Der TuS Ferndorf hat am Samstagabend seinem virtuellen Trophäenschrank eine Meisterschaft hinzugefügt. Wobei Ferndorfs Meistercoach Ceven Klatt die richtigen Worte wählte, als er anmerkte: „Durch die nicht vorhandene Möglichkeit des direkten Aufstiegs ist es so ein bisschen eine Meisterschaft ohne Wert. Es fühlt sich ein bisschen komisch an!“
Und wahrlich, die Umstände waren alles in allem recht seltsam. Schon die Anreise aus dem Siegerland war mit Hindernissen gespickt. Durch Baustellen-Staus und zeitweiliger Vollsperrung auf der A4 waren nicht nur die Fans gebeutelt. Auch der Mannschaftsbus kam erst eine halbe Stunde vor Spielbeginn an. Normalerweise sind die Michel & Co. rund zwei Stunden vor Spielbeginn an der Halle. Machen einen Spaziergang und gehen ihrer eigenen und auch mannschaftlichen Spielvorbereitung nach. Die war durch die späte Anreise nun erheblich gestört, was Klatt auch ein kleines Stück weit für die Leistung auf dem Feld verantwortlich machte: „Man hat gesehen, wie wichtig eine gute Vorbereitung am Spieltag ist. Zeit zum Aufwärmen, Fokussierung, Einstellung – alle Abläufe waren erheblich gestört!“
Und so begann das Abenteuer Meisterschaft mit einem um fünfzehn Minuten verschobenen Anwurf. Punkt 19:45 Uhr betraten die Teams die Opladener Bielerthalle, die sich fest in Ferndorfer Hand befand. Rund die Hälfte der offiziell 351 Zuschauern waren aus dem Siegerland angereist und sorgten schon vor dem Spiel für meisterliche Stimmung. Die Klatt-Mannen hatten sich unter der Woche im Training einiges erarbeitet. Unterschiedliche Auftakthandlungen bezogen unter anderem den auf Linksaußen beginnenden Mattis Michel immer wieder mit ins Spiel ein. Der Kapitän löste an den Kreis auf und sorgte für Verwirrung, die seine Mannschaftskameraden zu Torerfolgen nutzten. Erster Zungenschnalzer in Minute Vier, als der ansonsten unter seinen Möglichkeiten spielende Daniel Hideg ein Kempa-Zuspiel von Josip Eres erfolgreich abschloss. Durch eine Zeitstrafe gegen Valentino Duvancic war der Coach früh zum Handeln gezwungen. In dieser Phase rückte Mattis Michel an den Kreis und sein jüngerer Bruder Linus, vorher noch sechzig Minuten für die Verbandsliga-Reserve auf der Platte, übernahm die Position des Linksaußen. So richtig absetzen konnten sich die Siegerländer Handballer nicht. Über 2:3 (6.), 5:6 (11.) und 8:9 (18.) blieb der TuS Opladen ein stets gefährlicher Gegner. Lange Angriffe schlossen die Leverkusener Vorstädter meist erst im angezeigten Zeitspiel ab. „Wir haben keine so gute Torhüter-Leistung und kommen dadurch fast nie ins Tempospiel“, war Klatt bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Partie nicht einverstanden mit der Darbietung der Seinen. Nach einer Auszeit des Opladener Coach Fabrice Voigt waren es die Jungs vom Kindelsberg, die zum ersten Mal ein wenig Verve in ihre Aktionen brachten. Die Gastgeber produzierten einige technische Fehler. Und so machten die Rot-Weißen, zwischen der 20.-27.Minute, aus einem 9:10 ein 9:13. Tim Hottgenroth hatte im Tor Jonas Wilde abgelöst und Marvin Mundus hatte für Fabian Hecker Platz gemacht. Und so hielt man sich auch bei einer Unterzahlsituation schadlos. Zwei der letzten drei Ferndorfer Tore in Hälfte Eins erzielte der Käpitän. Einmal vom Kreis und einmal von Außen, was die Variabilität eines Mattis Michel zeigt, und in Handball-Deutschland in dieser Kombination nur selten zu finden sein wird. So ging es mit einer verdienten 12:15 Führung des Tabellenführers in die Halbzeitpause
