45 Minuten guter Handball reichen nicht aus

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Es sind diese ungeschriebenen Gesetze, die seit vielen Jahren mit einer monetären Abgabe in ein Sparschwein „belohnt“ werden: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel oder das nächste Spiel ist immer das schwerste oder aber auch, auf den Handballsport herunter gebrochen, ein Handballspiel dauert sechzig Minuten. Und dass es gerade in diesem schön verrückten, abwechslungsreichen Sport keine Verschnaufpausen während eines Spiels geben darf, mussten die Schützlinge von Ferndorfs Coach Robert Andersson gestern leidvoll erfahren.

Fünfundvierzig Minuten hatte sich die TuS-Equipe gegen den hohen Favoriten aus der Hansestadt sehr gut aus der Affäre gezogen, um den Gegner dann vorbei und wegziehen zu lassen. „Das ist einer der großen Unterschiede. Mannschaften wie Hamburg spielen über die vollen 60 Minuten ihr Spiel. Wir sind auf einem guten Weg, haben dann aber immer wieder Phasen in denen wir den Mut verlieren und unser Spiel nicht mehr durch- und unsere Qualitäten nicht ausspielen“, wollte Andersson mit den Seinen nicht zu hart ins Gericht gehen.

Denn der TuS hatte am Samstagabend einen Plan. Und dieser schien aufzugehen, denn nach zehn Minuten hatten die Hanseaten erst zwei Mal getroffen. Torben Matzken hatte den Spielstand, nach einem Ferndorfer 4:0 Lauf, auf 4:2 gestellt. Doch der Tabellenzweite wollte sich den Schneid nicht abkaufen lassen und verteidigte seinerseits sehr offensiv auf acht, neun Meter. Die sich dabei ergebenden Freiräume am Kreis nutzte unter anderem Mattis Michel zum 7:7 Ausgleich. Vorausgegangen war ein tolles Anspiel von Andreas Bornemann, der in den folgenden Minuten zu einem Hauptakteur werden sollte. Denn nach einem seiner unnachahmlichen Kracher zur erneuten Führung wurde er bei seinem nächsten Tor derart hart in der Luft angegangen, dass die Schiedsrichter nicht nur zwei Minuten, sondern sicherlich auch eine berechtigte rote Karte hätten zücken können. Im Übrigen eine der ganz wenigen zu diskutierenden Aktionen der ansonsten gut pfeifenden Sportskameraden Maximilian Engeln und Felix Schmitz.Inzwischen stand es 13:10 und Torsten Jansen auf der Hamburger Bank hatte genug gesehen. Neuer Torwart, neue Feinjustierungen in der Abwehr und ab ging die wilde Fahrt.

Allerdings, nach guter alter Kirmes-Tradition, erst einmal rückwärts für den Handball Sport Verein Hamburg. Die Rot-Weißen kamen hoch motiviert aus der Kabine und Sario, Eres und Michel waren für das zwischenzeitliche Fünf-Tore-Polster verantwortlich. 17:12 – so manch einer rieb sich vor dem Bildschirm die Augen. War das wirklich DER TuS Ferndorf, der am Mittwoch noch (buchstäblich) den Sieg in Wilhelmshaven weggeworfen hatte? Ja, es war genau DER TuS Ferndorf – und das untermauerten die Spieler in den nun folgenden fünfzehn, zwanzig Minuten. „Alle hat in dieser Phase der Mut verlassen“, konnte und wollte Andersson aber keinen Spieler an den Pranger stellen. Zu gut hatten sich seine Jungs über dreiviertel der Spielzeit präsentiert. Doch im letzten Drittel des Spiels hatten sich bei den Blau-Weißen einige Dinge eingespielt, die der TuS-Equipe den Zahn zogen. Eine bewegliche Abwehr, die nicht mehr ganz so viele Lücken offerierte, ein Angriffsspiel das routiniert herunter gespult wurde und vor allen Dingen ein Keeper, der alle anderen Akteure heute eindeutig in den Schatten stellte. Marcel Kokoszka hatte sich nach drei gehaltenen Siebenmetern, zwei Mal hatte Eres verworfen und ein Mal Torben Matzken, in die Köpfe der Ferndorfer Spieler geschlichen. Und so gelang dem 20-jährigen sein bestes Saisonspiel ausgerechnet in der Kreuztaler Stählerwiese. Gestützt auf diesen starken Rückhalt spielten die Hamburger ihren Stiefel routiniert runter und siegten am Ende verdient mit 23:27. Und auch wenn es alle die die es mit dem TuS halten ärgert – diese Handballwoche hat wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass es in dieser Liga keine übermächtigen Gegner gibt, aber auch keine die man unterschätzen darf. Je nach Tagesform kann in dieser besten zweiten Liga aller Zeiten jeder jeden schlagen.

Im Lager des TuS Ferndorf gilt es noch einmal die Konzentration hoch zu halten, bevor es in die WM-Pause geht. Denn bis zum Jahreswechsel stehen noch drei harte Brocken auf dem Programm. Den Auftakt macht schon am Mittwoch das Auswärtsspiel in Eisenach. Die Erinnerungen an letztes Jahr sollten Alle positiv stimmen, denn nach einer Schwächephase im Vorfeld dieser Partie meldete sich der TuS damals mit einem Auswärtssieg eindrucksvoll in der Liga zurück. Drücken wir dem Team die Daumen, dass am Mittwoch in Thüringen der Bock wieder umgestoßen wird.

Tore: Toni Sario (6), Andreas Bornemann, Mattis Michel, Lukas Pechy (je 3), Torben Matzken (3/1), Josip Eres, Julian Schneider (2), Thomas Rink (1)


Bilder: Heiko Burbach / TuS Ferndorf

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