Es gibt Trainingswochen im Leben eines Sportlers, in denen stehen manche Worte auf dem Index. Für die nun folgende Trainingswoche des TuS Ferndorf werden das wahrscheinlich alle Wörter sein, die sich in irgendeiner Art und Weise mit dem Thema „Aufstiegsrunde“ beschäftigen. Denn mit einer Leistung wie der am späten Samstagabend in Nieder-Roden, braucht man sich im TuS-Lager keinen Gedankenspielen bzgl. der Aufstiegsrelegation im Frühjahr hingeben. Ganz im Gegenteil – nun gilt es erst einmal, das Geschehene aufzuarbeiten und den Fokus auf die nächsten Spiele zu lenken.
Vielleicht war man gedanklich wirklich schon einige Schritte weiter. Dabei hatte Ferndorfs Coach Robert Andersson ausdrücklich gewarnt. Die HSG Rodgau Nieder-Roden war und ist verletzungsgebeutelt. Und zu allem Überfluss gesellte sich vor dem Spiel auch noch einer der wenigen verbliebenen Rückraumschützen, Henning Schopper, mit in diesen erlauchten Kreis. Einige A-Jugendliche saßen bei den Hessen auf der Bank und kamen auch zum Einsatz. Dem gegenüber ein komplett gefüllter TuS-Kader, gespickt mit Spielern, die über teils reichlich Zweitligaerfahrung verfügen.
Das war in den ersten Spielminuten kaum erkennbar. Denn obwohl Lucas Puhl im Ferndorfer Kasten sofort den ersten Siebenmeter der Gastgeber entschärfte, zogen diese mit Siebenmeilenstiefeln davon. 4:0 stand es nach gut vier Minuten, und außer einem Lattentreffer von Mattis Michel war den Rot-Weißen noch nicht allzu viel gelungen. Nach über fünf Minuten war dann Jörn Persson der Schütze des ersten Ferndorfer Tores. Die TuS-Equipe robbte sich langsam aber sicher in die Partie und nach einem Abpraller versenkte Michel in unnachahmlicher Weise zum 6:4 Anschlusstreffer (11.). Doch der schwedische Coach an Ferndorfs Außenlinie war weiterhin hörbar unzufrieden. Viel zu einfach machte es die Abwehr der Rot-Weißen den Nieder-Rodener Angreifern. Diese bedankten sich ein ums andere Mal mit Schlagwürfen aus kürzester Distanz. Eine Abwehr darf ruhig auch mal tief stehen. Aber in Kombination mit keinerlei Aggressivität ist das eine Einladung zum Torewerfen für den Gegner. Dieser hatte zudem den besseren Zerberus im Kasten. Marco Rhein, in Personalunion auch sportlicher Leiter der Südhessen, zeigte immer wieder sein Können und schickte dann postwendend seine Außenspieler auf die Reise. Diese bedankten sich mit Toren aus dem Tempogegenstoß oder erster Welle. 12:6 stand es folgerichtig in der 17.Minute. Und nachdem Andersson sein Team in einer Auszeit neu zu justieren versuchte, war es Alexander Reimann, der das erste Einlaufen eines Ferndorfer Außen sofort mit einem Torerfolg krönte. Persson und Fanger waren nun die Aktivposten. Doch beiden gelang es nicht, dass Ferndorfer Spiel in die Breite zu ziehen und ideenreicher zu gestalten. Zu oft wurde eindimensional gekreuzt, ohne dass erkennbar der Wille zum Durchbruch gegeben war. Rostyslav Polyshchuk erwies seinen Kameraden dann einen Bärendienst, als er innerhalb von nur vier Minuten zwei Zeitstrafen kassierte. Niklas Diebel war dann der dritte Spieler nach zwanzig Minuten, der sich auf der halblinken Königsposition versuchen durfte. Dieser zündete auch sofort und beim 13:10 war man wieder auf Schlagdistanz. Josip Eres verbuchte dann nach knapp 27 Minuten seinen ersten Treffer. Tor aus sieben Metern. Doch nicht einmal eine Minute später vergab der Kroate eine weitere Chance vom Siebenmeterstrich. Statt 14:12 stand es im Gegenzug 15:11. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, vergab man zu früh die Chance auf den Anschluss vor der Halbzeit und kassierte als I-Tüpfelchen einer schlechten ersten Hälfte sogar noch das 16:11.
