Ein Spiel für die Ferndorfer Geschichtsbücher

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Torwart Marin Durica – momentan in bestechender Form. (Foto: H.Burbach)

Ein Spiel für die Ferndorfer Geschichtsbücher Es gibt diese Spiele an deren Geschichten man sich auch nach zwanzig Jahren noch nicht satt gehört hat. Und der Auftritt der Familie TuS beim Weihnachtsspiel in Hamburg war solch ein Spiel. Es waren in allen Belangen Superlative, mit denen sich Spieler und Fans im Vorfeld beschäftigt hatten. Und es wird weder dem Spiel noch den Begleitumständen gerecht, wenn man diese eine Szene oder diesen einen Moment herauspickt. Denn die rot-weißen Festspiele in der Elbmetropole hatten schon am frühen Nachmittag ihren Anfang genommen. Zwei Busbesatzungen, des vom Fanclub Brigade C bestens organisierten Trips in die Hansestadt, enterten das Brauhaus an den Landungsbrücken und sorgten mit Trikots, Schals und anderen Fanutensilien dafür, dass Hamburg das erste Mal für diesen Tag Notiz nehmen durfte vom Dorfverein TuS Ferndorf.

Das zweite Mal Notiz nehmen durften die Fans des HSV Hamburg dann beim Einlaufen der rot-weißen Equipe. „Dorfverein seit 1888“ prangte deutlich sichtbar im Oberrang der Barclaycard-Arena und machte auf die über 200 Ferndorfer aufmerksam, die ihr Team lautstark unterstützten. Ferndorfs Coach Michael Lerscht war einfach nur begeistert von einem perfekten Handballabend in einer stimmungsvollen Arena: „Überragend, Wahnsinn – da fahren über 200 Ferndorfer Fans 420 km zu einem Auswärtsspiel. Es hat einfach solch einen Spaß gemacht. Wir wollten unseren tollen Fans diesen Sieg zum Jahresausklang schenken. Denn wenn wir schon an Weihnachten Handball spielen müssen und kein Heimspiel in der Stählerwiese haben, ist ein Auswärtsspiel in der Hamburger Barclaycard Arena das Geilste was wir bekommen konnten.“


Und es ging direkt gut los für die Lerscht-Mannen. Der Coach hatte sich natürlich Gedanken gemacht und Lehren aus dem Hinspiel gezogen: „Wir wussten dass uns Bauer und Tissier weh tun können mit ihren tiefen Bewegungen. Deshalb wollten wir sie vom Torraum weg halten und kompakt sein.“ Keeper Marin Durica war, wie in den letzten beiden Spielen, sofort im Match und gab seiner Abwehr Selbstvertrauen. Überhaupt war das Zusammenspiel der wieder einmal herausragend agierenden Abwehr mit dem Keeper der Schlüssel zum Erfolg. Der zum wiederholten Male bärenstark aufspielende Julius Lindskog Andersson und auf Halbrechts Andreas Bornemann setzten die ersten Duftmarken und brachten den TuS mit zwei Toren in Front. „Gesetzt wird sich erst nach dem ersten Tor der eigenen Mannschaft“ heißt es auch bei den Hamburgern. Da aber Durica und seine Hintermannschaft einen super Job machten, musste das Heimpublikum die ersten acht Minuten und dreizehn Sekunden stehend dem Spektakel beiwohnen. Danach ging es Schlag auf Schlag. Den Führungstreffern des TuS folgte der postwendende Ausgleich. Mehr noch – nach 19 Minuten ging der HSV Hamburg mit 7:6 und 8:7 in Führung. Um es vorweg zu nehmen. Es sollte die letzte Führung der Hanseaten in diesem Spiel gewesen sein. Denn der TuS konterte nicht nur, er setzte den ersten echten Wirkungstreffer des Abends. Aus einem 8:7 Rückstand drehte die Lerscht-Sieben das Match bis zur Halbzeit. Jonas Faulenbach, Julius Lindskog Andersson und Patrick Weber trafen innerhalb der letzten 77 Sekunden der ersten Halbzeit und gaben dem Gastgeber damit eine echt Aufgabe für Hälfte Zwei an die Hand.

