TuS mit Galaleistung vor ausverkauftem Haus

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Vier Begegnungen gab es in der ersten Play-Off-Runde. Drei dieser vier Partien waren teils hochdramatisch eng. Bei einem Spiel wurde der Sieger nur aufgrund der auswärts mehr erzielten Tore ermittelt, einmal war es ein Tor das den Unterschied ausgemacht hat und bei der dritten Partie waren es zwei Tore Unterschied. Der TuS Ferndorf hingegen hat den Süd-Staffel-Dritten aus Oppenweiler mit insgesamt 14 Toren Unterschied besiegt. Und dabei waren die äußeren Umstände, mit dem schwerwiegenden Ausfall Julius Fangers und der extrem frühen roten Karte gegen Janko Kevic, äußerst bescheiden. Deshalb ist es schwer nicht in Superlative zu verfallen. Denn erreicht ist trotz dieser beiden Galavorstellungen noch nichts. Die Rot-Weißen sind zwar jetzt seit 32 Saisonspielen ungeschlagen, aber nun gilt es noch eine letzte Hürde zu nehmen, die an den kommenden beiden Wochenenden MTV Braunschweig heißt. Erst dann könnten die hochverdienten Feierlichkeiten beginnen.

Das Spiel gegen die Baden-Württemberger, zu ungewohnter Anwurfzeit am Sonntagnachmittag um 16:30 Uhr, begann mit einem Einlaufen des TuS-Teams, bei dem dem ein oder anderen die extreme Emotionalität schon anzumerken war. Und als Ferndorfs Taktgeber und Spielgestalter Janko Kevic den ersten Abpraller aufnahm, den Ball nach vorne trieb und dann auch noch selbst zum 1:0 abschloss, war die TuS-Welt in Ordnung. Das sollte sich aber bereits in der 4.Minute grundlegend ändern. Eine berechtigte, aber zu diesem Zeitpunkt brutal harte, rote Karte gegen Kevic brachte die Siegerländer Handballwelt ins Wanken. Nicht wenige auf den Tribünen der Stählerwiese sahen zu diesem Zeitpunkt die Felle davonschwimmen. Der Kopf des Ferndorfer Spiels war für die restlichen 56 Minuten zum Zuschauen verdammt. Neben dem Ausfall Julius Fangers, der in den Play-Offs nicht mehr spielen wird, ein weiterer herber Rückschlag. Und die Mannen von Chefcoach Ceven Klatt brauchten auch eine gewisse Zeit, um sich an die veränderten Voraussetzungen auf dem Feld zu gewöhnen. Der Kapitän ging in dieser Phase voran. Mattis Michel verrichtete im Abwehrverbund Schwerstarbeit und war am gegnerischen Kreis nur mit unlauteren Mitteln zu halten. Doch auch seine zwei Tore konnten ein 4:6 nach neun Minuten nicht verhindern. Der Gast aus Oppenweiler/Backnang hatte bereits zu diesem frühen Zeitpunkt den Drei-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel fast eliminiert. Klatt bat zur Auszeit, um die Änderungen im Spielablauf zu besprechen und sein Team neu zu justieren. Oft sind es genau diese Spiele, in denen Spieler über sich hinauswachsen, die man vorher nicht so sehr auf dem Schirm hatte. Am Nachmittag des 2. Juni traf das auf Ante Simic zu. Im regulären Saisonverlauf nicht immer mit glücklichem Händchen agierend, lastete nun viel Druck auf dem Kroaten. Daniel Hideg war für Kevic auf die Mitte gerückt und Simic übernahm die Position im linken Rückraum. Als dieser dann mit einem Kraft- und Willensakt den Ball zum 6:6 ins Tor wuchtete, musste man erstmals an diesem Tag Angst um die Standfestigkeit der Stählerwiese haben. Der Fanclub der Brigade C hatte das Team schon mit einer beeindruckenden Choreo empfangen. Und die rund 1.350 TuS-Fans gereichten dem Hexenkessel bereits in der Anfangsphase zu Ehren. Es war Dampf im Spiel. Mit Kevic hatte man der TuS-Equipe zwar den Kopf genommen. Aber das Herz war noch auf dem Feld, wie es auch Klatt anmerkte: „Die Mannschaft hat in dieser schwierigen Situation gezeigt was sie ausmacht. Charakter, Bereitschaft, Einstellung sowie Kampf- und Teamgeist!“ Nach einer guten Viertelstunde war der TuS beim 8:6 wieder vorne. Doch als der Coach den ersten Spielern Verschnaufpausen gönnte, kippte das Momentum wieder zugunsten des Gastes aus dem Rems-Murr-Kreis. 8:10 (21.) stand es, als drei Spieler das Blatt wieder wendeten. Jonas Wilde, dem sein Coach das beste Saisonspiel attestierte, hatte von Lucas Puhl übernommen. Zudem zeigten Hideg und Marvin Mundus, dass sie gewillt waren, an diesem besonderen Tag über die Schmerzgrenze hinaus zu gehen. Wilde vernagelte, im Zusammenspiel mit einem herausragend agierenden Abwehrverbund, seinen Kasten und vorne sorgten Simic und Josip Eres für die Tore zum zwischenzeitlichen 11:10. Die Mannschaft zerriss sich auf dem Feld, wurde aber von den Zuschauern auch frenetisch angefeuert. „Die Halle gibt uns dann nochmal fünf Prozent mehr an Emotionalität und Kraft“ – Klatt war verzückt ob der Stimmung in der proppevollen Stählerwiese. Mundus hatte inzwischen den Part des Siebenmeter-Schützen von Eres übernommen und sorgte mit der Halbzeitsirene für den 14:10 Pausenstand. Spiel gedreht, 6:0 Lauf und dazu noch Anwurf in Hälfte Zwei.