Chancen es besser zu machen, sollten sich noch reichlich bieten. Dreißig Minuten sind im Handballsport schließlich eine Ewigkeit. Und so war selbst der neuerliche Fehlstart in Halbzeit Zwei noch kein Genickbruch. Ein 18:11 nach 32 Minuten ist im Handball nun mal keine Entscheidung. Und so machten sich die Siegerländer auf die Aufholjagd. Tim Hottgenroth kam nach 36 Minuten für Puhl. Und auch Marko Karaula wurde nach 39 Minuten aufs Feld beordert. Dazu kam ein treffsicherer Reimann, der auf Linksaußen sowohl im Tempogegenstoß, wie auch im Positionsangriff, fehlerfrei agierte. Und so war nach Reimanns Treffer zum 21:18 (41.) alles wieder möglich. Man hatte sich heran gekämpft und auch die Abwehr zeigte sich, auch wenn immer mal wieder Lücken entstanden, wesentlich aggressiver als in Halbzeit Eins. Beim 23:22 (46.) war man zum ersten Mal seit der dritten Minute wieder auf ein Tor herangekommen. Warum in dieser Phase der Aufholjagd Andersson eine Auszeit nahm, wird sein Geheimnis bleiben. Seine Erfahrung als Spieler und Trainer wird ihm den entsprechenden Impuls geliefert haben. Aber im Grunde genommen zog er seinem Team genau in diesem Moment den Stecker. Marvin Mundus gelang noch der 23:23 Ausgleich (48.). Und jeder sah das Momentum auf Seiten des TuS Ferndorf. Doch innerhalb von sechs Minuten kippten die Gastgeber das Spiel mit einem 6:0 Lauf wieder zu ihren Gunsten. Angetrieben von einer begeisternd mitgehenden Kulisse gelang den Brühl, von der Au und Co. nun alles, während auf Seiten des Tabellenzweiten mehr mit sich, den Mitspielern, den Schiedsrichtern oder sonstigen Einflüssen gehadert wurde. Apropos Schiedsrichter – das Unparteiischen-Gespann Eelco und Robin Schmitz, aus dem DHB-Nachwuchskader, schickte Mattis Michel nach 49 Minuten mit Rot auf die Tribüne. Eine harte, vielleicht sogar zu harte Entscheidung. Bei all diesen Dingen durfte Karaula nicht mehr mitwirken. Entscheidend an der Aufholjagd beteiligt, musste der Edeltechniker von der Bank aus zusehen, wie seine Mannschaftskameraden das Spiel aus der Hand gaben. Erst beim Spielstand von 28:23 sah man einen der wenigen Durchbrüche Perssons. Was wiederum deutlich macht, wie gut und kompakt die HSG Rodgau Nieder-Roden ihre Abwehr präsentierte. Die letzten beiden Treffer der Hausherren zum verdienten 30:24 Heimerfolg fielen nicht mehr ins Gewicht.
Ein Schlag ins Kontor all derer die es mit dem TuS Ferndorf halten. War man vor Wochenfrist noch euphorisch gewesen aufgrund des Rückrundenauftakts und des vollständig zur Verfügung stehenden Kaders, so hat seit dem Samstagabend Ernüchterung Einzug gehalten. Doch wie es immer im Leben ist – selbiges geht weiter. Und so haben die Michel & Co. bereits am kommenden Samstag Gelegenheit, den Fans zu zeigen, dass das in Nieder-Roden nur ein einmaliger Ausrutscher war. Gegen den Tabellendritten aus Gelnhausen wird man sehen, in welche Richtung das Pendel ausschlägt. Gelingt der TuS-Equipe eine Vorentscheidung in Sachen Teilnahme an der Aufstiegsrunde, oder wird es mit dem Erreichen eines der ersten beiden Plätze ein Hauen und Stechen bis zum Schluss? Auf was die Mannschaft hoffentlich wieder zählen darf, ist die wahnsinnig wichtige Unterstützung von den Rängen. Gerade in der jetzigen Situation kann der Faktor des Hexenkessels den Spielern Flügel verleihen. Und so hoffen die Andersson-Mannen auf eine abermals große Kulisse und gute Stimmung.
Tore: Alexander Reimann (6), Marvin Mundus (5/1), Mattis Michel (4), Julius Fanger, Jörn Persson (je 3), Niklas Diebel (2), Josip Eres (1/1)
Fotos: A. Domian