Die zweiten dreißig Minuten begannen so wie sich das jeder, der es mit den Rot-Weißen hielt, gewünscht hatte. Marin Durica stellte erneut seine aktuell bestechende Form unter Beweis, parierte zwei wichtige Bälle und im Angriff zeigten sich Faulenbach und Michel treffsicher, so dass sich aus dem 8:7 Rückstand eine 8:13 Führung entwickelt hatte. Als dann Capitano Faulenbach bei seinem dritten Wurfversuch den dritten Treffer erzielte, machte sich bei 10:15 bereits der ein oder andere TuS-Fan Gedanken, wie denn in zwanzig Minuten der Auswärtserfolg gefeiert wird. Doch da gibt es ja immer noch einen Gegner, der im Falle des HSV Hamburg zweifelsfrei hohe Qualität besitzt und nicht umsonst in der oberen Tabellenhälfte platziert ist. Fünf Tore in Folge des nun sensationell aufspielenden Lukas Ossenkopp, ein Tor des ehemaligen Champions-League Siegers Blazenko Lackovic sowie ein Siebenmetertreffer des führenden in der Torschützenliste der 2.Liga, Kreisläufer Niklas Weller, sorgten innerhalb von nur sieben Minuten für den 18:18 Ausgleich. Die Hamburger Spieler schienen sich freigespielt zu haben und das Publikum brannte und sorgte für eine unvergleichliche Hexenkessel-Atmosphäre im weiten Rund. Doch wie bereits vor wenigen Tagen in Eisenach zeigten die Spieler des TuS ganz starke Nehmer-Qualitäten und spielten ihren Stiefel ganz souverän weiter. Angeführt von Faulenbach und Andersson, hatte nun Coach Michael Lerscht das richtige Näschen. Geschichte wiederholt sich sagt der Volksmund. Und das galt gestern im Besonderen für den Teufelskerl, der die letzten zwölf Minuten das Ferndorfer Gehäuse hüten sollte. Für den wirklich gut agierenden Durica kam Lucas Puhl zwischen die Pfosten. Und was der Zerberus im Tor der Ferndorfer in den letzten zwölf Minuten veranstalte, lässt sich am besten anhand von Zahlen belegen. Bei einer Quote über 40% gehaltener Bälle spricht man bei Torhütern von einer Weltklasse-Leistung. In den letzten zwölf Minuten kam Puhl auf die atemberaubende Quote von 71% !! Im Zusammenspiel mit der weiterhin grandios agierenden Abwehr, in der Abwehrchef Branimir Koloper sowie Thomas Rink und Mattis Michel herausragend agierten, kassierten die Rot-Weißen in den verbliebenen zwölf Spielminuten nur noch zwei Gegentore. Lerscht, der sich am Tag nach dem Weihnachtscoup in Hamburg in den wohlverdienten Winterurlaub verabschiedete, wollte keinen Spieler hervorheben: „Für mich ist es überragend, wenn der gesamte Kader funktioniert. Jeder seine Fertigkeiten einbringt und den Gegner so vor immer neue Aufgaben stellt. Und wenn einer einen Fehler macht, dann bügeln wir den gemeinsam wieder aus.“

Am Ende war es dann nur noch rot-weiße Glückseligkeit, während die annähernd 9.000 Hamburger Zuschauer enttäuscht den Heimweg antraten. Die Spieler ließen sich von den mitgereisten Fans feiern und es sich anschließend nicht nehmen, den Weg in den Oberrang anzutreten. Wieder einmal ein Beweis für die Besonderheit, die die Familie TuS ausmacht !! Allen Unkenrufen in den letzten Wochen zum Trotz, hat die Mannschaft immer weiter an sich geglaubt und sich nach all den, teils heftigen, Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Um sich am Ende für diesen Glauben an sich selbst auch zu belohnen. Nicht vergessen wollen wir an dieser Stelle die Wochen, in denen manch Verantwortlicher den Glauben an den Handball-Gott zu verlieren schien. Denn immer wieder gab es für das Team Nackenschläge, von denen sich manch andere Mannschaft nicht erholt hätte. Diese Einheit aber glaubt an sich und hat das Prädikat „Außergewöhnlich“ verdient. Ob es gerade jetzt gut ist, in die anstehende EM-Pause zu gehen, darüber wird Jeder unterschiedliche Ansichten haben. So lässt sich nur konstatieren, dem Team zum erreichten 12.Tabellenplatz zum Jahresende zu gratulieren und alle Fans einzuladen, wieder dabei zu sein, wenn es am 01.Februar im ersten Heimspiel nach der EM-Pause heißt: „Herzlich willkommen im Hexenkessel Stählerwiese“.

Tore für den TuS: Jonas Faulenbach (7), Julius Lindskog Andersson (6/1), Mattis Michel (4/1), Patrick Weber (3), Julian Schneider (2), Andreas Bornemann, Jan Wicklein (je 1)


Alle Fotos: Heiko Burbach

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