Ist das Kunst oder kann das weg? Dieser Spruch, der im Zusammenhang mit zwei „entsorgten“ Kunstwerken Joseph Beuys in den 70-er/80-er Jahren entstand, trifft in etwas abgewandelter Form nun wohl auch auf den TuS Ferndorf und seine „Beziehung“ zur Aufstiegsrunde zu. Selbst eine unvorhersehbare Siegesserie in den noch ausstehenden sechs Partien würde wohl kaum noch reichen. Und so ist das Kapitel Aufstiegsrunde, auf das man 26 Partien hingearbeitet und ebenso lange hin gefiebert hatte, schon nach den ersten drei Spielen erledigt.
In Braunschweig waren es mehrere Faktoren, die das Pendel am Ende Richtung der gastgebenden Niedersachsen ausschlagen ließ. Zum einen bekam man die Wirkungskreise des bislang überragenden Akteurs dieser Aufstiegsrunde, Philipp Moritz Krause, nie entscheidend eingeengt. Zum anderen kostete die beinahe 60-minütige Unterzahl, durch ständiges 7:6 Spiel der Braunschweiger, immens viel Kraft, die hinten raus fehlte. Und last but not least war die Zahl technischer Fehler zu hoch, als dass man für einen Sieg in einer qualitativ so gut besetzten Runde in Frage kommt.
Bereits der Auftakttreffer zum 1:0 der Braunschweiger war ein Statement. Mustafa Wendland im Tor der Gastgeber schickte Linksaußen Bela Pieles auf die Reise, der den Ball spektakulär im Netz, des von Tim Hottgenroth gehüteten Tores, versenkte. Dieser hatte in den ersten zehn Minuten übrigens entscheidenden Anteil daran, dass die Ferndorfer Equipe nicht schon aussichtslos zurücklag. Denn im Angriff fanden die Diebel, Mundus & Co. keinerlei Mittel gegen eine sehr offensiv eingestellte Braunschweiger Abwehr. Fünf Angriffe – fünf Mal nicht ein einziger Ball Richtung Tor der Gastgeber. Eine Begebenheit, die es so wahrscheinlich schon lange nicht mehr gegeben hat beim TuS Ferndorf. Und die Fans, ob die rund ein Dutzend mitgereisten oder aber die am Stream von Sportdeutschland mitfiebernden, fühlten sich an die Offensiv-Katastrophe vom Vinnhorst-Heimspiel erinnert. Nach einer frühen Auszeit Anderssons war es Niklas Diebel, der nach knapp zehn Minuten das Tor zum 3:1 Anschlusstreffer der Siegerländer Handballer erzielte. Für TuS-Coach Robert Andersson war das zerfahrene Spiel seiner Sieben Anlass genug, im Rückraum einmal „durchzuwischen“. Neu auf dem Feld waren nun Rostyslav Polyshchuk, Jörn Persson und Fabian Hecker. Alle Drei brachten frischen Wind und führten sich mit guten Aktionen ein. Hecker und Polyshchuk übernahmen die Deckungsarbeit auf den Halbpositionen und Gabriel Viana und Niklas Diebel bildeten den Innenblock. Aus einem anfänglichen 3:0 (9.) wurde binnen fünf Minuten ein 5:4. Mehr Schwung und mehr Zug zum Tor – besseres Abräumen auf die Außen und konsequentes Arbeiten in der Deckung. All das mündete in Polyshchuks Führungstreffer zum 6:7 (17.). Persson avancierte zu einer ständigen Gefahr für die Braunschweiger Abwehr. Beim 10:11 (23.) durch Josip Eres, als wieder einmal mustergültig abgeräumt wurde, sah man, dass bei den Niedersachsen durchaus was zu holen war. Einzig das Verhältnis der Siebenmeter war zu diesem Zeitpunkt recht einseitig zugunsten der Gastgeber. Zum Ende der ersten Halbzeit bekamen die Ferndorfer Jungs allerdings einen Vorgeschmack darauf, was ihnen in der zweiten Halbzeit bevorstand. Die Männer von Heim-Coach Volker Mudrow setzten ihrer offensiven Deckung noch einmal die Krone auf und begannen mit noch offensiveren Varianten zu glänzen. Zum Pausentee ging es mit einem 14:13 Rückstand und der Hypothek einer Zeitstrafe, und einhergehender Unterzahl zu Beginn von Halbzeit Zwei, gegen Niklas Diebel.
Das erste Ferndorfer Tor in den zweiten dreißig Minuten erzielte der einlaufende Alexander Reimann zum 16:14 (32.). Apropos Reimann – er, der unermüdliche Unruheherd durch sein konsequentes Einlaufen, und auch der fehlerfrei agierende Eres auf der gegenüberliegenden Außenbahn, lieferten ein beinahe fehlerfreies Spiel ab. Den seine Zeitstrafe absitzenden Diebel ersetze Andersson mit dem Rückkehrer an seine alte Wirkungsstätte. Marko Karaula durfte ran, zeigte aber einmal mehr nichts von seiner zweifelsfrei vorhandenen großen Qualität. Diebels nächste Zwei-Minuten-Strafe in der 35.Minute sorgte für ein Mismatch in der Ferndorfer Deckung. Karaula und Viana hatten gegen den bulligen Kreisläufer der Niedersachsen keine Chance. So gelang zwar Eres, mit einem Tor aus der Kategorie Weltklasse, noch einmal der Anschluss zum 20:17 (37.), doch anschließend ging es dahin. Braunschweig spielte zuweilen eine 3:3 Abwehr und zwang die Andersson-Mannen zu Aktionen, die nicht mehr zielführend waren. Schade, dass der in Halbzeit Eins für viel frischen Wind sorgende Polyshchuk nun nicht mehr zum Zuge kam. Und so kam es dann zu einer Art Vorentscheidung. In der Abwehr bekamen die Rot-Weißen keinen Zugriff mehr und im Angriff wurde der nächste Torhüter zum Helden geworfen. Über 23:17 (41.) und 27:19 (45.) ging es Richtung Crunch-Time und so manchem TuS-Fan wurde Angst und Bange. Braunschweig brachte die TuS-Equipe mit ihren immer wieder wechselnden Abwehrformationen von einer Verlegenheit in die nächste. Einzig Eres und Reimann blieben bei ihren Aktionen weiterhin kalt wie eine Hundeschnauze. Ein letztes Highlight aus Ferndorfer Sicht brachte die 54.Minute. Leander von Mende, Kreisläufer-Leihgabe aus der zweiten Mannschaft, erzielte sein erstes Tor in der Aufstiegsrunde. Am der schlussendlich verdienten 32:26 Niederlage änderte das nichts mehr. Doch vielleicht lässt von Mende am Feiertags-Montag noch das ein oder andere Tor folgen.
Denn schon am 1. Mai geht es weiter. Der ebenfalls noch sieglose HC Eintracht Hildesheim ist zu Gast in der Stählerwiese. Und es bedarf keiner großen Kampfansagen mehr in puncto Angriff auf die zweite Liga. In erster Linie wird es darum gehen, den besten Fans der 3.Liga Süd-West einen besseren Auftritt zu präsentieren als zuletzt. Wiedergutmachung für zwei Spiele, die niemand so vorausgeahnt hat. Und auch für die Spieler selbst können die gezeigten Leistungen nicht das sein, womit sich die Puhl & Co. zufrieden geben.
Tore: Josip Eres (8/1), Alexander Reimann (6), Gabriel da Rocha Viana (4), Niklas Diebel, Jörn Persson (je 3), , Leander von Mende, Rostyslav Polyshchuk (je 1)
Fotos: M. Lehmann