Das große Ziel ist zum Greifen nah

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Man soll ja bekanntermaßen den Tag nicht vor dem Abend loben. Und das Fell des Bären sollte auch erst verteilt werden, wenn er erlegt ist. Es sollen sogar schon Pferde vor Apotheken gesehen worden sein, die nicht mehr alles bei sich halten konnten. Und zu guter Letzt hat auch die diesjährige K.O.-Phase der Handball-Champions-League, mit dem Spiel des THW Kiel gegen den HC Montpellier, gelehrt, dass man erst feiern sollte wenn die Schlusssirene ertönt. Doch nun sind es inzwischen 33 Spiele in Folge, in denen die Mannschaft von Meistercoach Ceven Klatt unbesiegt ist. Seit Ende September 2023 hat der TuS Ferndorf nur Siege eingefahren. Es ist wirklich schwer vorstellbar, dass es am kommenden Samstag nicht zu einer rauschenden Ballnacht in Rot und Weiß kommen wird.

Das Spiel in der Braunschweiger Sporthalle Alte Waage, die bis auf den letzten Platz gefüllt war, begann ohne großes Abtasten. Stürmerfoul hier, harte Gangart da – wie gut, dass die umsichtig leitenden Schiedsrichter Julian Fedtke und Niels Wienrich über sechzig Minuten Herr der Lage waren. Allenthalben war das Spiel Sieben gegen Sechs von Braunschweig erwartet worden. Und genauso begannen die Hausherren. Sie ließen Ball und Gegner laufen und suchten über die Lücken am Kreis Abschlüsse. Und wenn sich diese Lücken mal nicht auftaten, hatten die Gastgeber mit dem 17-jährigen Trainersohn Jan Mudrow einen in ihren Reihen, der auch mal für einfache Tore sorgte. Während also in der Anfangsphase der MTV aus Braunschweig spielerisch zu Toren kam, gelang dies den Jungs vom Kindelsberg überhaupt nicht. Einzig die Siebemeterausbeute war zu diesem Zeitpunkt in Ordnung. Bis zum 6:6 in der 15.Minute gingen alle Ferndorfer Treffer auf das Konto von Rechtsaußen Josip Eres, der sich sowohl aus sieben Metern, wie auch aus dem Spiel heraus kalt wie eine Hundeschnauze präsentierte. Bereits in der 14.Minute hatte Klatt seine erste Auszeit genommen. Und ab da sollte es ein kleines bisschen besser werden. Das 7:7 (17.) durch Daniel Hideg war der erste „nicht-Josip-Eres-Treffer“. Für den Führungstreffer zum 7:8 zeichnete sich dann der Kapitän höchstselbst verantwortlich – Mattis Michel auf unnachahmliche Weise vom Kreis. Es war weiterhin schwer, gegen die äußerst bewegliche Braunschweiger Deckung Lücken zu finden. Doch der Aufwand, den die Mannen von Coach Volker Mudrow dabei betrieben, war immens und sollte im Laufe des Spiel noch seinen Tribut fordern. In der 25.Minute nahm der gut haltende Lucas Puhl im Ferndorfer Tor dem Siebenmeter-Schützen der Niedersachsen, Philipp Moritz Krause, einen Siebenmeter weg. Im Anschluss an die erste Ferndorfer Zwei-Tore-Führung robbten sich die Gastgeber aber wieder heran. Jan Mudrow, dem man mit seinen 17 Lenzen die hohe Bürde übertrug, das Braunschweiger Spiel anzutreiben und auch noch  als Torschütze zu glänzen, remisierte das Spiel erneut (10:10 – 27.). Kurz vor der Halbzeit schien die Partie auszutrudeln. Doch Hideg hatte was dagegen. Ein kurzer prüfender Blick auch die Uhr. Nach sieben Sekunden zu gehen. Schnelle Bewegung – Kracher aus 12 Metern – Führungstor zur Halbzeit.

„Wir decken über sechzig Minuten hinweg sehr diszipliniert und gut. Aber in den ersten dreißig Minuten haben wir viel zu wenig Bewegung im Angriff. Ich bin dann bei der Halbzeitansprache auch mal etwas lauter geworden und habe die Jungs daran erinnert, was wir unter der Woche im Training vorbereitet und uns zurechtgelegt haben“ – TuS-Coach Klatt, der seinen Vertrag unlängst um zwei Jahre verlängert hat, haderte zwar mit der Angriffsleistung in der ersten Hälfte, war aber dann entzückt, „wie in der zweiten Hälfte, das in der Halbzeit besprochene, par excellence umgesetzt wurde“. 