Und in dieser ging es in genau diesem Tempo weiter. Der TuS-Express war nicht zu halten. Gabriel Viana und Mundus eröffneten Durchgang Zwei. Hallensprecher Kai Brückmann stand wie das Team sechzig Minuten auf dem Gaspedal und animierte die Zuschauer wie kein Zweiter in den dritten Ligen Handball-Deutschlands. Die Zuschauer auf der Haupttribüne wurden dann Zeuge einer spektakulären Szene. Viana machte seinen Gegenspieler auf unnachahmliche Art und Weise fest, trug diesen ein wenig und streckte dabei seinem Coach lachend die Zunge raus – den Jungs war der Spaß am Handballspiel in jeder Situation anzumerken. Jede gelungene Abwehraktion wurde im Kollektiv gefeiert und im Angriff lief es weiterhin wie am Schnürchen. Der am Ende vierfache Torschütze Simic glänzte nicht nur beim Torwurf, sondern setzte auch seine Mitspieler toll in Szene. So wie beim 18:11, als Valentino Duvancic erfolgreicher Abnehmer war. „Ich habe oft genug gesagt, dass uns Ante noch helfen wird. Heute hat er das definitiv getan“, war Klatt begeistert von der Vorstellung seines Halblinken. Als dann noch Fabian Hecker zum 20:11 (40.) traf, zog Daniel Brack, der Trainer der Murrtaler, die Auszeit. Innerhalb von zwanzig Minuten hatten die Männer vom Kindelsberg aus einem 8:10 Rückstand eine 20:11 Führung herausgeworfen. Zwanzig lange Minuten, in denen man mit unfassbar guter Abwehrarbeit und einem gut aufgelegten Wilde im Tor, den Gästen ein einziges Tor gestattete. Daniel Schliedermann, den Denker und Lenker im Oppenweiler Spiel, hatte die TuS-Abwehr im Griff. Es gab kaum ein Durchkommen für die Gäste. Und wenn, dann war bei Wilde Endstation. Der 26-jährige war ein echter Gamechanger! Auf der rechten Seite verteilten sich die Einsatzzeiten unter den drei Hauptprotagonisten Eres, Hecker und Mundus. Im Ringtausch bekam jeder mal eine Verschnaufpause. Und selbst von der ungewohnten Rechtsaußen-Position traf Hecker in spektakulärer Art und Weise. Es war der Punkt im Spiel erreicht, an dem dem Team fast alles gelang. Über 23:14 (49.) und 25:15 (53.) ging es in eine Schlussphase, die zum Schaulaufen des strahlenden Siegers wurde. Die baden-württembergischen Gäste hatten keine Chance gegen ein wie entfesselt agierendes Ferndorfer Team. Arvid Pötz durfte sich in den letzten Minuten auch noch zeigen und hatte damit genauso Anteil am Erfolg wie Linus Michel, der Hideg Verschnaufpausen verschaffte. Eben diesem Hideg war es dann vergönnt, mit einem Wurf in den Giebel für den 28:17 Endstand zu sorgen. Klatt war überwältigt von der Performance seiner Jungs: „Zehn Gegentore in der ersten und sieben Gegentore in der zweiten Halbzeit – das ist Outstanding“

Outstanding war aber auch das, was die Zuschauer geleistet haben. Die altehrwürdige Stählerwiese war zum ersten Mal nach dem Umbau mit dem Prädikat „Ausverkauft“ versehen. Neben den rund fünfzig mitgereisten Gästefans sorgten 1350 TuS-Fans für eine Atmosphäre, wie sie im Siegerland nur der TuS Ferndorf erzeugen kann. All das, die Leistung der Mannschaft und die Begeisterungsfähigkeit der Siegerländer Handballfans, gilt es nun zu transportieren. Zuerst am kommenden Wochenende nach Braunschweig, bevor es dann am 15. Juni um 19:00 Uhr zum großen Showdown im Kreuztaler Hexenkessel kommt. Alle die, die gegen Oppenweile/Backnang dabei gewesen sind, werden auch gegen Braunschweig wiederkommen wollen. Über das Prozedere und die Abwicklung von Ticketbestellungen wird der Verein in einer gesonderten Weise informieren. Und nachdem Ferndorfs Meistercoach bereits am Sonntagabend in die Gegneranalyse für das kommende Wochenende eingestiegen ist, gilt dann auch für die reisefreudigsten Fans der 3.Liga Süd-West: Alle dabei für Liga Zwei !!

Tore: Marvin Mundus (8/2)), Daniel Hideg, Ante Simic (je 4), Gabriel Viana (3), Valentino Duvancic, Josip Eres, Fabian Hecker, Mattis Michel (je 2), Janko Kevic (1)


Fotos: M.Lehmann und RGR/TuS Ferndorf

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