Die Bilder nach dem Spiel sprachen Bände. Auf der einen Seite die Spieler des Gastgebers aus Krefeld, die mit hängenden Köpfen über das Parkett schlichen und sich der großartigen Leistung des Tabellenführers beugen mussten. Auf der anderen Seite ein Jubelmeer in Rot und Weiß. Die Michel & Co. ließen sich gerne und ausgiebig von den mitgereisten Fans feiern. Über zweihundert Ferndorfer waren es am Ende. Mit Bussen, Autos und sogar mit dem Zug erfolgte die Anreise an den Niederrhein. Der Spitzenreiter hatte den Nimbus der Unbesiegbarkeit gewahrt. Das Selbstbewusstsein der Mannen von Chefcoach Ceven Klatt dürfte inzwischen riesengroß sein – und das auch völlig zurecht.
Dabei war der Einstieg ins Spiel mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Nach der Einlaufzeremonie, vor der tollen Kulisse von 2.175 Zuschauern, waren es die Krefelder, die sich von Beginn an auf der Höhe des Geschehens präsentierten. In der Abwehr packten die Schwarz-Gelben beherzt zu, und vorne war es insbesondere der ehemalige Ferndorfer Jörn Persson, der das Spiel an sich riss und mit Toren und Anspielen glänzte. Es gab kein langes Abtasten. Zwischen der fünften (2:2) und zehnten Minute (7:6) fielen neun Tore – Run & Gun Handball, den der Ferndorfer Coach eigentlich gar nicht so gerne sieht. „Wir wollten ganz gezielt den Angriff/Abwehr-Wechsel der Krefelder attackieren, was uns in der Vorwärtsbewegung auch gut gelungen ist“, gab Klatt einen Einblick in den Matchplan. Erstes Highlight der Partie dann der Ausgleich zum 9:9 in der 14.Minute. Kempa-Anspiel von Josip Eres, welches Daniel Hideg vollstreckte. Ein Schreckmoment dann in der 20. Minute, als Marvin Mundus, der ansonsten wieder eine sehr gute Partie mit sechs Toren ablieferte, rüde gefoult wurde und anschließend für einige Zeit mit einem Brummschädel auf der Bank Platz nehmen musste. Fabian Hecker übernahm, und machte es, um es vorweg zu nehmen, in Angriff und insbesondere in der Abwehr sehr stark. Irgendwie waren diese Aktionen aber auch ein Signal für die Siegerländer Handballer. Gabriel Viana und Janko Kevic sorgten beim 11:13 (23.) erstmals für eine Zwei-Tore-Führung. Anschließend gelang Julius Fanger ein sensationeller Assist auf Mattis Michel, den dieser sicher verwandelte. Doch in diesem Spitzenspiel, das seinem Namen auch alle Ehre machte, drehte sich das Blatt anschließend wieder in Richtung der HSG Krefeld. Robert Krass mit zwei einfachen Toren aus dem Rückraum und der Ex-Ferndorfer Christopher Klasmann sorgten mit einem 3:0 Lauf für die Halbzeit-Führung der Gastgeber.
