Es ging bis in die frühen Morgenstunden. Die Spieler des TuS Ferndorf, die seit dem Saisonauftakt am 2. September 2023 hart gearbeitet haben für das große Ziel Zweitligaaufstieg, haben es so richtig krachen lassen.
Gemeinsam mit Sponsoren, Fans und vielen ehemaligen Spielern, hier seien stellvertretend Michael Lerscht und Lukas Zerbe genannt, wurde die Rückkehr in die zweithöchste deutsche Spielklasse gebührend gefeiert.
Dabei sah es zu Beginn des Spiels gar nicht nach einem Feiertag für die Jungs vom Kindelsberg aus. Der Gast aus Braunschweig spielte in den ersten Minuten fehlerfrei und schloss jeden Angriff mit einem Tor ab. Auf Seiten der TuS-Equipe war zu diesem Zeitpunkt vor allem fehlendes Tempo größtes Manko. In der Abwehr agierte ein Deckungsverbund, der nicht richtig in Bewegung kam und den Gästen zu viele Lücken offenbarte. Und im Angriff bekam Janko Kevic auf der Mitte das Heft des Handelns nicht richtig in die Hand. 1:4 stand es in der fünften Minute. Und es wurde nicht besser. Beim 2:6 (7.) nahm TuS-Coach Ceven Klatt die früheste Auszeit der Saison. Insbesondere mit der Abwehrleistung war der Meistermacher des TuS so gar nicht einverstanden.
Doch es sollte noch schlimmer kommen. Die Gäste zeigten weiterhin eine beherzte Vorstellung und stellten beim 4:10 (12.) die erste Sechs-Tore-Führung des Spiels her. Der ansonsten so gefürchtete Hexenkessel war geschockt. Mustafa Wendland im Tor der Niedersachsen zeigte eine Parade nach der anderen und nahm auch Josip Eres‘ ersten Siebenmeter weg. Und auch der Weitwurfversuch des ansonsten so zuverlässig agierenden Kroaten, landete nicht im verwaisten Braunschweiger Kasten. „Wir haben in dieser Phase im Angriff die Verantwortung immer weiter geschoben und in der Abwehr keinen Zugriff gefunden“, war Klatt mit den ersten zehn Minuten seines Teams ganz und gar nicht einverstanden. Allerdings kamen mit dem Wechsel auf die beiden extrem starken Abwehrspieler Fabian Hecker und Valentino Duvancic mehr Emotionen und mehr Zugriff ins Ferndorfer Spiel. Die bis zu diesem Zeitpunkt fehlerfrei agierenden Kreisläufer der Braunschweiger bekamen drei Angriffe in Folge abgepfiffen und zusätzlich kam der scheidende Lucas Puhl im Ferndorfer Tor immer besser ins Spiel. So ging es über ein 6:11 (19.) in die wichtigste Phase der ersten Halbzeit.
Nachdem es minutenlang mit wilden Aktionen hin und her ging, war es Kevic der das Spiel mit dem Tor zum 7:12 (24.) an sich riss. Der erfahrene Mittelmann ging voran, übernahm Verantwortung beim Siebenmeter und trat auch als Torschütze in Erscheinung. Ausgebremst wurde er dann von einer diskussionswürdigen Zeitstrafe. Da auch Fabian Hecker kurz darauf eine Zeitstrafe erhielt, mussten die Michel & Co. in doppelter Unterzahl agieren. Doch man kam unbeschadet über die Runden und ging mit einem 11:14 Rückstand in die Halbzeit, wo Klatt einigen Gesprächsbedarf hatte: „Man hat den Jungs die große Last angemerkt. Nach zehn Minuten mit zehn Gegentoren bekommen wir allerdings in den zwanzig Minuten danach nur noch vier Gegentore. Gleichwohl agieren wir zu oft in Unterzahl.“