Halbzeit Zwei begann eigentlich wie gewünscht. Parade Hottgenroth, Foul an Hecker im schnellen Gegenstoß, Siebenmeter TuS. Doch Josip Eres, sonst eiskalt von der Siebenmeter-Marke, scheiterte am guten Opladener Keeper Tim Trögel. Und irgendwie riss mit dieser Aktion der Faden bei der TuS-Equipe vollends. Nicht dass die Rheinländer den TuS Ferndorf aus den Schuhen gespielt hätten. Aber während auf der einen Seite am Ende des Zeitspiels noch Lösungen gefunden wurden, haderten auf der anderen Seite die TuS-Spieler mit anderen Gegebenheiten. Jeder war mehr mit sich selbst, und der Suche nach der Bestform beschäftigt, statt, wie es Klatt ausdrückte, „die Emotionen mit den vielen mitgereisten Fans zu teilen und ins Positive zu wandeln“. Stattdessen musste der Meistercoach mit ansehen, wie die Opladener zum 16:16 (40.) ausglichen. Eine Auszeit brachte auch keine Besserung. Weiterhin fanden die Jungs vom Kindelsberg nur Lücken am Kreis. Über den in der Saison besonders starken Rückraum des Spitzenreiters lief so gut wie nichts. Egal wer sich versuchte, es bekam niemand seine PS auf die Platte. „Standhandball“ monierte der Coach und nahm aus seiner Generalkritik am Rückraum nur Regisseur Janko Kevic aus, der immer mal wieder mit Anspielen an seine Kreisläufer brillierte und auch selber in die spärlich vorhandenen Lücken stieß. In der 47.Minute war es dann soweit. Beim 19:18 legte Opladen erstmals vor. In der Abwehr versuchte es Klatt mit wechselnden Formationen, fand aber eigentlich bis zum Spielende nicht die Idealbesetzung. Mit einem 20:20 ging es in die Crunch-Time. Bei gleichem Spielstand in der 53.Minute nahm der Gastgeber eine Auszeit. Doch genau diese Auszeit nutzte der TuS Ferndorf. Innerhalb von 120 Sekunden stellten die Michel & Co. auf 20:23 und zogen den unermüdlich kämpfenden Opladenern den Zahn. Mit dem Treffer zum 21:23 Endstand gelang denen nur noch Ergebniskosmetik. „Man darf auch mal ein Spiel dreckig gewinnen. Wenn man das Positive herausstellt, muss man einfach konstatieren, dass wir weiter ungeschlagen sind und sich unsere Qualität am Ende durchgesetzt hat“, war Klatt froh, diese schwere Auswärtshürde genommen zu haben.
Ein Blick in die anderen Staffeln schärft erneut die Sinne. Emsdetten, Konstanz und Würzburg mussten unerwartete Punktverluste hinnehmen. Und vielleicht war der Arbeitssieg in Opladen so etwas wie der „Schuss vor den Bug zur rechten Zeit“, wie es Klatt ausdrückte. Mit ein paar Prozent weniger Leistung – mit ein paar Prozent weniger Einstellung – und mit ein paar Prozent weniger an perfekter Spielvorbereitung ist es schwer, auf diesem Leistungslevel Spiele zu gewinnen. Und das nächste Spiel für den frischgebackenen Champion der Süd-West-Staffel steht schon vor der Tür. Die Rückkehr des Meisters in das heimische Wohnzimmer steht auf dem Programm. Am kommenden Samstag um 19 Uhr empfängt der frischgekürte Meister die Reserve der HSG Wetzlar. Die Ferndorfer Verantwortlichen würden sich riesig freuen, wenn die Stählerwiese auch am kommenden Samstag wieder so gut gefüllt ist wie zuletzt. Und dann heißt es wieder: Alle dabei für Liga Zwei!
Tore: Valentino Duvancic, Mattis Michel (je 5), Josip Eres (5/4), Janko Kevic (4), Daniel Hideg (2), Julius Fanger, Marvin Mundus (je 1)
Fotos:TuS Ferndorf und A. Domian