Ferndorfs Erfolgscoach zu seiner Halbzeitansprache: „Ich hatte mein Notiz-Brett vollgeschrieben. Aber es waren alles nur Kleinigkeiten, die wir ganz sachlich angesprochen haben. So wie ein konzentrierteres und konsequenteres Arbeiten in der Abwehr. Mehr gegenseitige Hilfen sowie ein besseres Verschieben gegen den Ballführenden. Und ich habe mehr Emotionen verlangt!“ Den Auftakt in Halbzeit Zwei machte Michel mit zwei blitzsauberen Treffern. Der Kapitän erhielt nach dem Spiel noch ein Zusatzlob seines Coaches: „Mattes verteidigt einfach 1a – erst im Innenblock und später dann auch auf der Halbposition.“ Kopf an Kopf ging es durch die ersten zehn Minuten. Nach dem Tor Vianas zum 19:20 (41.) fiel dieser auf seinen bereits lädierten Schleimbeutel. Äußerst schmerzhaft, aber es bestand keine Chance auf einen schnellen Wechsel. So ging Viana im Deckungsverbund auf die Außenposition und Fanger rückte auf die Halbposition. Und ausgerechnet Fanger, der sich nicht als überragender Abwehrspieler auszeichnet, gelingt ein Monsterblock gegen 2-Meter-Mann Krass. Der Abpraller gelangt zu Hecker, der sich die Chance zum Tempogegenstoß nicht nehmen lässt. Doch langsam kam auch der Winter-Neuzugang der Gastgeber, Torhüter Martin Juzbasic, zu seinen ersten Paraden. Somit gelang es den Rot-Weißen nicht, sich mal auf mehr als zwei Tore abzusetzen. Da nun aber auch Lucas Puhl auf TuS-Seite richtig heiß lief, war es ein Warten auf die nächste gute Welle, die sich reiten lässt. Und diese Welle erwischten die TuS-Equipe. Josip Eres sorgte eingangs der Crunch-Time für die erste Drei-Tore-Führung im Spiel (21:24, 50.). Hinten rührten die Jungs vom Kindelsberg Beton an. Und wenn dann doch mal was durchkam, war Puhl zur Stelle. „Lucas Puhl mit tollen Paraden und Emotionen. Habe mich besonders für ihn sehr gefreut“, war Klatt froh, dass der Routinier im Tor nochmal ganz wichtige Akzente in einem so eminent wichtigen Spiel zeigen konnte. Dass Klatt anschließend von der „überragenden Phase im Spiel“ sprach, lässt sich rein an Zahlen festmachen. Zwischen der 44. und 56.Minute gelang den Niederrheinern kein einziges Tor. Mehr noch – oftmals hatte man den Eindruck, dass die grandios agierende Ferndorfer Abwehr den Krefeldern keinerlei Chance auf einen Torabschluss gab. In der Folge versuchten es die Gastgeber mit der ein oder anderen Verzweiflungstat, die aber auch nicht zum Erfolg führte. Pascal Noll traf dann erstmals wieder für Krefeld. Doch da war beim Zwischenstand von 22:26 (56.) die Messe bereits gelesen. Der Rest war Ferndorfer Glückseligkeit. Die Fans, die über sechzig Minuten für eine fantastische Atmosphäre in der Glockenspitzhalle gesorgt hatten, wurden von Spielern wie Hideg immer wieder aufgefordert, nochmals eine Schippe drauf zu legen. Die Ferndorfer Jungs hatten nun sichtlich Freude am Support der gut zweihundert TuS-Fans. Dazu der Trainer: „Eine geile Unterstützung, die richtig Spaß gemacht hat!“ Da in den letzten drei Minuten kein Tor mehr fiel, war Valentino Duvancics Treffer zum 23:28 der Schlussakkord in einem Spiel, was auf eindrucksvolle Art und Weise dargelegt hat, dass der (süd-)westdeutsche Meister nach sechs Jahren wahrscheinlich nochmal TuS Ferndorf heißen wird.
Die schwierigste Aufgabe ist es immer, nach solchen Highlights wieder zurückzukehren in den Liga-Alltag. Für die Verarbeitung des Erlebten und die Vorbereitung auf den nächsten Gegner haben die Klatt-Mannen nun zwei Wochen Zeit. Durch die Osterpause treten die Helden aus dem Krefeld-Spiel erst am 6. April wieder in der Stählerwiese an. Mit einem Sieg soll das nächste Puzzlestück auf dem Weg zu Platz Eins in der Süd-West Staffel gelegt werden. Gegner ist die TSG Haßloch. Bereiten wir den Jungs einen großen Empfang und machen Kreuztals gute Stube wieder einmal voll. Am 6. April um 19 Uhr heißt es dann wieder: Alle dabei für Liga Zwei!
Tore: Marvin Mundus (6/1), Josip Eres, Mattis Michel (je 5), Daniel Hideg, Gabriel Viana (je 3), Julius Fanger (2), Valentino Duvancic, Fabian Hecker, Janko Kevic, Paul Schikora (je 1)
Fotos: M.Lehmann