Der erwartet schwere Gegner entführt einen Punkt aus der Stählerwiese

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Erzielte 13 Tore für den TuS – Marvin Mundus (Foto: H.Burbach)

Momentum, Schicksal, Karma – man kann es drehen und wenden wie man will. Oft sind es Kleinigkeiten, ja Sekundenbruchteile, die in einem Handballspiel über Wohl und Wehe, respektive über Sieg oder Niederlage entscheiden. Und so gelang es dem Tabellenführer aus Krefeld, im Gastspiel beim Tabellenelften aus Ratingen, innerhalb der letzten sechzig Sekunden einen Ein-Tore-Rückstand noch in einen Sieg zu verwandeln. Während dem bis vor diesem Spieltag punktgleichen TuS Ferndorf selbiges nicht gelang und somit der erste Punktverlust in der Saison 2023/24 quittiert werden musste. Der Tabellenführer bekam seinen Kopf also noch aus der Schlinge gezogen – der TuS Ferndorf hingegen nicht.

An gewisse Gegebenheiten in dieser Saison hat man sich fast schon ein bisschen gewöhnt. Das Verschlafen der Anfangsminuten gehört dazu. „Die ersten zehn Minuten ärgern mich immens“, war Ferndorfs Coach Ceven Klatt hörbar unzufrieden mit dem Auftritt der Seinen. Longerich ließ den Ball gut laufen. Und während die TuS-Abwehr nicht die Aggressivität aufs Parkett bekam, die der Coach eingefordert hatte, räumten die Nordkölner immer wieder sauber ab und trafen ohne Körperkontakt aus dem Rückraum. Da überdies die Hektik ins Ferndorfer Spiel Einzug gehalten hatte, wurden im Angriff reihenweise technische Fehler produziert. Das mündete in einem 2:7 nach neun Minuten. Klatt hatte genug gesehen und bat seine Jungs zur ersten Auszeit. Außer beim 1:1 durch Mattis Michel war man bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal auf der Höhe des Geschehens. Doch die Auszeit sollte Früchte tragen. Angeführt von einem wie entfesselt aufspielenden Marvin Mundus robbten sich die Siegerländer Tor für Tor an die Vorortkölner heran. Vier Mundus-Treffer in Folge, dazu je einmal Janko Kevic und Marko Karaula – der TuS kam bis auf zwei Tore (9:11, 16.) an die Gäste ran. Zusätzlich erwies sich der für Lucas Puhl ins Tor gekommene Jonas Wilde in dieser Phase als Faktor. Klatt indes war mit den ersten zehn Minuten immer noch nicht versöhnt: „Solch eine Anfangsphase dürfen wir uns nicht erlauben. Das kostet dann auch einfach zu viel Kraft!“ Kevic hatte indes keinen guten Tag erwischt. Dafür sprühte der ins Spiel gekommene Marko Karaula vor Spielfreude und erzielte zwei wichtige Tore. Julius Fanger war es dann vorbehalten, beim 13:13 (22.) für den ersten Gleichstand seit der zweiten Minute zu sorgen. Doch die Führung war der TuS-Equipe nicht vergönnt. Auch weil Longerichs Rechtsaußen Nico Pyszora wie ein Schweizer Uhrwerk funktionierte. Apropos Rechtsaußen. Beim Stand von 14:14 in der 25.Minute gab es ein lang erhofftes Comeback. Paul Schikora stand zum ersten Mal in dieser Saison auf dem Feld und nährte die Hoffnung des Coaches, bald wieder über zwei gelernte Rechtsaußen verfügen zu können. In einem ansonsten sehr torreichen Spiel fielen zum Ende der ersten Halbzeit fünf Minuten lang nur zwei Tore. Das führte zum Halbzeitstand von 15:17.