Den Auftakt in die zweiten dreißig Minuten läutete Marvin Mundus mit einem Kracher in den Giebel ein. Man war nach dem 2:4 in der 5.Minute zum ersten Mal wieder auf zwei Tore herangerückt an den Sieger der Nord-Ost-Staffel. Doch zu mehr sollte es vorerst nicht reichen. Ein herausragendes Duell lieferten sich nun die beiden Kreisläufer. Niklas Wolters und Mattis Michel – ein Zweikampf, der auch einem guten Ringkampf zur Ehre gereicht hätte. Und obwohl Lucas Puhl nun immer öfter eine Hand an den Ball bekam, konnten sich die Gäste wieder auf 17:21 absetzen. Sie witterten so etwas wie ihre letzte Chance. Doch angetrieben von Hallensprecher Kai Brückmann war jetzt auch der Hexenkessel auf Temperatur. 1400 Zuschauer in der ausverkauften Stählerwiese wurden natürlich auch vom Zeitstrafenverhältnis von 6:0 gegen den TuS Ferndorf aufgeheizt. „Steht auf, wenn Ihr Ferndorfer seid“ schallte es durch die Halle und alle Zuschauer, bis auf die dreizehn Braunschweiger, folgten. Mundus war es dann beim 20:22 (51.), der einen Ball dermaßen ins lange Eck wuchtete, so dass kein Blatt Papier mehr zwischen Ball und Aluminium passte. Und dem besten Ferndorfer Torschützen aus dem Ligabetrieb, Josip Eres, war es dann vorbehalten, zum ersten Mal seit der dritten Spielminute auf ein Tor zu verkürzen. Schön zu sehen auch die Emotionen bei den Jungs in Rot und Weiß. Kevic und
Linksaußen Gabriel Viana freuten sich nach dem 24:25 (56.) wie Kinder über den gelungenen Spielzug. Dem Spezialisten in Sachen Aufstiege, Daniel Hideg, war es dann vorbehalten, zum ersten Mal seit Spielbeginn die Partie zu remisieren. 26:26 und noch zwei Minuten zu gehen. Sollten die Michel & Co. ihren Kopf noch aus der Schlinge ziehen können? Führung Braunschweig durch deren vierfachen Torschützen Nikolaos Tzoufras. 50 Sekunden noch zu gehen – würde es für den TuS im letzten Saisonspiel wahrhaftig die erste Niederlage geben? Nicht mit Hideg, denn der fasste sich ein Herz und traf dreizehn Sekunden vor dem Ende der Partie zum 27:27 Endstand. Der TuS Ferndorf ist seit Samstagabend, 20:41 Uhr wieder Zweitligist. Ohne eine einzige Niederlage sind die Klatt- Mannen durch das Feld der Rivalen gepflügt. Nicht ein einziges Team war in der Lage, den TuS- Express zu stoppen.
So kann es dann ab Anfang September weitergehen, wobei Ceven Klatt ein wenig Angst vor dem Zustand seiner Spieler am Sonntagmorgen hat: „Ich werde wohl auf einige Geisterbahn-Gesichter treffen. Aber für die Jungs ist das etwas Besonderes und das werden sie auch ordentlich feiern. Ich bin froh, dass wir nun vier Wochen durchpusten können, bevor wir dann am 22.Juli in die Vorbereitung zur neuen Saison starten.“
Lucas Puhl gehörte der letzte große Auftritt der Saison 2023/24. Vor der Quast-Tribüne, die im Rahmen einer tollen Choreografie der Brigade C einem Kino-/Theatersaal ähnelte, fiel der letzte Vorhang für den gebürtigen Gummersbacher. Mit einer tadellosen Leistung und großen Emotionen verabschiedete sich „Puhlic“ nach zehn Jahren vom Ferndorfer Anhang.
Nun haben es die Männer aus dem Siegerländer Handballdorf ab der kommenden Saison wieder mit solch klangvollen Namen wie TuSEM Essen, der HSG Nordhorn oder dem TV Großwallstadt zu tun. Alles Mannschaften, die bereits Europapokalsiege für sich verbuchen konnten und bei denen ein ausverkauftes Haus nicht unwahrscheinlich ist. Und dann heißt es am ersten Wochenende im September: Alle dabei IN Liga Zwei !!
Tore: Janko Kevic (9/3), Marvin Mundus (5), Josip Eres (5/1), Daniel Hideg (3), Ante Simic, Gabriel Viana (je 2), Valentino Duvancic (1)
Bilder: Andreas Domian