Janko Kevic, im ersten Durchgang mit einem ungewohnt fehlerbehafteten Spiel, nahm nun mehr und mehr den Taktstock in die Hand. Und unter seiner Regie kamen auch die Halbpositionen wieder besser zur Geltung. Funktionierende Kreisanspiele auf den unermüdlich hinten wie vorne rackernden Valentino Duvancic, und in Person von Marvin Mundus auch endlich Torgefahr aus dem Rückraum. Der TuS war zu Beginn des zweiten Durchgangs endlich da, wo man schon zum Anwurf sein wollte. Hinten stand der Abwehrverbund in Kombination mit einem gut haltenden Lucas Puhl. Und im Angriff war man wieder einmal nicht ausrechenbar. 5:1 Abwehr, teilweise sogar eine verkappte 3:2:1 – der Coach der Gastgeber versuchte alles, um dem TuS den Zahn zu ziehen. Doch mit jeder weiteren Zeigerumdrehung auf der Uhr spielte sich die TuS-Equipe in einen kleinen Rausch, was Klatt folgendermaßen umriss: „Wir haben das gezeigt was uns die ganze Saison ausgezeichnet hat: Emotionen, Bereitschaft, Kampf und Leidenschaft!“  Beim 15:17 (37.) gelangen erstmals drei Tore am Stück, so dass beim 15:20 (41.) die erste entscheidende Phase des Spiels an die Siegerländer Handballer ging. Das gleiche Kunststück wiederholten die Michel & Co. dann beim Spielstand von 19:22 (44.) und beim 20:25 (49.). Zur Ehrenrettung der Hausherren sei gesagt, dass die brutal auf dem Gaspedal stehenden Klatt-Mannen nun auch das Spielglück auf ihrer Seite hatten. Während bei den Braunschweigern die Abpraller in den Händen der TuS-Abwehr landeten, waren die Abpraller auf der anderen Seite meist Beute eines weiteren Ferndorfer Torschützen. On top gelang es den TuS-Jungs nun durch cleveres Wechseln, zeitweise mit fünf sehr guten Abwehrspielern auf dem Feld zu stehen. Es gab einfach kein Durchkommen mehr für den Nord-Ost-Staffel-Ersten. Als dann Jonas Wilde in der 56.Minute bei einem Siebenmeter zum Einsatz kam, und selbigen auch hielt, läutete er damit die Feierlichkeiten der mitgereisten TuS-Fans ein. Weit über einhundert rot-gekleidete Ferndorf-Fans waren es am Ende. Neben dem Fanblock gab es auch in den anderen Blöcken den ein oder anderen Siegerländer Handballfan. Es war jedenfalls wieder ein Ausrufezeichen, dass die Fans der Rot-Weißen gesetzt haben. Über die volle Spieldistanz wurde das Team überragend unterstützt. Neben den Trommlern der Füchse, die wunderbar auf die Gesänge der Fans eingingen, und der wieder einmal tollen Choreografie der Brigade, machten auch alle anderen Mitgereisten lautstark auf sich aufmerksam. Der TuS Ferndorf kann sich froh und glücklich schätzen, eine solch friedvolle, lautstarke, reisefreudige und begeisterungsfähige Anhängerschaft hinter sich zu wissen. 

Am 15. Juni wird es dann hochemotional werden in der Stählerwiese. Lucas Puhl hängt seine Schuhe an den Nagel und wird gebührend verabschiedet. Das ganze Umfeld des TuS Ferndorf träumt natürlich davon, dass sich Puhl mit dem Aufstieg verabschiedet. Und nach dem Spiel wird es bei der dann hoffentlich stattfindenden Sause Gelegenheit geben, mit Freunden, Spielern und Offiziellen diese außergewöhnliche Saison 2023/24 Revue passieren zu lassen. Durch das Hinspiel-Ergebnis ist die Hoffnung groß, dass noch ein paar Dutzend Karten aus Braunschweig zurückgeschickt werden. So hätte man die Möglichkeit, noch ein paar Rückläufer in den freien Verkauf zu geben. Es wird voll, es wird eng im Hexenkessel – deshalb, reisen sie früh an und vermeiden sie damit Stress bei der Parkplatzsuche. Es sind genügend Kaltgetränke geordert und auch die kulinarische Verpflegung steht. Eine Wartezeit kann also wunderbar an der Halle überbrückt werden. Und um 19 Uhr heißt es dann ein letztes Mal in dieser Spielzeit: Alle dabei für Liga Zwei !!

Tore: Josip Eres (12/6), Janko Kevic, Marvin Mundus (je 5), Valentino Duvancic, Gabriel Viana (je 3), Daniel Hideg (2), Fabian Hecker, Mattis Michel (je 1)


Fotos: A.Domian

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