„Wenn es keine Toten und Verletzten gibt, sind es keine Play-Offs!“ Der Spruch des in Deutschland erfolgreichen, kanadischen Eishockey-Trainers Bernie Johnston sollte man nicht wörtlich nehmen. Aber nichts desto trotz – Spiele, wo es nur wenige Möglichkeiten gibt Ausrutscher zu korrigieren, sind in allen Sportarten das Salz in der Suppe. Und die Spieler des TuS Ferndorf haben dreißig Saisonspiele darauf hingearbeitet, von Ende Mai bis Mitte Juni in genau diese Entscheidungsspiele zu gehen. Und nicht nur Trainer Ceven Klatt fiebert mit seiner Equipe diesen Spielen entgegen. Nein, das Siegerland scheint elektrisiert zu sein von den Erfolgen der Männer aus dem Handballdorf. Der TuS Ferndorf ist in aller Munde und spätestens beim Rückspiel am Sonntagnachmittag schlägt die Handballbegeisterung ganz hohe Wellen. Doch erst einmal werden rund siebzig Fans die Mannschaft zum ersten Play-Off-Spiel nach Oppenweiler/Backnang begleiten. Dass es nicht noch deutlich mehr sind, ist allein der Tatsache geschuldet, dass das zehnprozentige Kartenkontingent für Gastvereine nicht mehr hergibt. Denn in die kleine Gemeindehalle in Oppenweiler passen maximal 700 Zuschauer.
Und damit ist auch schon eine große Stärke des Tabellendritten der Süd-Staffel genannt. Durch die enge Halle entsteht eine Atmosphäre, die es denen, die nicht alle zwei Wochen dort spielen, unheimlich schwer macht dort zu bestehen. „Uns erwartet eine ganz besonders hitzige Stimmung“, weiß Ferndorfs Meistercoach um die besonderen Umstände. So stehen die Zuschauer teils nur eine Armlänge von den Spielern entfernt am Seitenrand. Klatt führt weiter aus: „Wir müssen uns auf unsere Stärken besinnen und Oppenweiler wenig Tore gönnen. Aber wir haben viel Vertrauen in die stärkste Abwehr der 3.Liga Süd-West.“ Und wahrhaftig – mit dem heimstärksten Team der Süd-Staffel kommt eine echte Tormaschinerie auf die Michel & Co. zu. Die Murrtaler entwickeln Torgefahr von allen Positionen, sind aber insbesondere im Rückraum sehr stark aufgestellt, wo sie in der Kleingruppe gut miteinander harmonieren. Neben dem 2004-er Jahrgang Elias Newel und dem Ex-Ferndorfer Niklas Diebel ist hier auch der beste Torschütze, Daniel Schliedermann, zu nennen. Im Defensivverbund dreht sich viel um Abwehrchef Markus Dangers. Der Kreisläufer der Baden-Würrtemberger, der ebenso wie eine Vielzahl seiner Mitspieler über höherklassige Erfahrung verfügt, dirigiert dort seine Nebenleute. Dass was dann noch den Weg aufs Tor findet, muss noch „die Krake“ überwinden. Der 37-jährige Jürgen Müller, der nach dieser Saison die Schuhe an den Nagel hängt, hat als Keeper einiges erlebt. Ein Länderspiel für Deutschland, 120 Erstliga-Spiele und sage und schreibe drei Aufstiege in die Beletage des deutschen Handballs. Also definitiv ein Experte in Sachen Aufstieg. Fehlt in der Spielerriege noch der „emotional leader“. Rechtsaußen Philipp Maurer, seit über zehn Jahren im Verein, feiert am Spieltag seinen 34.Geburtstag. Und last but not least ein Wort zum Mann auf der Kommandobrücke der Murrtaler: Daniel Brack, Sohn der letzten Jahres verstorbenen Trainerlegende Dr. Rolf Brack, wird von nicht wenigen eine große Karriere an der Seitenlinie vorhergesagt.
