dass ist ist auch immer das, was die etablierten Spieler von den Neuzugängen hören – dass die Atmosphäre im Hexenkessel Stählerwiese wirklich einzigartig ist. Wenn man im Freudenkelch der Handballer vom Kindelsberg wirklich einen Kritikpunkt finden möchte, so ist es vielleicht das Spiel über die Außen. Torgefahr strahlen nämlich in den ersten Spielen am ehesten die Rückraumakteure aus, die in der Kleingruppe auch äußerst erfolgreich mit dem Kreis agieren. Hier fällt dann am Wochenende Philip Würz erstmals eine exponiertere Rolle im Angriff zu. Im Deckungsverbund hat er schon seinen Mann gestanden und die ihm zugedachten Aufgaben sehr gut gelöst. Nach der Verletzung Valentino Duvancics aus dem Konstanz-Spiel wird er nun auch im Angriffsspiel gefordert sein. 

Englische Wochen kannte man bis vor einigen Jahren eher von den Fußballern. Doch inzwischen sind diese Zusatzbelastungen auch im Handball gang und gäbe. Und so wird das Pokalspiel der Nettelstedter vom Mittwochabend, was gegen den Bundesligisten aus Leipzig 23:32 verloren ging, zwar in der Spielvorbereitung aufs Ligaspiel in Ferndorf stören, aber rein von der Belastung her werden dass die Männer vom Wiehen gut wegstecken. Auf dieses wichtige Spiel gut vorbereitet haben sich allerdings auch die Siegerländer Handballfans. Sitzplätze gibt es nur noch eine Handvoll, so dass am Spieltag selbst wahrscheinlich nur noch Stehplatz-Tickets zur Verfügung stehen. Ein eindrucksvolles Statement dafür, dass gute Leistungen honoriert werden. Es kann also nicht mehr lange dauern, bis Hallensprecher Kai Brückmann das magische Wörtchen mit den elf Buchstaben ausspricht: Ausverkauft! Zu etwas ungewohnter Zeit um 18 Uhr heißt es Samstagabend aber erst einmal: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !


WISSENSWERTES
Gegner: TuS N.-Lübbecke
Einwohner Nettelstedt: 2.800 (zum Vergleich: Ferndorf = 4.200)
Heimspielstätte: Merkur Arena – 3.030 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: rot-schwarz
größte Erfolge: DHB-Pokalsieger 1981, Europapokalsieger d. Pokalsieger 1981

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