Elfmeterschießen – ein Wort, bei dem der gemeine Engländer zusammenzuckt, da er diesbezüglich schlechte Erfahrungen gesammelt hat. Beim Arbeitssieg des TuS Ferndorf gegen die Bergischen Panther war man zwischenzeitlich der Annahme erlegen, auch die Siegerländer Handballer könnten einen Komplex entwickeln. Nur aus sieben statt aus elf Metern – doch der Kapitän setzte dem Spuk ein Ende. Mattis Michel, schon zu Zweitligazeiten ein sicherer Siebenmeterschütze, hielt sich schadlos. Vielleicht ein Fingerzeig für den Coach, wer denn kommende Woche in Gelnhausen die Ferndorfer Siebenmeter wirft.
Über die ersten dreißig Minuten gibt es so viel zu erzählen. Und doch deckt man besser den Mantel des Schweigens über selbige. Es begann mit ein paar Schocknachrichten für die TuS-Fans. Zu den Rekonvaleszenten Valentino Duvancic und Paul Schikora gesellten sich drei weitere Ausfälle. Josip Eres, Daniel Hideg und Gabriel Viana mussten ebenfalls in Zivil die Halle betreten. Das machte die Aufgabe gegen eines der besten Teams der Liga nicht unbedingt einfacher. Und zu Beginn merkte man bereits, dass nicht ein Rädchen ins andere griff. Ja, Alexander Reimann schloss einen Schnellangriff mit dem 1:1 ab. Und genau dieses schnelle Spiel hatte sich das Trainer-Duo Ceven Klatt & Jannis Michel auf die Fahnen geschrieben. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Die TuS-Equipe produzierte technische Fehler im Minutentakt und es war nur der ebenso angehäuften Fehler auf der Gegenseite zu verdanken, dass die Gäste aus dem Bergischen nicht schon früh enteilten. So konnten bis zum 6:7 (12.) die wechselnden Führungen immer wieder ausgeglichen werden. Als dann Marvin Mundus einen Siebenmeter verwarf und die Klatt-Mannen eine Überzahlsituation mit 0:1 verloren, nutzten dies die Gäste für einen Zwischenspurt auf 6:10 (16.). Ferndorfs Coach bat die Seinen bereits nach einer Viertelstunde zur ersten Auszeit und beorderte Marko Karaula aufs Feld. Doch an der Gemengelage änderte das erst einmal wenig. Die Bergischen Panther trugen lange Angriffe vor, warteten geduldig auf Chancen am Kreis oder räumten auf die Außen ab, die ihre Chancen nahezu traumwandlerisch sicher verwerteten. Beim 12:15 (23.) hatten besagte Timo Blum und Moritz Görgen neun der fünfzehn Panther-Tore erzielt. Das Unparteiischen-Gespann präferierte eine konsequente Linie, die allerdings in einer Zeitstrafen-Flut mündete. So mussten die Männer vom Kindelsberg nach 23 Minuten in dreifacher Unterzahl agieren. Wahrlich eine Seltenheit im modernen Handball. Anschließend entwickelte sich eine kleine Privatfehde zwischen Karaula und dem Keeper der Gäste, die in einem Heber Karaulas zum zwischenzeitlichen 16:19 gipfelte. Da auf Seiten der Gäste aus dem Rheinisch-Bergischen aber David Bleckmann noch traf, ging es mit einem 16:20 in die Pause. TuS-Coach Klatt hatte nach der zweiten Halbzeit des Pokalspiels eine Reaktion seines Teams versprochen. Auf diese Reaktion warteten die 931 Zuschauer allerdings bis zum Pausentee noch vergeblich.
Doch mit Beginn der zweiten dreißig Minuten präsentierten sich die Rot-Weißen vollkommen verändert. „Wir haben in der Halbzeit an den richtigen Stellschrauben gedreht. Zu der dann sehr guten Abwehrleistung kommt auch noch die Torhüterleistung und die tolle Unterstützung der Fans“, war Klatt voll des Lobes über Minute 31 – 60. Innerhalb von nur 219 Sekunden drehte Janko Kevic das Spiel fast im Alleingang. Der nun wie entfesselt aufspielende Spielgestalter nutzte jede sich bietende Lücke im Abwehrverbund der Panther. Endlich war er der Leader auf dem Feld, so wie sich das Klatt von ihm erhofft. Die Ferndorfer Abwehr empfing die Gäste nun teilweise schon auf neun Meter und ließ den Schützlingen von Panther-Coach Marcel Mutz kaum Luft zum Atmen. Endlich passte das Verschieben – man war schnell auf den Beinen unterwegs und auch der neue Innenblock mit Fabian Hecker und Nikita Pliuto machte seine Sache außerordentlich gut, wie auch Klatt anmerkte: „Großes Lob an die Moral meines Teams. Die Anzahl der Gegentore in der zweiten Halbzeit ist fantastisch!“ Wahrlich, in den ersten zwölf Minuten des zweiten Durchgangs kassierten die Michel & Co. gerade einmal zwei Gegentore. Lucas Puhl, der in der 20. Minute für Jonas Wilde ins Spiel gekommen war, bekam nun auch endlich die Unterstützung der Abwehr, die sich die beiden Keeper bereits in Hälfte Eins gewünscht hätten. Die wenigen Durchbrüche, die nun noch zu verzeichnen waren, wurden zum Gros Beute des 31-jährigen Gummersbachers im Ferndorfer Tor. Höhepunkt der Leistung von Puhlic, wie ihn seine Mannschaftskameraden liebevoll nennen, in der 49. Minute. Einen Ball, den der Zerberus fängt (!!), befördert er im nächsten Moment in den verwaisten Kasten der Panther zum 26:24. Durch die Leichtigkeit im Abwehrspiel kamen die TuS-Jungs nun auch nicht mehr zu spät in die Aktionen. Folgerichtig agierte man in Halbzeit Zwei wesentlich weniger in Unterzahl. Der spielfreudige Ferndorfer Rückraum nutzte in der Crunch-Time seine Möglichkeiten und baute den Vorsprung peu a peu aus. Hinten so sicher wie die Bank von England, und im Angriff zielsicher wie einst John Wayne. Konsequenterweise mündete das in einem steten Ausbaus der Führung. Und so prangte zum Ende hin ein 30:25 Sieg auf der Anzeigetafel. Die zweite Halbzeit hatte die Fans versöhnt. Mannschaft, Trainerteam und Fans freuen sich schon auf den nächsten Auftritt in Liga Drei.
Da trifft der Tabellenzweite aus Ferndorf nämlich am kommenden Samstagabend in der Barbarossastadt Gelnhausen auf den TV Gelnhausen. Eine Mannschaft, die in der Saison 2022/23 Dritter hinter dem TuS Ferndorf wurde. Und der auch diese Saison nicht wenige Experten eine durchaus gute Rolle zutrauen. Dazu kommt die schwer zu bespielende Rudi-Lechleidner-Halle. Da würden sich die Mannen von Ceven Klatt über lautstarke Unterstützung im Main-Kinzig-Kreis sehr freuen.
Tore: Marvin Mundus (7/2), Janko Kevic (6/1), Marko Karaula (5/3), Mattis Michel (4/1), Fabian Hecker, Alexander Reimann (je 3), Nikita Pliuto, Lucas Puhl (je 1)
Fotos: H. Burbach und TuS Ferndorf