„Wir sind selbstbewusst und freuen uns auf dieses besondere Spiel, auf das wir nun ein Jahr lang hingearbeitet haben.“ Klatts Worten ist zu entnehmen, dass seine Jungs brennen, denn er fügt noch hinzu: „Anspannung, Konzentration und Motivation sind hoch. Die Jungs sind beim Videostudium sehr wissbegierig.“ Und für die schwere Aufgabe im Rems-Murr-Kreis steht dem Meistercoach, bis auf die Langzeitverletzten Pliuto und Reimann, der ganze Kader zur Verfügung. Jeder wird seinen Beitrag dazu leisten wollen, am Fronleichnam-Abend 2024 mit einer guten Ausgangsposition aus dem Süden der Republik heimzukehren. Denn auch darum geht es in diesen Play-Offs. Bei einer Niederlage ist man nicht ausgeschieden. Aber es gilt, sich für das Heimspiel in der ausverkauften Stählerwiese, am kommenden Sonntag um 16:30 Uhr, alle Möglichkeiten offenzuhalten, um die Endspiele zum Zweitligaaufstieg zu erreichen. Lucas Puhl hat auf seiner Abschiedstournee in den letzten Wochen viel Spielzeit erhalten und ist dabei Woche für Woche besser geworden. Janko Kevic, bester Mittelmann der 3.Liga Süd-West, hat seine Leader-Qualitäten immer wieder unter Beweis gestellt. An der Seite des erfahrenen Kroaten blühen auch seine Halbspieler auf. Speziell Julius Fanger auf der Halblinks-Position, aber auch Marvin Mundus auf Halbrechts, profitieren ungemein vom Erfahrungsschatz des WM-Teilnehmers von 2015. Und da sind ja auch noch die ungemein torgefährlich besetzten Außenpositionen, sowie die, immer wieder vom Rückraum exzellent in Szene gesetzten, Kreisläufer. Rechtsaußen Josip Eres, der die Saison auf dem sechsten Platz der Torschützenliste beendete. Oder aber auf der linken Außenbahn Gabriel Viana, der speziell im Abwehrverbund einen herausragenden Job erledigt. Und am Kreis wirbeln die beiden Männer aus dem Innenblock. Valentino Duvancic und Mattis Michel teilen sich häufig die Spielzeit, da beide durch die Doppelbelastung in Abwehr und Angriff kaum sechzig Minuten durchspielen könnten. Doch auch die Spieler, die namentlich noch nicht erwähnt wurden, geben den oben Genannten nicht nur Entlastung. Denn eine der großen Stärken des TuS in der Saison 2023/24 ist, dass der Trainer durchwechseln kann, ohne die Qualität auf dem Spielfeld einzubüßen. Dabei geht es um Belastungssteuerung, was Klatt aber in Bezug auf die anstehenden Spiele ins Reich der Fabeln verweist: „In solchen Phasen der Saison geht jeder Spieler auch gerne über die Schmerzgrenze hinaus!“
1988, 1998, 2008, 2012, 2015 und 2018 – was haben diese Zahlen mit dem 30.Mai 2024 gemein. Nun, sechs Aufstiege durfte der TuS Ferndorf in den vergangenen 36 Jahren feiern. Sechs Teams, die sich auf immer und ewig im Gedächtnis der TuS-Fans verankert haben. Uwe & Roger Becker, Marc Stenske, Thorsten Schierbaum, Caslav Dincic, Jonas Faulenbach, Julian Schneider, Michael Lerscht – Namen die jeder TuS-Fan in Verbindung mit den o.a. Erfolgen bringt. Und die aktuellen Spieler im Kader wollen ganz sicher Teil dieser Auflistung werden. Am Abend des 15. Juni würde im Falle des Falles die große Sause starten. Doch erst einmal steht die schwere Aufgabe beim Dritten der Süd-Staffel auf dem Programm. Und ob man nun zu den rund siebzig Mitfahrern zählt, das Spiel auf Sportdeutschland.tv streamt oder aber im Herzen dabei ist – für Donnerstag 17:00 Uhr gilt wieder: Scream for your team – mit der #familieferndorf, mit der #familietus !
WISSENSWERTES
Gegner: HC Oppenweiler/Backnang
Einwohner Oppenweiler & Backnang: 4.300 & 37.400 (zum Vergleich: Ferndorf = 3.900)
Heimspielstätte: Gemeindehalle Oppenweiler – 700 Zuschauer Fassungsvermögen
Trikotfarbe: grün-blau
.größte Erfolge: Aufstieg in die 3.Liga 2015