Bis zum 18:20 (36.) sollte sich an der Gemengelage auch in Halbzeit Zwei nichts ändern. Doch dann erfuhren die Mundus-Festspiele ihre Fortsetzung im zweiten Akt. Zwischen der 40. und 44.Minute traf der Halbrechte, den an diesem Abend Nichts und Niemand zu stoppen schien, drei Mal und führte sein Team zur ersten Führung des Abends (23:22). Auf Ferndorfer Seite wurde nun ein Angriff/Abwehr-Wechsel vorgenommen. Für das Duo Kevic/Fanger kamen Nikita Pliuto und Alexander Reimann. Und gerade die linke Abwehrseite kam, im Zusammenspiel mit Gabriel Viana, immer besser ins Spiel. 24:22 stand es, als Longerichs Torjäger Lukas Martin Schulz einen Wurf verwandelte, den Ferndorfs Coach am liebsten selbst gehalten hätte. Überhaupt litt Klatt wieder einmal höchst emotional mit seinem Team mit und animierte im Anschluss die Zuschauer, den Hexenkessel neu zu entfachen. „In dieser Phase bekommen wir das Spiel eigentlich unter Kontrolle und haben das Momentum auf unserer Seite“, haderte Klatt mit der dann folgenden Spielphase. Es kam nun vermehrt zu Pfiffen des sächsischen Schiedsrichter-Gespanns, die den Unmut all derer auf sich zogen, die es mit den Jungs vom Kindelsberg hielten. Stürmerfoul gegen Kevic, ein Halten gegen Fanger, aber all das brachte die Michel & Co. noch nicht aus der Fassung. Mit einem 26:24 bog das Spiel ab in Richtung Crunchtime. Auftritt Josip Eres – der etatmäßige Rechtsaußen hatte auch diesmal seine Einsätze nur bei Siebenmetern. Aber diese beiden Strafwürfe verwandelte der Mann mit der Nummer Drei gewohnt sicher, feierte diese sogar höchst emotional. Über ein 28:27 (54.) ging es in die Schlussphase. Mattis Michel wurde nun bösartig gefoult. Doch zum großen Entsetzen gab es für dieses Foul aus der Kategorie „brutal und höchst überflüssig“ keine Strafe für den Gast, sondern nur einen Strafwurf. Longerichs Linksaußen Max Zimmermann hatte just zwei Mal getroffen. Und so sollte nach einer letzten Auszeit des Longericher Coaches wieder Zimmermann zum Entscheider werden. Doch sein Wurf landete im Gesicht von Wilde, so dass Zimmermann mit einer Zwei-Minuten-Strafe bedacht wurde. Kapital aus der dieser numerischen Überlegenheit konnten die TuS-Jungs allerdings nicht schlagen. Im Gegenteil – in Unterzahl gelang dem Gast die Führung (29:30, 59.). Fabian Hecker auf Rechtsaußen, der im Laufe des Spiels auch die ein oder andere Chance liegen gelassen hatte, übernahm Verantwortung und erzielte mit einem wunderschönen Tor den Ausgleich. Über eine Minute noch zu spielen. Zuviel Zeit auf der Uhr, als dass man es so einfach herunterspielt. Doch die Schiedsrichter gaben sich bei der Auslegung der Zeitspielregel großzügiger als zuvor, so dass der Gast die verbleibenden 67 Sekunden komplett von der Uhr nehmen konnte. Was blieb war ein geblockter Angriffsversuch und die Erkenntnis, dass man an einem solchen Tag dann auch mal mit einem Punkt zufrieden sein muss. 

So sah es auch Klatt nach dem Spiel: „Ein verdienter Punkt für unseren Gast.“ Um direkt anzufügen: „Das darf uns aber nicht aus der Bahn werfen.“ Und da war er mit seinen Gedanken schon beim kommenden Wochenende, wenn sich am Samstagabend um 19 Uhr mit der HSG Hanau der Staffelsieger der Gruppe Süd-West aus der Saison 2022/23 in der Stählerwiese vorstellt. Drei Mal hat man in der vergangenen Saison die Klingen gekreuzt. Zwei Mal sind die Hessen als Sieger vom Parkett gegangen. Diese Scharte wollen die Jungs in Rot und Weiß ausmerzen. Und vertrauen dabei auch wieder auf die lautstarke Unterstützung der Ferndorfer Fans. 918 waren es gegen Longerich. Gegen Hanau darf der ein oder andere Zuhausegeliebene gerne auf den Krimi daheim verzichten. Denn nervenzerfetzende Spannung ist auch in der Stählerwiese garantiert!

Tore: Marvin Mundus (13), Fabian Hecker (4), Julius Fanger (3), Marko Karaula, Janko Kevic, Mattis Michel, Gabriel da Rocha Viana (je 2), Josip Eres (2/2)


Fotos: H. Burbach

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