Es war der 6. September 2003, der die Journalie aufschreckte und sie sogar ein klein wenig veränderte. Rudi Völler saß bei Waldemar Hartmann im Studio und musste sich als Bundestrainer erklären. Erklären, warum sein Team, welches nun wahrlich nicht vor Ballästheten strotzte, es nur zu einem 0:0 auf Island gebracht hatte. „Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören“ und „Es gibt keine Kleinen mehr“ waren nur zwei der Sätze, die wie Donner nachhallten in der deutschen Medienlandschaft. Neunzehn Jahre später muss man konstatieren, dass Völler damals recht gehabt hat. Es gibt keine Gegner, die man unterschätzen sollte. Jeder der sich in einer Liga mit dem anderen misst, hat die sportliche Qualifikation für ebendiese Spielklasse nachgewiesen.
Auch das kommende Spiel des Tabellenführers TuS Ferndorf beim Tabellenvorletzten aus Pohlheim steckt voller Stolperfallen. „Eine Mannschaft die nicht zu unterschätzen ist. Und die mit dem Kreisläufer Moritz Lambrecht und vor allen Dingen dem Halbrechten Stefan Lex zwei Unterschiedsspieler in ihren Reihen hat“, weiß Ferndorfs Co-Trainer Jannis Michel zu berichten, der unter der Woche den aus familiären Gründen in Schweden weilenden Robert Andersson bei der Pressearbeit vertrat. Eben dieses Duo Lambrecht/Lex funktioniert auch in der Kleingruppe sehr gut. Hier gilt es für die TuS-Abwehr Hand anzulegen und sicher zu stehen. Dass die Pohlheimer nicht an ihrem Tabellenstand zu messen sind, hat auch das vergangene Wochenende eindrucksvoll belegt. Die TSG Haßloch, die bekanntermaßen das bislang einzige Team ist welches den TuS Ferndorf geschlagen hat, wurde von den Pohlheimern bis weit in die Crunch-Time hinein gefordert. Und solche Spiele gab es für die Männer aus dem Landkreis Gießen zuhauf. „Sie interpretieren ihre Abwehr ähnlich wie wir und stehen sehr defensiv“ weiß Michel wo in der Trainingswoche die Hebel anzusetzen sind. Neun lange Jahre hat man in und um die HSG Pohlheim danach gedürstet, endlich wieder in Liga Drei an den Start gehen zu dürfen. Nun wird man alles daran setzen, sich diesen Status nicht nach nur einer Saison wieder nehmen zu lassen.
Rund um die Sporthalle Stählerwiese hat man am vergangenen Samstag viele Steine plumpsen hören. Die sind nämlich Spielern, Verantwortlichen und auch den Fans vom Herzen gefallen, nachdem die TuS-Equipe in einem wahren Spitzenspiel die HSG Hanau hauchdünn bezwingen konnte. Jannis Michel fasste es in Worte: „Die Erleichterung war natürlich groß. Auch wenn spielerisch noch viel Luft nach oben war, so war es kämpferisch eine Top-Leistung!“ Am Montag hatte sich der alte und neue Tabellenführer einen freien Tag verdient. Auch um Wehwehchen auszukurieren. Denn inzwischen füllt ein ganzes Handballteam das „TuS-Lazarett“. Dabei hatte man sich doch gerade erst über die triumphale Rückkehr von Valentino Duvancic gefreut. Langzeit-Rekonvaleszent Marko Karaula, der bis Ende 2022 ausfallende Niklas Diebel und der erst jüngst dazugestoßene Josip Eres haben nochmaligen Zuwachs bekommen. Alexander Reimanns Wade macht einen Einsatz in Pohlheim unmöglich. Bei Paul Schikora besteht noch ein bisschen Resthoffnung, dass er Samstag zumindest zu Teileinsätzen kommt. Da aber auch Tim Hottgenroth kränkelt, wird der Co-Trainer höchstpersönlich seinen Torwart-Sweater einpacken. Auch wenn er betont, dass Lucas Puhl so ein Spiel auch alleine bestens bestreiten kann. Voller Tatendrang wird neben Duvancic auch der andere Hauptprotagonist vom vergangenen Wochenende sein. Fabian Hecker war der vielumjubelte Vollstrecker in den letzten Spielminuten. Eine abgezockte Vorstellung des 25-jährigen, die Lust auf mehr gemacht hat. Lust auf mehr haben hoffentlich auch die beiden anderen Rückraumspieler aus der Schlussviertelstunde gegen Hanau. Julius Fanger und Linus Michel sorgten für schnelle Beine und gute Entscheidungen. Wichtig, dass die durch den Diebel-Ausfall entstandene Lücke so gut wie möglich geschlossen wird. Und auch wenn ein nicht zu unterschätzendes Team auf die Siegerländer wartet. Es ist ein ganz klein bisschen Pflichtaufgabe, die Heimreise aus Hessen mit zwei Punkten im Gepäck anzutreten. Denn schon am kommenden Samstag wartet mit der Reservemannschaft des VfL Gummersbach wieder ein Schwergewicht der Liga auf die Rot-Weißen.
Zählt man zusammen, wie viele Autos und Kleinbusse sich auf den nicht einmal 100 Kilometer langen Weg ins Gießener Umland machen, so darf von einer stattlichen Zahl Auswärtszuschauer ausgegangen werden. Diese Unterstützung ist in der 3.Liga Süd-West einzigartig und wird derzeit von den Spielern und Verantwortlichen auch allenthalben gelobt. Nicht umsonst war der Sieg im Spitzenspiel am vergangenen Wochenende auch ein klein bisschen der Sieg des Hexenkessels. Einmalige Atmosphäre, bei der man in den letzten Minuten oft sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Bevor es aber am 19.November in der Kreuztaler Dreifachsporthalle wieder brodelt, gilt es nun erst einmal der Aufgabe „HSG Pohlheim“ Herr zu werden. Wer das Team nicht vor Ort unterstützt, kann natürlich wieder auf den Stream bei Sportdeutschland.tv zurückgreifen. Hierzu zwei Anmerkungen. Zum einen bittet der TuS Ferndorf um Beachtung, wem ein Teil des Geldes, welches man für die Live-Berichterstattung bezahlen muss (4,50 EUR) zuteil wird. Und zum anderen wundern sie sich nicht, wenn ihnen die Stimme am Mikro bekannt vorkommt. Unser Livestream-Reporter aus der Stählerwiese, Jonas Späth, wird in Pohlheim als Kommentator mit am Mikro sitzen. Und wie immer gilt auch am Samstagabend um 20 Uhr wieder, egal wo auch immer mit dem TuS mitgefiebert wird: Scream for our team !
WISSENSWERTES
Gegner: HSG Pohlheim
Einwohner Pohlheim: 17.900 (zum Vergleich: Ferndorf = 3.900)
Trikotfarbe: blau-weiß
größte Erfolge: Aufstieg in die 3.Liga 2010 & 2022